Dialektik ohne Hektik: Black Tiger

Text/Bilder: MonthyChristo
trespass: Vor 7 Jahren hast du mit „Drogä" und „Rassismus" erste Erfolge gefeiert, seither hat man noch auf einer P27-Scheibe von dir gehört (‘97: My Lady). Was hast du denn so getrieben?
Black Tiger: Nachdem WakeUp, das die ersten Songs produzierte, nicht mehr existierte, wollte ich mein eigenes Album machen und habe von ‘93 bis ‘96 daran herumgetüftelt. Ich habe mich aber zu sehr in den Details verheddert und das Album als solches hat mir vom Bauch her nicht mehr geflasht. Ich habe dann gemerkt, dass ich Veränderung brauche, konnte im Stasttheater als Musiker arbeiten und habe mit diesem Geld eigenes Equipment gekauft, um selbst Beats zu konzipieren. Daneben bin ich immer wieder aufgetreten, praktisch jeden Monat auf irgendeiner Bühne gestanden. Die finanziellen Mittel für eine Scheibe waren einfach nicht vorhanden und die Angebote der Plattenfirmen eher dürftig in dem Sinn, dass sie erstens nicht an Schweizer Rap geglaubt und zweitens ganz komische Verträge angeboten haben, etwa einen Künstlervertrag auf Lebenszeit, was einfach indiskutabel ist. Es war zwar schon quälend, dass mich alle immer wieder gefragt haben, wann denn die Platte endlich komme, aber nicht dermassen, dass ich sie in diesem Moment erzwingen wollte.1998 habe ich dann die Promo „Groovemeischter" releast, die aber mehr ein Versuchsfeld darstellte, meine eigenen Beats zu präsentieren und alles selbst zu produzieren. Dabei musste ich merken, dass es so nicht läuft. Ich habe mir aber den Raum gegeben Fehler zu machen, um diese dann in einer nächsten Produktion zu vermeiden, wobei man eigentlich sein ganzes Leben lang Fehler macht... In dieser Zeit hat sich viel getan, und zwar noch bevor die Majors auf Schweizer Rap aufmerksam wurden. Ich hatte mit Skelt von P27 und meinem jetzigen Partner Ronny ein Projekt am Start - „Skeltigerron", ebenfalls ein Versuchsfeld, da wir drei sehr verschieden sind. Skelt ging dann zurück zu P27 und Ronny und ich tourten alleine weiter. Nachdem wir zwei Songs für Compilations gemacht hatten, kam die Idee auf, zusammen eine Maxi herauszubringen, die wir über G-NATIONS, welche praktisch alle MundartRap-Releases vertreiben, an die Leute brachten. Wie schon dieses Produkt, war auch die Ende August erscheinende CD „2 in 1" sehr spontan und wurde schnell produziert, nämlich innerhalb von 2 Monaten. Die CD ist eher ruhig, Ronny und ich rappen nicht durch- und übereinander, sondern klar getrennt und wir sind sehr gespannt zu sehen, wohin sie uns führt.
trespass: Siehst du die Möglichkeit, dass die Schweizer Szene dereinst genauso stark wird, wie die deutsche oder die französische in den entsprechenden Ländern?
Black Tiger: Auf jeden Fall. Die Schweiz braucht halt immer etwas länger. Da wir in einem kleinen Land leben, sind die Majors besonders vorsichtig. In Deutschland macht sich wegen 10’000 Platten keiner in die Hosen, hier bedeuten sie schon fast die Schallmauer.

trespass: Deine Themen waren meist soziallastig. Entspricht das deiner Auffassung von HipHop?
Black Tiger: Nicht meiner Auffassung davon. Ich rappe nicht gern die ganze Zeit, wie geil die Party ist und wer ich bin. Aber man findet auch diese Texte bei mir, das ist relativ breit gefächert - von amüsant bis traurig, bis nachdenklich, bis aggressiv. KRS ONE hat das einmal treffend ausgedrückt: Edutainment - ein bisschen mehr als nur Unterhaltung. Nur, man verändert sich auch; der eine grast zuerst alle Problemzonen ab und kehrt dann in sich ein, der andere kommt vom repräsentieren und merkt plötzlich, dass da noch mehr ist...

trespass: Was hälst du vom Repräsentieren?
Black Tiger: Es gehört dazu, und solange es gut gemacht wird, ist es absolut zu respektieren. Dass man seinen Namen präsentiert kommt von Amerika, wo man sich in den Ghettos über seine Gang einen Namen machen musste. Die Leute dort rappen von dem, was sie umgibt: ihre Gang, Frauen, später vom grossen Geld und fetten Autos. Ich finde es zwar nicht gut, wenn nun einfach alles kopiert wird, aber jedem sollte bewusst sein, dass Rap eine afroamerikanische Kultur ist.

trespass: Inwiefern war die Schweizer Jugend schon zu deinen frühen Zeiten amerikanisiert und hat sich das noch verstärkt?
Black Tiger: Sie war schon immer amerikanisiert, jedenfalls seit dem zweiten Weltkrieg. Jede Mode kommt hier rüber, ob gut oder schlecht und wie auch immer sie heisst: Rock, Jazz, HipHop... Wir übernehmen ja auch den Kapitalismus in unsere Gesellschaft, wer kann es den jungen Menschen also verdenken, wenn sie sich noch stärker an Amerika orientieren. Es gibt aber heute beispielsweise in Frankreich die krasseren Ghettos als in Amerika und auch in der Schweiz kamen die Ghettos - Drogen, oder das im Kopf - nicht durch HipHop auf. Sie waren schon immer da.
trespass: Hast du den Rummel deiner ersten Erfolge danach vermisst?
Black Tiger: Nein, überhaupt nicht. Ich habe am eigenen Leib auch keinen eigentlichen Hype erfahren und auch finanziell wars eher ein Verlustgeschäft. Ich hatte daher nie den Eindruck „Wow, ich bin berühmt", sondern nur in meinen Kreisen, im RapGame, einigermassen bekannt.

trespass: War dir damals bewusst, dass du den Schweizer HipHop mit den ersten Mundart-Rhymes überhaupt ein Stück in die Eigenständigkeit geführt hast?
Black Tiger: Bei „Murder by dialect", welches mit P27 zusammen entstanden ist, war es mir schon bewusst. Der Produzent des „Fresh Stuff 2"-Samplers flehte mich damals an, nicht in Mundart zu rappen, weil das nichts bringen würde. Schliesslich habe ich mich aber durchgesetzt und den Boom sozusagen ausgelöst. Ich denke, es musste irgendwann kommen, aber vielen fehlte einfach noch der Mut in der eigenen Sprache zu texten. Zu dieser Zeit klopften mir viele auf die Schulter und meinten, dass sie es cool fänden, selbst aber nie in Mundart rappen würden. Als dann Schweizerdeutsch die vorherrschende Sprache auf „Fresh Stuff 3" war, kam schon so etwas wie ein Gefühl der Bestätigung auf, für die Idee, die dahintersteckt.

trespass: War es dir damals ein Bedürfnis, dich allgemein verständlich auszudrücken?
Black Tiger: Rap ist für mich ein Ausdrucksmittel, um mich mitzuteilen und damals wars auch noch mehr ein Message-Ding, wohingegen heute mehr das Repräsentieren zählt. Rap ist sehr vielschichtig geworden und lässt sich nirgedwo eingrenzen.

trespass: Wie war die Basler Szene damals um Luana, P27 und dich?
Black Tiger: Ich selbst kam durch Graffiti in den HipHop und wurde eigentlich von meinen Leuten gedrängt zu rappen. Dadurch lernte ich auch P27 und Luana kennen. Luana war damals ein Phänomen, die Szenengrösse in Europa und eine Koryphäe. Basel hatte einen schlechten Ruf, galt als gewalttätig. Dadurch wurden uns oft Konzerte versagt, beispielsweise ‘92 als Vorgruppe von Public Enemy. Es kursierten auch wahnwitzige Gerüchte, halbe Legenden, die natürlich zumeist überhaupt nicht stimmten. Die Szene war ziemlich verschworen und da ich mit MundartRap aufwartete, muss ich erst einmal die Skepsis durchbrechen.

trespass: Was hälst du von der neuen Generation, vom „Züri Slang?"
Black Tiger: Ist geil, gefällt mir gut. Bligg’n’Lexx oder Gleis 2, Stern 1 und andere. Auch Sendak kommt wieder mit mehr HipHop.
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