Fraui - kennt sich in der Mundart aus

26.02.2014; Text: Monthy, Bilder: Fraui
Eigentlich ist es ja ziemlich offensichtlich. "Fraui" bezeichnet nicht das Geschlecht dieses Mundartsängers sondern leitet sich von seinem Nachnamen ab. Trotzdem aber gibt es solche Verwechslungen, wie mir Fraui auf Anfrage bestätigt: "Ich werde tatsächlich oft auf den Namen angesprochen - aber eigentlich nur von Bernern... Wieso weiss ich nicht. Es scheint irgendwie mit dem Dialekt zusammen zu hängen. Ich habe viele Freunde in Bern wie Slädu oder Häni. Und für die scheint es ein Problem zu sein. Die wollen oder können mich nach eigenen Angaben nicht Fraui nennen und weichen dann halt auf Fäbu oder so aus...". In Zürich sagt man dem Frauenfelder aber halt eben Fraui - und daran werden sich hoffentlich auch die Berner noch gewöhnen. Und damit sind wir auch gleich beim Thema angelangt. Denn obwohl ich der Zürcher Mundart keineswegs die Tradition absprechen will, ist der Dialekt halt eben schon ein Issue - wenn man nicht Berner ist. Oder? - Fraui: "Auch das ist ein Berner Thema... Es kommt halt viel von dort und Bern hatte lange eine Vorreiterrolle in der Mundart. Ich denke aber, dass einige Künstler in den letzten Jahren gezeigt haben, dass Mundart nicht aus der Hauptstadt kommen muss. Ich selbst bin ein grosser Fan von Berner Mundart, bin mit Patent Ochsner, Züri West und Gölä aufgewachsen. Im Endeffekt sollte es aber egal sein, welchen Dialekt man spricht." Seinen Ursprung hat meine Frage übrigens in der Innerschweiz. Padi von Mash hatte sich mittels bernischem Heimatort quasi ins Kerngebiet der Mundart eingeschlichen und sein Song "i bi o vo Bärn" hat dementsprechend grossen Anteil an diesem Cliché. Einen Heimatort in Bern hat Fraui übrigens nicht zu bieten - "...aber dafür Verwandte...", meint er süffisant.
Cover Danke von Fraui
Als Vorbereitung aufs Interview hatte ich mir "nur" den Albumtrailer von Fraui, der übrigens zu jedem seiner 13 Songs ein Video anbietet, angesehen. Das finde ich gar nicht schlecht, weil ich so den exakt gleichen Wissenstand habe wie der Hörer bzw. Leser da draussen. Manchmal glaubte ich dabei sogar stellenweise tatsächlich Berndeutsch zu hören, obwohl Frauis "Züritüütsch" eigentlich recht ausgeprägt ist. Es kann sich dabei höchstens um ein unterbewusstes Übernehmen von Worten aus seinem Berner Umfeld handeln, einigen wir uns bald, denn extra würde er das nicht machen, so wie etwa Boni Koller im "Pizzaiolo". Auch thematisch outet sich der Zürcher als ein Berner, der einfach ein bisschen schneller unterwegs ist - etwa mit dem Song "Gurten". Für mich ist es zwar natürlich nicht neu (Adi Stern, Baschi usw), trotzdem merke ich, dass ich mir Frauis Songs ein, zweimal mehr anhören muss, bis der Dialekt keine Schwelle mehr für mich darstellt. "Ich kann das selbst nur schwer beurteilen. Wenn ich aber das Feedback der Leute zum Massstab nehmen, dann ist Mundart in Züritüütsch auch nichts Exotisches mehr.", stellt Fraui richtig und ich will Toni Vescoli nicht unerwähnt lassen, der schon zu Polos Anfangszeiten einen Zürcher Kontrastpunkt gesetzt hatte.
Showcase zum Release von Danke am 27.2. im Floor, Kloten
Musikalisch spüre ich einen ziemlichen Gegensatz in Frauis Musik, weshalb er sich auch erstmal selbst einteilen muss. Fraui macht's, wenn auch etwas trotzig: "Normalerweise wird man ja immer eingeteilt... Wenn ich mich selbst mit anderen vergleichen müsste, würde ich sagen: irgendwo zwischen Gölä, Bligg, Baschi und Stern." Damit hat er auch die beiden genannt, die ich gemeint hatte. Zu Adi Stern gibt es Parallelen hinsichtlich Themen und Texten - hinsichtlich Gölä kann ich es mir nicht einmal selbst erklären, ist aber einfach so . Fraui: "Der Vergleich mit Gölä stammt vielleicht daher, dass ich auch viele Gitarren drin habe. Natürlich kommt dazu die Tatsache, dass Slädu mich produziert hat und er steht wie kein anderer für den ursprünglichen Gölä-Sound. Er hat diese Songs mit ihm geschrieben. Slädu ist ein begnadeter Gitarrist und eine Koryphäe der Schweizer Musik." Angesprochen auf die Feinheiten, die ich ansonsten vor allem von Stern kenne, meint der Gefragte: "Meine Mutter war eine der ersten, die mein Album in einer Rohfassung zu hören kriegte. Sie meinte dann per SMS, sie finde das Album schön, aber meine Songs seien alle so traurig... Wenn ich Songs schreibe, mache ich das, wenn es mir entweder sehr schlecht oder sehr gut geht oder wenn mich etwas beschäftigt. Themen, die mich beschäftigen, nehmen mit auch emotional mit. Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und einen Song schreiben..." Wenn es Fraui selbst nicht mitnimmt, kann er auch die Leute nicht mitnehmen, spinne ich den Faden weiter und empfinde dies als eine sehr ehrliche Art des Songwritings. "Meine besten Songs habe ich in Momenten geschrieben, die nicht planbar sind", fasst Fäbu seine Herangehensweise zusammen.
Promo-Bild von Fraui
In der Album-Info liest man, dass sich Fraui vor 5 Jahren für ein Mundart-Album entschieden habe. Dass dies eine lange Zeit ist, brauchen wir in der schnelllebigen Gegenwart glaube ich nicht extra zu erwähnen. Mich interessiert aber, was sich hinter der Formulierung "entschieden" versteckt, - Fraui: "Ich habe immer englische Musik gemacht. Ich habe mit 8 Jahren gelernt, Schlagzeug zu spielen, hatte mit 10 meine erste Band und bin dann mit Punkrock durch die Keller der Schweiz gezogen. Auf dem Pausenplatz war ich aber immer der einizige, der Mundart gehört hat. Damals war ich ein Exot mit meinen Züri West und Gölä-Songs. In der Schulzeit - vor der Facebook-Ära - gab es niemanden, der mit mir hätte Mundart machen wollen. Geschrieben habe ich für mich immer auch schon in Mundart. Der Traum, ein Mundart-Album zu machen, war also seit jeher in mir drin. Als es dann irgendwann konkreter wurde, haben wir gesagt: Und wenn es fünf Jahre dauert... - nun hat es tatsächlich so lange gedauert bis es soweit war." - Solche Sprüche sollte man sich tunlichst schenken, weil sie sich nur zu gerne bewahrheiten... Was ist nun schwieriger? In der eigenen Sprache singen, in der jeder alles versteht oder in einer Fremdsprache zu singen, die man selbst halt nur bis zu einem gewissen Grad versteht? - Fraui: "Beim Englisch kommt's sicher darauf an, wie gut du darin bist. In Mundart ist es aber viel viel schwieriger. Sind wir ehrlich - wer versteht schon Wort für Wort was in einem englischen Text drin steht. Wenn ich Kollegen frage, worum es denn in dem Rihanna-Song gehe, den sie gerade hören, lautet die Standard-Antwort: Ist mir doch egal... In Mundart hingegen ist es niemandem egal. Mundart trifft einem an einem ganz anderen Ort, nämlich im Herzen. Es ist deshalb schwieriger, in Mundart zu schreiben. Du musst deine Worte sorgfältiger wählen. Es ist näher an den Leuten und ehrlicher. Sie hören auch ganz genau hin. Bei einer Fremdsprache entwickelt man dagegen einfach nur ein Gefühl für den Sound. Viele Superstars liefern denn auch nicht besonders hochstehende Texte ab."
Single Irgendwo da dussä von Fraui
In der Mundart werden Stars schubweise geboren, dünkt mich. Und es hätte jetzt durchaus mal wieder Platz... Ich thematisiere deshalb auch noch Frauis Konkurrenten Trauffer, der mit seinem Album vorgelegt hat und die Nummer eins schon mal einheimisch färbt. - ist dies für Fraui eher positiv oder ist es eben doch eher so wie im Kino, wo zumeist zwei Filme zum gleichen Thema gleichzeitig erscheinen und einer dann zum Flop wird? - Fraui: "Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Gölä-Fan bin. Seine Texte treffen die Leute ganz unmittelbar. Er war eigentlich immer noch so der letzte, der richtig durchgestartet ist mit Mundart - obwohl man dabei Plüsch gerne vergisst. Ich habe keine Probleme, wenn mich die Leute mit Gölä vergleichen, auch wenn ich mich nie auf eine Stufe mit ihm stellen würde. Vielleicht hat es wieder Platz für etwas, das in diese Richtung geht... Trauffer macht etwas ganz anderes als ich. Er ist mehr einer fürs Festzelt, will das auch so. Wir sind gut befreundet und ich mag es ihm sehr gönnen, dass er die Nummer eins geknackt hat. Meins ist das nicht so. Ich gehöre weniger dorthin. Zwar habe ich in einem Track ("irgendwo da dussä") ein Handörgeli von HP Brüggemann drauf. Das war aber mehr die Ausnahme, welche die Regel bestätigt." Damit hat er sich zwar um die Antwort gedrückt - aber was soll er auf so eine blöde Frage auch gross sagen? Ich bin beeindruckt, wie wenig Angst Fraui vor Vergleichen mit anderen Namen aus "seiner" Mundart hat und wie gut er sich darin offensichtlich auskennt. Mal sehen, wo er nun seinen eigenen Namen auf dieser Schweizer Musiklandkarte verewigt...
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