Gurtenfestival 2014 - Jahr eins nach dem Jubiläum

01.07.2014; Text: Monthy, Bilder: Gurtenfestival
Im Jahr 1 nach einem Jubiläum - so stelle ich mir vor - muss die Programmgestaltung eines Festivals vom Kaliber Gurten ganz besonders schwierig sein. Schliesslich sollte man ja immer speziell sein - und nicht nur beim Jubiläumsanlass. Phibe Cornu, der mit seinem Team genau dafür einsteht, weist bei meiner Frage erst einmal darauf hin, dass das Jubiläum für die Organisatoren gar nicht zum Geniessen gewesen sei: "Wir hatten ja diesen Cashless-Absturz und damit so viel zu tun, dass wir uns gar nicht über das gute Wetter und das Festival freuen konnten. Es gab Feedback, das sei eines der geilsten Gurtenfestivals ever gewesen - aber für uns gar nicht. Unser Jubiläum findet deshalb ein bisschen dieses Jahr statt. Auch weil wir finden, dass das Programm gerade im mittleren Bereich mit Acts wie Kodaline und Mighty Oaks sehr vielseitig und abwechslungsreich wird." Für ein Openair, welches trotz allen Veränderungen irgendwie immer noch den Hippie-Flair in sich trägt, ist so ein technologisches Problem wie das letztjährige ganz besonders schlimm. Der Gurten gefangen im elektronischen Netz - Phibe: "Ärgerlich war insbesondere die Dominanz dieses Themas. Wir haben nicht mehr übers Festival und die Inhalte gesprochen sondern nur noch davon. Auch deshalb haben wir für dieses Jahr die eigene Berichterstattung über den Gurten ausbauen wollen und haben eine Bloggerin am Start, die in London lebt, früher bei uns gearbeitet hat und ein enormes Musikwissen mitbringt. Wir wollen mehr Inhalte, Gespräche mit den Musikern und Hintergrundinfos bieten und wieder stärker auf die Musik fokussieren."
Gurtenfestival 2014 - Vom 17. - 20. Juli auf dem Berner Hausberg
Eine Eigenheit des kultigen Berner Hausbergs ist die Tatsache, dass er nicht ausbaufähig ist. Ob der Ansporn, den Gurten auch dieses Jahr wieder auszubauen reicht? Ausbau betreiben die Organisatoren dafür also im Umfeld, wie das obige Beispiel aufzeigt. Phibe: "Als wir die Waldbühne integriert haben, konnten wir diesen Hang noch besser nützen. Ansonsten können wir nur noch innerhalb des exisiterenden Geländes nachbessern - etwa die Bamboo Bar attraktiver gestalten und sie aufzuwerten. Einerseits ist das ein Problem, weil alles rundherum immer teurer wird, wir aber nicht mehr Leute aufs Gelände lassen können, um mehr Einnahmen zu generieren. Andererseits ist das auch das grosse Plus des Gurtens. Es ist überschaubar, ein schönes Gelände und wenn Patent Ochsner spielt, konzentriert sich alles darauf, ohne dass noch auf Nebenbühnen 10 - 15'000 Leute irgendwo in einem Dance-Tent. Sondern es ist ein Gemeinschaftserlebnis das dann auch alle Leute mit heim nehmen. Obschon es also vielleicht schwierig ist, zwingt uns die Situation, uns selbst zu bleiben."
Gurtenfestival 2014 - Vom 17. - 20. Juli auf dem Berner Hausberg
Im diesjährigen Programm erspähe ich mit Prodigy, Placebo, Massive Attack, vielleicht auch Franz Ferdinand, viele Bands mit guten Namen, denen aber vielleicht die aktuellen Chartbrecher etwas abgehen - Zufall oder Konzept? Phibe: "Natürlich haben wir auch unsere Pläne. Wer aber dann gebucht werden kann, hängt von ganz vielen Faktoren ab. - Verfügbarkeit, Zahlbarkeit usw. Es gibt an unserem Wochenende doch eine ziemliche Konkurrenzsituation und ist deshalb schwierig, die Band, die man will an dem Abend zu buchen, den man sich wünscht. Vieles ist also dann doch Zufall. Bei Massive Attack und Prodigy wiederum war es so, dass sie sich gemeldet haben, sie seien auf Tour und würden ein neues Album einspielen." Selbst wenn diese Bands mit ihren neuen Songs nicht charten sollten, bringen sie doch ein Programm mit, das man sehen und hören will. "Je nachdem, wann diese Alben genau erscheinen, sind sie dann auf dem Gurten topaktuell", gibt Phibe der Hoffnung eines jeden Programmgestalters Audruck, den künftigen Superhit gebucht zu haben. Dass einige dieser Acts bereits auf dem Gurten gespielt haben, tut ihrer Attraktivität keinen Abbruch und ist sogar Teil des Konzepts. Phibe: "Gewisse Wiederholungen sind legitim. Wünschbar ist dabei ein stetiger Aufbau. Wer also auf der Waldbühne gespielt hat, sollte danach auf der Zelt- oder der Hauptbühne ran dürfen. Dann im Herbst vielleicht mal das Bierhübeli füllen. Gleichzeitig gibt es aber im Programm auch immer viel zu entdecken." Und auch wenn es von den Namen her, manchmal nicht so bekannt tönt, weiss Phibe doch genau: "Wenn ich dann den Song spiele, dann meint jeder, den kenne er vom Radio..." Das Leben wird halt einfach immer schneller.
Gurtenfestival 2014 - Vom 17. - 20. Juli auf dem Berner Hausberg
Einen solchen Aufbau haben beispielsweise Yokko durchlebt. Nach ihrem Gig in der Bamboo Bar, den die Band als Sprungbrett nutzen konnte, spielten sie im Herbst ein ausverkauftes Konzert im Hübeli und kehren diesen Sommer auf die Zeltbühne zurück. Phibe: "Es ist eigentlich unsere Aufgabe, Plattformen zu bieten, dass solche Bands einen Schritt vorwärts machen können. Damit tragen wir zu einer Schweizer Musikszene bei, die national wahrgenommen und nicht immer nur mit Züri West und Patent Ochnser in Verbindung gebracht wird. Auch Lo + Leduc ist so ein Thema..." Dies sei eine Verpflichtung, meint Phibe ehrlich und ich frage nach, ob es denn auch eine Win-Win-Situation sei. - "Der ausländische Act, den du buchst, bringt halt immer ein bisschen Exklusivität mit. Das ist bei den Schweizern weniger der Fall. Sie sind lokal besser verfügbar und bekannt. Aber das Festival ist eine Gelegeneheit, überregional wahrgenommen zu werden. Und dann spielen sie im nächsten Jahr vielleicht am Openair St.Gallen." Dass die Schweizer Acts dafür etwas günstiger sind, hat mir Phibe auch noch bestätigt, was beim immer knappen Budget ja auch nicht unwesentlich ist. Etwas schwieriger dürfte der Schritt von einer Zelt- auf die Hauptbühne sein, insbesondere als Schweizer. Und ich habe auch dafür ein Beispiel gefunden. Bonaparte spielt auch dieses Jahr wieder auf der Zeltbühne... - Phibe erklärt die konkreten Überlegungen zu diesem Fall: "Bonaparte braucht Dunkelheit, um zu funktionieren. Den möglichen Slot hatten wir aber schon an Par of Stellar vergeben, als sich Bonaparte gemeldet haben. Deshalb sind sie dieses Jahr abermals im Zelt und das ist sicher besser als am Nachmittag auf der Hauptbühne."
Gurtenfestival 2014 - Vom 17. - 20. Juli auf dem Berner Hausberg
Ein Auftritt auf der Waldbühne dagegen, ist auch für einen Künstler, der schon auf der Hauptbühne auftrat, nicht zwangsweise ein Rückschritt. "Wir sagen den Bands immer, dass die Waldbühne abends der ideale Ort zum Experimentieren ist", führt Phibe aus und weiss dabei schon, dass nicht alle Bands dieses sehr steile natürliche Amphitheater gleich gut leiden können, "Deshalb wollten wir Büne mit seinem Soloprojekt Meccano Destructif dort abhalten. Als ich ihn anrief, zeigte er sich erfreut und meinte, er liebe die Waldbühne. Andere sehen es als Rückschritt an und da muss ich einfach eine Lanze für unsere dritte Bühne brechen. Dank ihr spielen 18 Schweizer Acts mehr auf dem Gurten und es ist nicht "nur" die Waldbühne..." Das muss er mir als Partner dieser kultigsten aller Openair-Bühnen im Land nicht unbedingt sagen, aber generell musste es einmal gesagt sein. Eine Band wird sowieso meistens nur kommunizieren, dass man auf dem Gurten spielt, um Werbung für sich zu machen. Mit Ausnahme Hauptbühne... Im Fall der kleinen Bamboo Bar am oberen Rand des Geländes ganz besonders. Ein Auftritt dort heisst Gurten intim. Phibe: "Yokko hat damals unglaublich viel aus ihrem Auftritt gemacht - mit Filmchen und Posts. Ich weise bei den Booking-Anfragen immer wieder darauf hin, dass die Werbung auf unglaublich vielen nationalen Plattformen einer der Werte solch eines Auftritts ist. Die Bamboo Bar ist eine New Talent Stage im weitesten Sinn, vom Werbefaktor profitiert aber genauso mit." Soviel zum Thema: Wenn du auf dem Gurten spielst, hast du es geschaftt. Dabei beginnt die Reise gerade erst... "Wir versuchen immer schon auch heraus zu spüren, ob sie wollen und Potential haben", bekräftigt Phibe seinen Wunsch dort Bands spielen zu lassen, die sich danach nicht wegen Lehre oder Auslandaufenthalt auflösen, "Es hat x Bands im Programm der Waldbühne und der Bamboo Bar - Klischee, Dead Bunny, Death by Chocolate... - die es wirklich wissen wollen. Die rufen an und fragen, ob ich nicht einen Kontakt für ein Exit Festival in Serbien wüsste, obwohl sie für die Reise noch fast draufzahlen."
Gurtenfestival 2014 - Vom 17. - 20. Juli auf dem Berner Hausberg
Dies hört man dann eben auch - den Spirit des Gurtens. Phibe: "Viele Bands sagen uns, dass sie wahrnehmen würden, wie das Publikum ihnen zuhöre. Dies hängt sicher auch damit zusammen dass das Gelände vor der Hauptbühne leicht ansteigt." Ich ergänze, dass dies auch für die Zeltbühne gelte und bei der Waldbühne gar mehr als nur leicht."Du hast eigentlich bis in die hinterste Reihe Kontakt. Wenn du am Greenfield auf dem flachen Flugplatz Interlaken hinten stehst, siehst du viel weniger als wenn du auf dem Gurten hinten stehst. Und das kriegen auch die Bands mit." Letzter Knackpunkt im Programmieren des Gurten ist das sogenannte "Wehmuts"-Konzert zum Abschluss am Sonntag Abend. "Letztes Jahr hat das Müslüm gemacht und ist fast durchgedreht, weil er es so geil fand. Irgendwann kam mir dann in den Sinn, dass wir diesen Party-Act eigentlich haben - Lo + Leduc haben zwar schon auf der Waldbühne gespielt, bringen aber den Spirit mit, so einen Abschluss zu machen." Mir bleibt nach dem interessanten Einblick ins Programm des Gurtenfestivals 2014 also eigentlich nur noch der Hinweis auf unseren Wettbewerb, bei dem es 4 Vier-Tages-Pässe (!) zu gewinnen gibt - sowie den Organisatoren im Jahr 1 nach dem Jubiläum ein ganz besonders geniessbares Event zu wünschen...
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