Christine Lauterburg - Doppelbock auf Voodoo

Text/Bilder: Piggy
Augenweide und Ohrenschmaus - Christine Lauterburg
Irgendwann im letzten Herbst hatte Christine Lauterburg offenbar Bock auf Voodoo - und zwar gleich doppelt. Einerseits heisst so nämlich eine Band, die die Jodel-Avantgardistin seit langen Jahren immer mal wieder begleitet, andererseits - davon später mehr... Ich konfrontiere die gemütliche Bernerin erst mal mit dem angedachten Titel, was sie mit einem herzlichen Lachen quittiert, bevor sie klarstellt: "Also eigentlich ist das ja nicht auf meine Initiative zustande gekommen. Wir haben 10jähriges Jubiläum und unser Häuptling Dide Marfurt hatte die Idee, dieses Jubiläum möglichst wortlos zu begehen." Nach aussen hin trat dabei ein Künstlerensemble mit Doppelbock und den Sängerinnen Barbara Berger und Christine Lauterburg auf. Ich frage nach, wie sich das mit der Zugehörigkeit denn genau verhält? "Wenn wir mitspielen, sind wir auch voll dabei...", eröffnet Christine fast lapidar, bevor sie die wahren Gründe offen legt, "...aber wir machen natürlich alle auch noch andere Sachen. Und doch spielen wir jetzt schon so lange gemeinsam."
Maestro Dide Marfurt - hier am Dudelsack
Ohne irgendwem zu nahe treten zu wollen, bemühe ich den Begriff des Folklore-Miefs. Gemeint sind Inzuchten à la Musikantenstadl von denen die Volksmusiker selbst mittlerweile sagen, dass sie der Entwicklung des Genres eigentlich nur im Weg stehen. Bei Doppelbock, Berger und Lauterburg fällt mir dagegen auf, wie wenig es an sich braucht, um diesen Sound aus dem Mief heraus zu holen. Die Integration eines Dudelsacks beispielsweise, also ein simpler Querverweis in die schottische Folklore, verleiht einem "Zoge'n am Boge" so einen irren Drive, dass das für einmal gestuhlte Moods im Schiffbau bei der Plattentaufe überzukochen droht. Auch der Südstaaten-Klang einer Maultrommel, der Klang Indiens von einer Sitar oder das für einmal Tango spielende traditionelle Schweizer Örgeli sorgen für ordentlich Voodoo. Christine Lauterburg verrät mir, wie man diesen Mief vermeiden kann: "Man muss es eben auch so meinen... Die Texte wie beispielsweise 'Meiteli wenn du wett ga tanze' sind nämlich sehr schön, teils echt poetisch. Und wir wählen natürlich schon Stücke aus, mit denen man eine Situation erleben kann."
Sexy-Hexy trifft Lila-Lady - oben rechts Warhols Tomatensuppe
So ein bisschen Voodoo habe die Folklore irgendwie dringend nötig, stelle ich in den Raum und ernte Zustimmung von meinem Gegenüber: "Ja - und so ist der Voodoo auch gemeint. Ein bisschen beschwörend, verzaubernd... so meinen wir das. Und anstatt immer dem neuesten Trend nach zu rennen, kann man sich ja auch mal etwas von hier anhören. Das hat nämlich auch Groove!" Das Resultat mag für Traditionalisten zweischneidig sein - mir als Exponent der Pop- und Rockkultur hingegen erlaubt Christine Lauterburgs Ansatz eigentlich erstmals überhaupt, Folklore uneingeschränkt zu mögen und zu fanen. Obwohl ich die Innovationskraft der Szene nicht in Abrede stellen will. Viel Neues und Mutiges wie etwa Aeschbacher oder Pflanzblätz ist allerdings momentan noch zum Schattendasein verdammt.
Singt im Doppel mit Bock und Christine - Barbara Berger
Christine versteht meine aufgebrochenen Gefühle voll und ganz: "Das mag sein, weil du dich damit identifizieren kannst, dich darin wieder erkennst. Unsere Musik ist einfache Musik, Gebrauchsmusik. Man spielt sie zu einem Fest. Oft treten wir auch unplugged auf, manchmal auch nur zu zweit. Speziell finde ich immer noch, dass wir die Sprache der Leute reden müssen - direkt. Daran muss man sich erst etwas gewöhnen, weil im Normalfall haufenweise verschlüsselte Botschaften in Sprachen daher kommen, die man nicht versteht. Wenn man da mal nachforscht, wird man herausfinden, dass sie sich gar nicht sehr von unseren Songs unterscheiden. Es geht meistens um Liebe, Tod... um die wichtigen Sachen eben."
Die Perkussion - Cembe und Cajon - bleiben auch quasi akustisch
Dabei ist die Interpretation der Folklore von Doppelbock eigentlich traditionell instrumentiert. Die verwendeten Werkzeuge - vom Cajon über Kontrabass bis zum grossen Gong - sind eigentlich alles folkloristische - allerdings nicht zwingend schweizerische. "Wobei es zu sagen gilt, dass es als Pendant zum Dudelsack bei Doppelbock auch noch die traditionelle schweizerische Sackpfeife gibt...", relativiert Christine und sagt auch gleich noch, warum diese Instrument hoch geschätzt werden vom Ensemble, "...weil sie so erdig und natürlich sind!" Als ich da so sitze und dem Konzert von Doppelbock lausche, überkommt mich auf einmal der Gedanke: "Andy Warhol wäre stolz auf Euch!" Christine gibt mir das Kompliment zurück und meint, auf mich aber auch. Ich habe glücklicherweise genug Rouge auf, um meine Verelgenheit zu kaschieren. Tatsächlich kommt mir der doppelte Bock ein bisschen so vor wie die Tomatensuppe von Campbell, die übrigens während des Talks rein zufällig als Repro-Druck über unseren Köpfen hängt.
Dem Voodoo auf der Spur - Christine Lauterburg mit Piggy
Campbells Tomato Soup war in Amerka etwa so etwas wie hier Knorr-Suppen - nicht weg zu denkender Alltag. Dann kam Warhol und hat die Büchse zum Kult gemacht - die Pop Art war geboren. Genauso wie die Konservendose sich über ihre Funktion erhebt und über das Regal hinaus zu schauen wagt, geht auch "Voodoo Jodel" über den gemeinen Horizont der Folklore hinaus. Christine sieht's da schon etwas pragmatischer: "Es steckt auch die Aussage drin, wie schön es hier eigentlich ist und dass wir den Moment geniessen sollten, solange wir können. Es kann sehr schnell alles vorbei sein. Und eigentlich - ich zitiere Polo Hofer - geht es ja nur um Freiheit und Liebe. Und zwar in dieser Reihenfolge. Denn ohne Freiheit - glaube ich zumindest - gibt es auch keine Liebe..."
Der Senn - redet zwischendurch ordentlich ins Gewissen
Von den technischen Voraussetzungen her - abgesehen von den Verstärkern - hätten Doppelbock schon im Mittelalter so auftreten können. Und so sieht die Bühne denn auch aus. Schalmeien, Drehleiern und allerlei Gerätschaften stehen dort herum und können alle auch ohne Strom ihren Klang entfalten. Nur - als Christine dann zum Schuhplattler auch noch den Besen auf die Bühne mitbringt, stellt sich schon die Frage: Was hätten die im Mittelalter mit Christine und Doppelbock gemacht? - "Du meinst verbrannt...?", fragt sie in einem Ton zurück, der das nicht ganz ausschliessen mag. Ich schiebe nach: "Bist du eine Hexe?" und ernte dafür ein "Nicht mehr als du auch..." zur Antwort. Dem Vicca-Kult ist "Voodoo Jodel" also nicht weiter angelehnt. "Das mit den Besen geht eigentlich auch auf einen Volksbrauch zurück. Und diese Reissbesen sind auch besonders schön. Unser Markus schleppt sie für uns fast überallhin mit. Ich finde es passt auch gut, mit einem Putzwerkzeug Musik zu machen. Denn Musik hat ja etwas Reinigendes..."
In Lederhosen auf der Moods Bühne
Zudem passte es an der Plattentaufe im Moods auch toll zu Christines Lederhosen. Es ist ja eher selten, dass ich einer anderen Frau zugestehe, mich in Sachen Sexappeal aus zu stechen. Aber gegen so viel Natürlichkeit komme ich dann doch nicht an. Ich frage abschliessend, wie sie denn zu ihren Bühnenkleidern komme. - "Dieses hier habe ich aus dem Allgäu mitgenommen, nachdem wir dort gespielt haben." Und auch wenn ich eigentlich noch viel mehr über ihre Kleiderphilosophie in Erfahrung bringen wollte, bleiben wir zuerst beim Thema Shopping hängen und bald danach an der Bar...
...und als Zugabe ein Schuhplattler!
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