Stoneman - Goldmarie soll den Stein ins Rollen bringen

13.04.2013; Text: Monthy, Bilder: Promo
Einer Schweizer Band, die nicht Mundart singt, empfiehlt man, nach Deutschland zu gehen, um Erfolg zu haben. Stoneman-Sänger Mikki kam direkt von einem Videodreh in Kiel ans Interview. Ich will von ihm also in Erfahrung bringen, ob sich das denn auch auszahle. Aber Mikki interpretiert mich erstmal etwas anders: "Wenn du auf die deutsche Sprache ansprichst, dann war die Entscheidung nicht eine für Deutschland sondern eben für diese Sprache. Wir waren in ganz Europa in über 30 Ländern unterwegs und gerade unser Song 'Wer ficken will...' wurde von Cagliari bis Dublin abgefeiert, auch wenn die Leute kaum ein Wort verstanden haben. Es ist also eine Entscheidung für die Sprache, nicht für den Erfolg..." - Gemeint hatte ich aber die Vermarktung, die Stoneman mit dem entsprechenden Label im Rücken eben in unserem nördlichen Nachbarland anstreben. "Die Promotion wird in Deutschland ausgeführt", bestätigt mir Mikki auf meine Nachfrage, "Es vereinfacht doch einiges, wenn man nicht mehr dreissig Länder bemustern muss. Da kann man dann eben auch ein bisschen mehr Gas geben." Die Marktgrösse ist halt schon ein Faktor. Mikki schätzt zudem die Nähe zur Schweiz: "Die ganzen deutschen Szene-Magazine sind halt auch hier erhältlich. Wenn wir in Deutschland etwas machen, erfährt das die Schweiz auch - umgekehrt ist das nur in Ausnahmefällen so..." Die Fanbasis haben Stoneman aber in der Schweiz genau so wie in Deutschland. Mikki erklärt die Unterschiede, die mir durchaus auch schon zu Ohren gekommen sind: "Es ist schon anders - hier jubeln die Leute nicht so, aber sie kommen trotzdem, um zu schauen, was das ist oder was neu ist. Aber wir lieben es, in der Schweiz zu spielen. Wenn du in der Schweiz spielst, hast du eigentlich immer einen Blutsverwandten im Publikum - in Stuttgart oder Hamburg nicht. Deshalb ist es vielleicht etwas gelöster, man ist weg..." Zumindest zwei Gigs pro Jahr seien aber hierzulande fest im Programm eingeplant. Das scheint nicht viel - aber es drückt halt auch aus, wie erfolgreich Stoneman international sind. Das Phänomen des Propheten im eigenen Land darf Mikki sicher nicht erwähnen - ich als Aussenstehender hingegen schon. Hierzulande mag man sie immer noch eher als Underground empfinden.
Cover Goldmarie von Stoneman
Eingeteilt wird die Band - leicht paradoxerweise - als Gothic-Metal. Und das zeigt, dass sich die Presse irgendwie schwer tut mit ihrem Sound. Goths und Metaller haben nämlich an sich nichts miteinander am Hut. Eine treffende Bezeichnung für ihren Sound gibt es irgendwie nicht - und das findet Mikki ganz gut so: "Ich finde es extrem, wie besonders das neue Album alle möglichen Leute anspricht. Ich möchte nicht als Gothic oder als Metall bezeichnet werden. Denn für einen Goth ist Metal nichts und für einen Metaller ist Gothic gar nichts. Als Vergleich: Rammstein nennt sich Alternative Rock. Wenn man gar nichts anderes findet, dann kann man es auch einfach Rock nennen..." Oder man geht einen alternativen Weg und benennt eine Band, die durchaus Ähnlichkeiten aufweist: Die Bösen Onkelz, speziell ihre späteren Alben. Mikki zeigt sich überrascht: "Onkelz? Das habe ich jetzt noch nie gehört." Ich präzisiere, dass ich mitnichten die rechtsradikale Phase der Band meine. "Wir kennen ja Stefan Weidner sehr gut und die Band finde ich absolut legitim. Sie haben einige wirklich tolle Alben gemacht. Normalerweise fällt eher der Name Rammstein.", meint Mikki und erwähnt auch noch, dass der Vergleich wohl ohne die deutsche Sprache nicht allzu stichhaltig sei. aber absolut legitim. Ich hätte auch die Metallspürhunde erwähnen können, die auch beim Label Danse Macabre untergekommen sind. Aber nicht so bekannte Bands eignen sich halt weniger als Vergleichsreferenz.
Promo-Bild Stoneman Goldmarie - 3. von links Interviewgast Mikki
In der Promo zum aktuellen Stoneman-Album "Goldmarie" heisst es unbescheiden: "Die Zukunft des deutschen Metalls". Nun sind es ja immer Journalisten, die sich sowas einfallen lassen und ich habe mich gefragt, was man wohl selbst denkt, wenn man die Promo zum eigenen Werk liest. Mikki: "Hinter dieser Band steckt eine riesige Maschinerie. Als ich es gelesen habe, war ich sehr erfreut und bin ganz leicht rot geworden. Aber ich bin schon der Meinung, dass es ein sehr starkes Album ist und dass wir damit etwas reissen können. Aber wir wissen es momentan auch noch nicht - das Album ist ja noch nicht einmal draussen." Releast wird es am 25. April und die Hoffnung auf den grossen Wurf darf durchaus gehegt werden. Bis dahin haben Mikki und Gitarrist Rico, natürlich auch der Rest der Band aber insbesondere dieser harte Kern, schon viel gepröbelt, drei Alben herausgegeben und mit vielen Live-Shows ihre Fanbasis aufgebaut. Ich frage, ob es einfach eine gewisse Zeit brauche, bis man überhaupt selbst bereit sei dafür: Mikki meint unbescheiden und doch ehrlich: "Man wird ja einfach besser über die Zeit als Musiker... Wir hatten auch immer wieder neue Besetzungen und nur Rico und ich waren eigentlich konstant dabei. Jetzt haben wir einfach auch tolle Musiker in der Band, wir haben das ganze Album mit einem Produzenten eingespielt, während wir sonst oft nur einzelne Songs gemacht haben. 'Goldmarie' tönt so, wie wir schon immer tönen wollten - aber wir waren bisher gar nicht wirklich fähig, das auch umzusetzen. Ich musste mich als Sänger auch immer dieser musikalischen Härte unterordnen und empfinde es jetzt als extrem schön, mehr Freiheit zu haben, mehr Melodien im Sound und nicht immer nur über Drogen, Teufel und Frauen zu singen."
Promo-Bild Stoneman Goldmarie
Gerade die Melodiösität des Werks erstaunt tatsächlich. Einige Songs sind schon fast sanft. Die ehemalige Härte ist vielleicht noch in den Themen und Texten zu spüren, aber sie springt einem nicht mehr ins Gesicht. Subtile Texte machen das Ganze enorm interessant. Mikki: "Wir haben uns viel Mühe gegeben, nicht einfach reinzuknallen - auch mit den Texten. Da ist viel Augenzwinkern, weniger plakativ Böses. Einen Track wie 'Mord ist Kunst' kann man ganz einfach nicht ernst nehmen." Ein bisschen von der provokativen Art der Ärtzte lässt sich vielleicht da herauslesen, wobei Mikki schon Wert darauf legt, ein Geschichtenerzähler zu sein: "Das war mir immer schon wichtig - deshalb auch die Affinität zur deutschen Sprache. Und eine Geschichte braucht halt Ecken und Kanten. Es muss ja spannend sein. Ich mache sprachlich vielleicht das, was der im Zirkus an den Zimbeln macht - die Leute mit einem Tusch aufwecken. Das Ganze sollte dabei auch noch jugendfrei bleiben - vielleicht bis auf die Passage im Titelsong, wo es heisst: Welches deiner Löcher soll ich dir zuerst vergolden?" Ich werfe ein, das lasse sich ja sogar noch als Metapher verkaufen und komme auf den früheren Kult-Hit der Band zurück, der diese frechen Texte erst so richtig begründete: Wer ficken will... (muss freundlich sein!). Mikki: "Ja, das war immer unser Hit. Auf dem neuen Album ist er auch vorhanden, heisst jetzt aber "Freundlich sein" und fällt fast nicht mehr auf. Ich liebe den Song ganz einfach." Mit auf dem Album ist er vor allem, weil Mikki den neuen Fans nicht zumuten möchte, wegen diesem einen Track ältere Alben komplett kaufen zu müssen.
Promo-Bild Stoneman Goldmarie
Mir war beim Hören sofort klar, dass man nicht alles für bare Münze nehmen darf, was Mikki singt. Troztdem muss ich bei einem Thema nachhaken, das andere Bands niemals zu Songs verarbeiten würden - Rache- und Mordgedanken...? - Mikki: "Das ist ein ganz normales, menschliches Gefühl wie Liebe oder Hass. In den Texten prangere ich auch mehr die heutige Gier nach Erfolg und Ruhm, die Sucht nach Selbstdarstellung oder das Trittbrettfahren und die eigene Selbsherrlichkeit an, als dass ich sie gutheissen würde. Sätze wie 'Der Teufel tanzt im Vatikan' sollen nur die Wahrheit aufzeigen..." - Solches traut man Metalbands eigentlich nicht zu. Ich habe mich auch schon gefragt, ob die gemeine Metal-Band ihre Vocals oft deshalb so unverständlich aufsetzen, weil sie sich für ihren Inhalt (oder eben Nicht-Inahlt) schämen würden. Mikki sieht Stoneman als sozialkritisch und fügt an: "In Englisch ist alles ein bisschen einfacher - in deutsch muss man schon zweimal überlegen, ob man nur 'Fuck, Kill, Piss' und 'Hey Hey' rufen will, was eigentlich immer funktioniert. Ich komme nochmals zurück auf den Onkelz-Vergleich. Wenn du die intelligenteren, letzten Alben meintest, dann kann ich den umso mehr stehen lassen..." Das Feedback der Leute auf die bereits releasten ersten beiden Singles sei für sie selbst erstaunlich: "Wer das alles gehört hat und gut fand - das war nicht wirklich zu erwarten." - Die Radios dagegen scheuen Stoneman aber immer noch wie der Teufel das Weihwasser, um den Spiess mal umzudrehen. Mikki und ich wären uns einig, dass es durchaus am Radio spielbare Tracks auf "Goldmarie" hat. "Man müsste halt eher einen Song wie 'Liebe Liebe' nehmen", schränkt sich Mikki gleich selbst ein, weiss aber: "Man könnte es spielen - wird es aber nicht. Auch Rammstein nicht." Stoneman verwenden ihr Budget lieber für Szene-Werbung denn Radio-Promotion. Mikki: "Der Return on Investment würde sich nicht rechnen, deshalb haben wir auf die Radio-Promo von vornherein verzichtet. Jedes Album hat halt sein Budget und wir mussten uns schon entscheiden, ob wir nun eher im Metal oder im Gothic-Bereich dafür werben wollen. Die erste Auskopplung 'Mord ist Kunst' wurde deshalb ausgewählt, weil sie sowohl unseren älteren als auch unseren neuen Fans etwas bietet. Im Endeffekt wollen wir alle Songs auskoppeln. Das bezieht sich bei uns aber einfach auf Videos und nicht auf Radiosingles." Zum Schluss noch dies: Ich hatte beim Titel "Goldmarie" sofort einen Gedanken - es ist ein toller Titel, aber vielleicht etwas Wunschdenken? - die Goldmarie macht ihren Besitzer ja eben reich. Mikki: "Wir haben den Spiess etwas umgedreht und eine Prostituierte aus ihr gemacht, die dir das Geld nimmt. Deine Metapher hatten wir dabei nicht im Kopf..." - Umso schöner, falls sie sich dann doch bewahrheiten sollte...
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