Es Schaf so wys wie Schnee: Adieu Bagatello

Text: Ko:L
Bilder: manuelwinterberger.ch
Bagatello nehmen Abschied
Wenn Berns Stapi eine gewohnt unlustige Trauerrede hält und Adi gegen Ende der Show Göläs Schwan ganz entnervt zum „Schaf so wys wie Schnee“ macht, dann ist das der Abend, an dem Bagatello Adieu sagen. Und zwar endgültig, wie sie während des Abends im Zelt, das gegenüber Berns Fussballtempel Wankdorf aufgebaut war, mehrmals betonen. Auch wenn Zelt-Direktor Adrian Steiner noch auf der Bühne ebenso verzweifelt um ein rasches Comeback der ehemals singenden Seminaristen bettelt, wie Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät. Erstaunlich sind diese Betteleien freilich nicht. Mit Bagatello verliert die Schweizer Unterhaltungsbranche die möglicherweise grösste Formation, die sie bis dato hervorgebracht hat. Oder wie es richtig heissen müsste: Die Schweizer Unterhaltungsbranche verliert die grösste Formation, von der sie bis dato überrollt wurde. Denn: Bagatello haben sicht ihre weit über 1000 Auftritte vor über 500'000 Menschen selber erarbeitet – ohne einen Rappen Geld von der öffentlichen Hand.
Bagatello - Simu, Pädi, Amadeus
Zweifellos ein Glücksfall war das Engagement an der Expo.02, wo Simu, Grosi, Adi, Pädi und Amadeus einen Sommer lang ihr damaliges Programm „Männerriege Bagatello M.R.B.“ präsentieren konnten – und wo die Geschichte des wandelnden Entertainment-Zirkus Das Zelt ihren Anfang nahm. Die A-Capella Comedians waren seit Anbeginn bei Das Zelt dabei – und kriegen so die unbezahlbare Möglichkeit, mit wenig eigenem Aufwand in der ganzen Schweiz aufzutreten. Dass der Abschied in diesem Rahmen stattfinden sollte, war nichts als logisch.
Bagatello - Grosi als Storyteller
Das Publikum an der Abschiedsgala war euphorisch. Noch bevor die Show überhaupt beginnen konnte, erntete der Fünfer aus Bern eine stehende Ovation. Danach starteten die Bagatellen eine gut zweistündige Zeitreise, die am 23. Juni 1993 enden sollte; dem Abend, an welchem Grosi, Pädi und Amadeus zusammen mit den beiden weiteren Gründungsmitgliedern Simon Joss und Christian Feuz Bagatello gründeten. „Am Ende des heutigen Abends werden wir wieder die sein, die wir damals waren: Fünf Seminaristen, denen die ganze Welt offen steht“, sagte Grosi – er amtete in der Abschiedsshow nicht nur als Suppenkasper, sondern auch als Erzähler – einleitend. Wohl wissend, dass diese Aussage eine grosse Illusion darstellt – und ahnend, dass der Abend auf der Bühne nahe an den Tränen enden würde.
Bagatello - Simu und Amadeus
Dass die Ausschnitte aus dem vorletzten Programm „Unbedingt“ den grössten Teil der Abschiedsgala ausmachten, kommt nicht von ungefähr. „War es der Anfang vom Ende?“, fragte Erzähler Grosi. Vielleicht hatte er bei der Vorbereitung der Show auch Gespräche, wie jenes mit Trespass.ch an einem lauen Sommerabend im „Schwellenmätteli“ im Hinterkopf; ein Gespräch, das sich nach dem Ende der „Unbedingt“-Tour unter anderem um die Frage drehte: „Wie wollt ihr das toppen?!“ Vielleicht sind Bagatello insofern Opfer ihres Erfolgs geworden, als dass sie das Tempo, das sie selber vorgelegt haben, nicht mehr mithalten konnten. Und nicht zuletzt waren die fünf Jungs gefangen in ihrer Einzigartigkeit: Bagatello sind nur live so richtig wirklich echt zu erleben. DVD-Verkäufe sind ein nettes Zückerli, mehr nicht; CDs machen schlicht keinen Sinn. Bagatello hören ohne zu sehen, ist mit einer schönen Blonden im Sonnenuntergang am Strand liegen und sie nicht berühren zu dürfen. Also hätte es für Bagatello nur eine Alternative zum Split gegeben: Die Tour ohne Ende. Und ein Leben lang Abend für Abend den Clown machen, das halten Clowns aus, die in einem Zirkus mit jährlicher Winterpause engagiert sind. Aber nicht Künstler mit Familien.
Bagatello - Adi als Gölä mit Zuschauerin
Ein letztes Mal liebte also das Publikum am Sonntag Abend zu Bern seine fünf Helden. Pädi durfte die „Kalinka“ geben; „Schaf“ Adi wurde jedes Mal, wenn er das Wort ergreifen wollte, „ange-mäht“; Simu versprühte literweise Testosteron und Amadeus schmiegte sich dankbar an die Brust des haarigen Helden – während Grosi seine nackte Bubenbrust mehrmals unbehelligt, aber unter euphorischischen Schreien aus dem Publikum entblössen durfte. Bagatello zeigten gewiss nicht ihren besten Auftritt aller Zeiten. Zu schwer wog die Last des minütlich nahenden Abschieds. Aber sie zeigten sich ein letztes Mal von jener Seite, für die sie das Publikum: der herzlichen, der spontanen und der ehrlichen!
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