Florian Ast und Francine Jordi kreieren grosse Momente

26.9.2011/Text: Ko:L, Bilder: Promo
Francine Jordi und Florian Ast
Es gäbe geschätzte 1000 Gründe, über „Lago Maggiore“ herzuziehen und platt mit Klischees um sich zu werfen. Ein Artwork im Look der heilen 50ies, 13 Songs über Herz und Schmerz, interpretiert vom neuen Traumpaar von Frau und Herr Durchschnittsweizer – und als Sahnehäubchen Sven Epiney als Moderator der CD-Präsentation. All das würde mehr als genug Stoff bieten, um Seiten lang zu flachsen und und mit polemischen und klischierten Zoten um sich zu werfen. Wer hingegen bereit ist, ideelle und stilistische Scheuklappen abzulegen, wird mit „Lago Maggiore“ grosse Momente erleben. Allen voran gibt die Adaption von Reinhard Fendrichs „Weus'd a Herz hast wia a Bergwerk“ - in Berndeutsch schlicht „Bärgwärch“ - vor, was mit dem Duett-Album von Florian Ast und Francine Jordi auf die Hörerinnen und Hörer zukommt: Grosse Gefühle, über weite Strecken in warme akustische Pop-Songs verpackt, mit einem leichten Hauch aus den amerikanischen Südstaaten versetzt. Schon der Opener „Sit däm Tag“ neckt mit einer kecken Mandoline, der „Bäremani“ (für Nicht-Berner: Das ist ein Teddybär!) spielt mit einer Mundharmonika und wird von Bläsern begleitet, „Am Ziel“ slidet hinter einem eingängigen Piano gepflegt in den Sonnenuntergang – wo auch schon die Harmonika wartet, „Jede Troum“ baut von Zeile zu Zeile auf und gipfelt in einem Gitarren-Solo, das jeder Powerballade aus den 80ern gut angestanden wäre, „S'Envoler“ aus der Feder von Michael von der Heide sorgt für das nötige Quäntchen Pathos – und selbst der Klassiker „Träne“ wurde in ein neues 6/8-Kleid gesteckt und tönt jetzt irgendwie geerdet und hat dank einer vollen Dröhnung Hammond eine dolle Dosis Soul verpasst gekriegt.
CD-Cover: Florian Ast & Francine Jordi - Lago Maggiore
All diesen Songs - viele von Gölä mitgeschrieben - ist eines gemeinsam: Ein analoger, warmer Live-Charakter. „'Träne' haben wir mit der ganzen Band im Studio live aufgenommen“, sagt Francine Jordi nach dem offiziellen Teil der CD-Präsentation im heimeligen „Chutz“ zu Oberbuchsiten. Dieses „heimelige“ ist denn auch ein Adjektiv, dass Ast und Jordi an diesem Nachmittag immer und immer wiederholen – auch mit Blick auf die anstehende Mini-Tour, die sie im Dezember 2011 in sieben Orte der Schweiz führen wird. Dass es den beiden nicht gelungen ist, diesen analogen Charme, der mit dem Vintage-Artwork des Booklets im Look der 50er Jahre komplettiert ist, sei hier einfach der Vollständigkeit halber erwähnt. „D'Sunne schiint nümme“ und „I ha di gärn“ wollen mit ihren simplen Loops irgendwie nicht so recht in dieses romantisch-heimelige Bild, das das Album akustisch und optisch verbreitet, passen, „Es Härz nid us Stei“ bietet in seiner düster anmutenden Machart einen Aufhorch-Moment, in dem Ast und Jordi andeuten, dass sie womöglich im Stand wären, zeitgenössischen Pop-Schemen zu genügen.
Francine Jordi & Florian Ast
Aber eben: Schemen sind weder das Ding von Florian Ast, noch von Francine Jordi. „'Lago Maggiore' ist kein Schlager-Album“, sagt Ast dezidiert – um dann zu erklären, dass die Schweizer mit ihrem Mundartrock es geschafft haben, ein eigenes Pop-Genre auf die Beine zu bringen, und es ebenso eigen zu betrachten. „Ich habe oft mit Künstlern in Deutschland und Österreich zusammengearbeitet. Und jedesmal, wenn ich ihnen einen Mundart-Song vorgespielt habe, stellten sie ihn die Schlager-Ecke. Und da waren Songs von Bands dabei, die sich mit aller Kraft gegen einen Platz in der Schlager-Ecke wehren würden!“ Welche, darüber schweigen wir geflissentlich... Francine sagt über ihr gemeinsames Album mit dem Mann, der seine Karriere als Örgeli-Grunger gestartet hat: „Ich war immer offen für Zusammenarbeiten verschiedenster Art. Projekte und musikalische Ausflüge interessieren mich immer.“ Und schon fast gebetsmühlenartig wiederholen die beiden in den Einzelinterviews, was sie schon vorher gesagt haben: „Lago Maggiore“ sei ein gemeinsames Projekt zweier eigenständiger Künstler, ein Duett-Album von Francine Jordi und Florian Ast und nicht der Beginn einer neuen gemeinsamen Karriere als Duo.
Florian Ast
Nun schleckt es aber eben auch keine Geiss weg, dass Ast und Jordi zusammenpassen, wie kaum je ein musikalisches Paar in der Schweiz zusammen gepasst hat. „Träne“ ist für beide die erfolgreichste Single ihrer Karriere – und „Lago Maggiore“ ist nun mehr als die logische Fortsetzung dieser Idee. Francine Jordi betont, sie habe für das Album quasi ein neues Genre lernen müssen. „Schlager in Hochdeutsch, aber auch Jazz oder Gospel sind Stile, die ich kenne. Wenn ich in Mundart singe, bedeutet das für mich etwas ganz Neues“, sagt Francine. Hinzu kommt, dass Flöru sie motivieren konnte, sich vermehrt auch in tiefere Tonlagen zu wagen. Die Folge: Jordis Stimme wirkt facettenreicher, als auf ihren Solo-Alben – mit dem Emmentaler Schlag in ihrem Berndeutsch erinnert sie punktuell an die Burgdorferin Natacha.
Francine Jordi
Man braucht kein Hellseher zu sein, um vorauszusagen, dass „Lago Maggiore“ nach seinem Release am 30. September direkt in die Top-Ränge der Schweizer Album-Chart schiessen wird. Der Gedanke liegt nahe, das Duo auch in Deutschland und Österreich an den Start zu schicken, wo Francine eine höchst erfolgreiche Karriere pflegt. „Natürlich ist es legitim, sich Gedanken in diese Richtung zu machen, sollte die CD hier tatsächlich die Menschen berühren“, sagt Francine und hält den Ball bewusst flach. Und Flöru weiss: „Mundart-Texte in Deutsch oder Englisch zu übersetzen ist nicht möglich – ich habe es oft genug versucht.“ Aber: Der Gedanke, Songs in Hochdeutsch zu machen und in Deutschland und Österreich zu veröffentlichen sei natürlich tatsächlich naheliegend. Bloss: „Jetzt gilt unsere ganze Aufmerksamkeit und Energie dem Duett-Album und den Konzerten im Dezember“, sagt Francine. „Was dann kommt, werden wir sehen.“
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