China sind ihrem Namen verpflichtet

26.1.2011; Text/Bilder: Monthy
Sänger Eric St. Michaels vor dem China-Transparent in der MZH Watt
Reunions sind heute beliebter denn je. Und wir Schweizer brauchen gar nicht über die Grenzen hinaus nach glanzvollen Bands früherer Tage zu suchen, die es im Spätsommer oder Herbst ihrer Karriere nochmals versuchen. Wohl weil insbesondere der Virus Rock'n'Roll unheilbar ist - und weil wir in dem Sektor ganz gut vertreten sind, gibt es das im Hardrock auffällig häufig. Nebst Krokus, an die wohl jeder in dem Zusammenhang schnell denkt, haben über die letzten Jahre auch die legendären China den Weg zurück gefunden. Ihre erste Blüte erlebten sie Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, danach franste die Bandgeschichte so ein bisschen aus und irgendwann hörte man gar nichts mehr von China.
Gitarisst und mein Gesprächspartner - Claudio Matteo
Auch ihr Comeback, welches mit dem Release des in der Schweiz schon erhältlichen Albums "Light up the Dark" in Europa und Japan diesen Frühling einen Höhepunkt erlebt, erfolgte wiederum fast auf Raten. "Das Comeback kam zustande, weil wir damlas von Free & Virgin ans Spirit of Rock 2007 eingeladen wurden", blickt Gitarrist Claudio Matteo zurück, "40 Minuten, sagten wir uns, müssten eigentlich hinzukriegen sein. Es ist ja auch wirklich geil, auf solch einer grossen Bühne mit Bands wie 'Heaven or Hell' zu spielen. Deshalb kamen wir wieder zusammen - mehr war eigentlich nicht geplant. Wir hatten aber extra dafür auch schon wieder zwei neue Songs geschrieben. Der Gig ist dann voll abgegangen und die Leute waren begeistert. Danach wird das auch ein bisschen von den Veranstaltern gesteuert. Für uns war klar, dass wir spielen werden, solange die Nachfrage da ist."
Wissen zu posieren wie es nur eine Rockband kann - China
Und das ist sie, wie ich auf meine Nachfrage präzisiert erhalte: "Ja, wir wurden angefragt auch wenn es noch keine neue CD gab - für etwa 10 bis 20 Shows pro Jahr. Weil wir teilweise auch von der Musik leben, nehmen wir das natürlich alles gerne mit." Nun ist das quasi der Aspekt der Nachfrage von aussen, den Claudio mir darlegt. Wie sieht es aber mit dem inneren Antrieb aus? Ist der nicht noch wichtiger? - Claudio liefert mir nun logischerweise die nächste Rate des China-Comebacks: "Wir haben eben wieder angefangen, Songs zu schreiben. Das war der springende Punkt. Sobald du Songs schreibst, fängt ein inneres Feuer an zu brennen. Und dann willst du noch einen schreiben und noch einen und noch einen. Deshalb war uns dann auch irgendwann klar, dass das in einem Album enden würde." Natürlich passierte das zeitlich parallel, was Claudio besonders herausstreicht: "Es war unser Glück, dass zwischendurch immer mal wieder Shows anstanden. Sonst besteht die Gefahr, dass man im Übungsraum etwas versauert. Und heute dauert auch alles einfach ein wenig länger. Was wir früher in einem Jahr geschafft haben, machen wir heute in zwei oder drei. Wir sind aber mit diesen kleineren Schritten sehr zufrieden und nehmen es Step by Step."
Vorne Beat Kofmehl, hinten Mack Schildknecht
Das damalige Ende und das Comeback von China decken sich mit der allgemeinen Nachfrage nach Rock, der Ende der Neunziger auch eine Talsohle durchlief. Man könnte das auch zu ungusten der Band interpretieren und ihnen Opportunismus vorwerfen. Dabei ist es... "...reiner Zufall...", lacht Claudio als ich meinen Vergleich ziehe, "...und der Rock war ja auch nie wirklich weg. Er nannte sich zeitweise einfach Grunge." Der Konter entbehrt nicht einer gewissen Grundlage. Mit dem eher schlampigen Grunge wurde der Glamrock weg gespült. Auch wenn Cobains Nirvana noch einmal gross gefeiert wurden, stellte gerade er mit seinem Schicksal das Erfolgsprinzip nachhaltig in Frage. "Musik ist für uns eh zeitlos", holt mich Claudio wieder zu China zurück, "Wir haben unseren Namen. Drei Leute der Originalbesetzung sind mit dabei. Die anderen wurden auch abgecheckt, konnten oder wollten aber nicht. Freddy ist bei Gotthard, Dome unser Drummer, der eigentlich damals auch unser Kopf war, spielt seit zehn Jahren nicht mehr Schlagzeug." - Die Originalmembers sind übrigens neben Claudio selbst, Sänger Eric St. Michaels und Bassist Beat Kofmehl, dazu fanden sich in Mack Schildknecht und Billy La Pietra zwei neue Chinesen, erlaube ich mir redaktionell einzuwerfen.Claudio kommt zum Ende der Zusammenfassung: "Dann meldete sich auch noch das Fernsehen mit den grössten Schweizer Hits. Viele kleine Dinge kamen zusammen. Wir beschlossen, erst einmal eine Best Of CD zu veröffentlichen, weil viele alte Alben vergriffen sind. Danach folgte dann endlich 'Light up the Dark'."
Der zweite Neue sitzt am Drum - Billy La Pietra
Auch als es China zwischenzeitlich nicht gab, haben die Fans sie nie vergessen. Der Mythos der Band blieb ungebrochen. Das hat natürlich auch die Band mitbekommen. Claudio: "Wir haben schon recht viel Feedback, vor allem auch aus dem Ausland. Man merkt, dass China in den 80ern bis Mitte der 90er wirklich gearbeitet hat. Vor allem die ersten zwei Alben sind sehr gefragt. Ich erhalte auch viele Mails aus aller Welt mit Fragen zu einzelnen Songs oder wer die gesungen habe. Da ist also schon etwas hängen geblieben bei den Leuten. Wir merken aber leider jetzt auch, dass die alten Fans die neuen China nicht automatisch auch gut finden. Weil wir auch etwas riskieren. Wir sind nicht mehr in den 80er Jahren und wollen auch nicht die Sounds von damals kopieren." Damit spricht Claudio ein Dilemma aus, das seinen Ursprung tatsächlich in den nostalgischen Rockfans hat. Die möchten einfach, dass es immer so weiter geht und tönt wie damals. Für einen vorwärts orientierten Musiker kann das aber kaum der Anspruch sein. Nur - was ist denn überhaupt der Unterschied zwischen dem Rock von damals und dem von heute? - Claudio: "Ich finde, er ist vor allem taffer geworden. Hinter Judas Priest war man früher sehr schnell einmal im Metal-Bereich. Das war aber nie unsere Welle. Heute gibt es Bands wie Killswitch Engage, die auch Zeppelin-Songs geil finden. Aber die drücken ganz anders ab..."
St. Michaels und Matteo am Jammen auf der Bühne
Dass China zwanzig Jahre danach etwas anders tönen, erscheint mir nur logisch. Aber trotzdem sehe ich eine Kontinuität, auf die ich Claudio ansprechen will. Sie betrifft das Universum von China - also die mystische Welt, in der sich eine Rockband traditionell irgendwo verwurzelt. Das sicher am meisten nachhallende Werk der Band war die Platte "Sign in the Sky" mit dem Song "In the Middle of the Night". Claudio wehrt sich übrigens ausdrücklich gegen den Begriff Hit. Optischer Aufhänger der Platte war ein Licht in der Dunkelheit, das auch im Titelsong besungen wird. Das Comeback-Album nennt sich jetzt ..."Light up the Dark"... Claudio muss herzhaft lachen: "Das ist ehrlich gesagt Zufall. Für mich ist es symbolisch, weil China lange im Dunkeln war und diese Dunkelheit jetzt erhellt wird. Vielleicht hatte unser Sänger auch gerade eine dunkle Phase..." Damit wirft Claudio denn auch gleich ungewollt meine nächste Frage auf. Wieviel vom Ausdruck einer Band, verdankt sie eigentlich dem Sänger? - Claudio: "Es braucht natürlich einen Spirit der ganzen Band. Den musst du spüren. Er ist entweder da oder nicht. Das bringt dich dann letztendlich auch vorwärts. Der Sänger muss dann die Ideen der Musiker natürlich aufnehmen und sie entsprechend umsetzen in den Texten. Dabei kommt es auch sehr auf die Arbeitsweise an. Oft will der Sänger alles machen. Ich finde aber, wenn man eine Band ist, kann mal dieser und mal jener einen Song mitbringen."
China sind durchs ganze Jahr im Land unterwegs
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