Bock uf Chris Bluemoon!

19.11.2013; Text: Monthy, Bilder: Promo

Die Wege zum Ruhm sind heutzutage mannigfaltig - von Casting Shows über YouTube oder Facebook bis hin zu professionellen Agenturen kann man sein Startup von Experten begleiten lassen. Dass man dafür einen Preis zu zahlen hat, ist eine andere Geschichte, die aber vielleicht Leute wie Chris Bluemoon inspiriert. Sein Ansatz ist ein anderer - self made und nicht gerade gewöhnlich. Und spätestens nach seinem diesjährigen Solo-Debut möchte ich ihm dafür danken, dass es Leute wie ihn immer noch gibt. Der Drummer von Insomnia Rain ist zuerst nämlich als Herausgeber der Sampler-Reihe "Bock uf Rock", später auch mit Rap und Metal-Ausgaben, aufgefallen. Irgendwann fand sich dann auch Chris' eigener Name in den Credits eines Songs auf einer seiner Compilations. Ich frage ihn deshalb scherzhaft, ob es nicht weniger aufwändige Wege gegeben hätte, sich selbst als Künstler zu lancieren? Der Domat/Emser, der "nebenbei" einen normalen Job bei einem Schweizer Grosshändler ausfüllt, lächelt und meint bescheiden: "Das war natürlich nicht geplant, sondern hat sich als Nebeneffekt so ergeben... Aber ich habe natürlich in all den Jahren, die ich für andere Künstler gearbeitet habe - ich war etwa der erste der 77 Bombay Street auf Platte heraus gab - schon gesehen wie grün das Gras auf der anderen Seite ist... Angefangen hat alles mit den Live-Konzerten, die ich damals mit Virus of the Cactus gespielt habe", erinnert sich Chris an seine musikalischen Anfänge, "Mit der Zeit habe ich dann einfach Lust entwickelt, abseits des Kollektivs etwas zu machen. Die Bands haben dann geändert - meine feste Grösse ist seit ein paar Jahren Insomnia Rain. Dort als Drummer und Textschreiber zu amten ist mittlerweile eigentlich das wichtigste meiner Projekte. Dort ist es aber immer englisch, auch weil halt die Hoffnung da ist, dass wir es damit vielleicht eines Tages ins Ausland schaffen. Ich wollte aber daneben genauso in Mundart schreiben, weil ich mich so halt doch am besten ausdrücken kann." Mit dem Release seines Debuts "Mondlandig" machte sich der Mann im Hintergrund auf, ins Rampenlicht zu treten. Und wie in seiner Sampler-Reihe, die sich schon bald nicht mehr auf einen Musikstil eingrenzen liess, zeigt er sich auch als Solokünstler irgendwo zwischen Rock und Rap.

"Ich habe nach den ersten Rock-Samplern immer mehr Anfragen aus dem Rap-Bereich erhalten. Das hat dann nicht so rein gepasst. Deshalb gab es dann eine eigene Ausgabe unter dem Namen Bock uf Rap.", meint Chris und erklärt, wie er da so ein bisschen rein gerutscht ist, "Mein eigenes Zeugs ist irgendwie so Aus-dem-Bauch-Musik... Insomnia Rain ist echter Rock. Dort habe ich tolle Musiker um mich, einen tollen Sänger. Solo weiss ich dagegen, dass ich selbst kein guter Sänger bin." Dies mag den äusserst sympatischen Underdog-Charakter erklären, der "Mondlandig" zum gemäss meiner bescheidenen Meinung erfrischendsten Album des Jahres macht. Dass Bluemoon nur deshalb rappt, weil er schlecht singt, wage ich übrigens zu bezweifeln. Dafür sind seine Texte einfach zu literarisch. Der Rap-Poet zitiert in seinem Werk Schriftsteller und hat mich effektiv mit seiner ersten Zeile für sich gewonnen, wo er sein Schaffen sinnbildlich als "Blut auf Papier" bezeichnet. "Ich fühle dieses Gangster-Zeugs halt gar nicht...", leitet er seine Antwort ein und stellt seit je her den Text über die Musik. "Unser Bandraum ist vollgekleistert mit irgendwelchen Texten von mir. Im Prinzip habe ich die Texte für die nächsten zehn InsomniaRain-Alben schon... Aber eben - die sind in englisch, was mich zwar auch berührt, aber nie dermassen ehrlich und direkt ist wie Mundart. Dort kannst du dich nicht hinter Worten verstecken, die die Hälfte des Publikums eh nicht versteht." Getextet hat Bluemoon aber eigentlich in jeder Band, in der er war, was für einen Drummer schon sehr erstaunlich ist. Der Ursprung seiner Mundart-Aktivitäten findet sich übrigens auch bei Virus of the Cactus, bei denen "gegen Schluss immer mehr Mundart-Songs rein kamen." Dort hat's Chris auch schon mal mit Gesang versucht. Heute kommt er vergleichsweise eher wie ein Bligg daher, der wohl im Singen auch keine 6 aus dem Schulunerricht mit nach Hause brachte.

Das braucht's eben auch nicht. Obwohl Chris Bluemoon auch nicht ein waschechter Rapper ist. Dafür disst er seine "Kollegen" - die das ja von Haus aus machen - in einer Art und Weise, wie sie es sich kaum gewöhnt sein dürften. Nämlich auf die intellektuelle ...und haut sie dabei so richtig in die Pfanne - Chris: "Ich sehe mich da nicht als Teil irgendeiner Szene. Natürlich habe ich mit QR7000 zu tun, die mir auch die Beats liefern. Und über sie kriege ich auch so ein bisschen mit, wie das wahrgenommen wird. Sie wurden auch schon angegangen, ich sei so ein schlechter Rapper und sie würden trotzdem Beats für mich machen - sie haben dann aber entgegnet, sie würden niemanden kennen, der so viel Herzblut in seine Arbeit investiere. Ich weiss auch, dass ich beim Rappen noch sehr viel Luft nach oben habe!" Dies empfinde ich allemal als bessere Ausgangslage als umgekehrt - Rapper, die unglaubliche Skills aber stupide Texte haben. Denn aus denen wird wohl dann auch nichts. Chris Bluemoon aber hat Potential und es kommt nicht von ungefähr, dass bei mir der Funkte genau bei seiner ersten Zeile übersprang. Keiner konnte mir in drei Worten die Motivation für sein Tun jemals so exakt beschreiben. Dafür hat er sogar die Universität sausen lassen, die ihm nach einem Fachmittelschulabschluss auch offen gestanden hätte. "Das Musik-Zeugs hat mich immer zehn Mal mehr interessiert", meint Chris lapidar und mit dem auch dem Act Bluemoon eigenen Understatement, "...inzwischen bin ich in der Migros..." Diese Bodenständigkeit gepaart mit seinem Intellekt ergibt diesen faszinierenden Charakter eines Do-it-yourself-Genies mit Bauernschläue.

"Wir proben mit Insomnia Rain relativ viel - zweimal pro Woche. Wenn eine dieser Sessions ausfällt, werde ich total kribbelig. Mir wird im Prinzip so schnell langweilig. Daraus hat sich auch das ganze mit dem Sampler entwickelt. Das hat zwar viel Zeit gebraucht, ist aber auch sehr interessant und verbunden mit dem Aufbau eines Netzwerks.", erklärt Chris die Hintergründe von "Bock uf ..." als Beschäftigungstherapie. Von seinem nebenher aufgebauten Netzwerk kann er nun natürlich vor allem als Rapper auch profitieren. "Das fühlt sich oft an wie ein Klassentreffen", beschreibt Chris seine Musik-Familie, "beim Insomnia-Fest haben wir vor kurzem etwa mit No Future zusammen gespielt - die sind seit dem ersten Sampler mit dabei. Troztdem hatten wir es vorher nie geschafft, miteinander auf der Bühne zu stehen." Ganz unterschiedlich ist das, was aus der Szene zu Chris zurück kommt: "Bei den regionalen Bands ist die Dankbarkeit für die Berücksichtigung auf einem Sampler ziemlich hoch. Bei anderen Acts wie beispielsweise Knackeboul hatte ich nur Mailkontakt mit dem Management. Bei QL ging auch alles übers Management und nichts persönlich. Das fand ich so ein bisschen schade. Wenn ich es jetzt noch toppen möchte - also vermehrt mit grösseren Acts und national anstatt regional - ginge es immer mehr in diese Richtung. Ich müsste dann quasi nur noch auf die Plattenfirmen zugehen. Und ich schätze doch den persönlichen Kontakt mit den Bands viel mehr. Es gibt schon noch Leute, die sich diese Freiheit trotz Label nehmen, wie etwa Greis der sofort persönlich zusagte." Deshalb versuche er immer, es familiär zu halten, meint Chris. Oder besser: habe versucht. Denn die Jubiläumsausgabe von Bock uf Rock war wohl die letzte ihrer Reihe, wie der Herausgeber bekräftigt. Er wolle sich nun noch mehr auf Insomnia Rain konzentrieren und auch solo wird es weiter gehen. "Aber nicht mehr so schnell, schnell wie bei einzelnen Tracks auf dem Debut", formuliert mein Act des Jahres 2013 die Anforderungen an sein nächstes Werk, "ich will ein ausgereiftes Produkt..." - und das meint er nicht ironisch, obwohl es in meinen Ohren fast so tönt....