Signorino TJs Summer Jam im El Lokal
Text: Monthy
Bild 1: Fender Guitar Magazine/Signorino TJ; Bilder 2-6: Monthy
Passend zu den Sounds des ´kleinen Mannes´ der auszog, die Musikwelt zu erforschen, lachte die Sonne mit mir und Signorino TJ am frühen Samstag Abend um die Wette. Zwischen Soundcheck und Essen gewährte mir der nach unbestätigten Angaben einzige CH-Künstler, der es je zu einer Abbildung im Fender Guitar Magazine brachte (Foto oben), ein paar Einblicke ins faszinierende Leben eines absolut Musikverrückten. Zum Wetter meinte er erstmal: "Ich muss sagen, ich habe das Wetter heute auch extrem genossen. Ich habe mit dem Bus am Zürichsee genächtigt, am morgen die Sonne, ein Bad und am Abend einen Gig spielen - so muss es sein!"
Unterwegs ist Signorino TJ jetzt mit Songs "aus dem Jahr 1998 bis von vor einer Woche" und das mit wechselnden Formationen. Seine Stammleute Jay und Cedi weilen an diesem Abend mit Lunik in Bremen. Bevor ich aber TJ zur Stärkung mit der Band und zum anschliessenden Summer Jam entliess, wollte ich von ihm wissen, wie er denn nun mit den verschiedenen Rollen, als eigener Act oder im Auftrag, umgehe? - "Es ist natürlich ein Unterschied. Du schreibst einen Song für jemanden, die nehmen ihn auf und bringen ihn raus. Bei etablierten Künstlern kommt es schon mal vor, dass sich dieser Song gut verkauft, am Radio gespielt wird, rauf und runter. Irgendwann verschwindet er wieder. Nur - du hast während der ganzen Geschichte keine persönliche Bindung mehr zu diesem ´Kind´. Du hast es zur Adoption freigegeben und es ist weg. Ein eigener Song dagegen hat eben eine Geschichte. Ich habe gemerkt, es braucht die Musik von Signorino TJ für wen auch immer da draussen und auch für mich. Meine eigenen Songs haben so viel Energie und Herzblut, und das ist ein Unterschied zu Songs die du in die Industrie hinein schreibst. Auch weil diese Industrie ganz anders funktioniert. Ein Aspekt ist, ich lebe davon, Songs für andere zu schreiben und zu produzieren. Und bei meiner eigenen Musik bin ich froh, wenn die Karre irgendwie läuft. Es ist finanziell aufwändig, eine Band zu unterhalten. Du musst Musiker bezahlen, für die Busse schauen, Plakate drucken lassen, CDs usw - das sind Riesenausgaben! Aber das ist es mir wert und ich denke ich habe eine gute Balance. Den SCB-Song mit Slädu und Grosi von Bagatello aufzunehmen war eigentlich wirklich nicht mein Ding, aber ich liebe Sound einfach und kann das so auch voll ausleben."
Die oben erwähnte Karre, die läuft und läuft ist in Signorinos Fall "ein wunderschöner beiger Fiat Topolino, das Auto der Italianita, der irgendwo im Emmental steht. Er ist auf dem Cover von "E cosi come" zu sehen, im diesen Herbst geplanten Video und in den Live-Visuals." Damit leitet der Maestro der feinen Töne eigentlich perfekt zum festlichen Teil des sommerlichen Abends im El Lokal über. Natürlich hat TJ aber auch für uns im Emmental radiotechnisch heimisch gewordene Trespasser noch ein spezielles Schlusswort parat: "Zum Emmental muss ich noch sagen: Ich habe auf dem Dorfberg von Langnau beschlossen, Berufsmusiker zu werden. Das waren die Jazz Nights 1995/6 mit Alain Schmocker. Da habe ich zum ersten Mal gerochen, was ein Joint ist und sonst eine Woche lang nur Gitarre gespielt ...und seither mache ich das..."
Dass die Leute am Abend lieber draussen rumhängen, versuchen er und sein Team, mit dabei auch Visual Artists aus Hong Kong, dann aber aktiv zu verhindern. Ich sprach TJ unter dem Stichwort ´grosse Musikstile´ auf den süffigen Sound an, den er dabei präsentiert. Signorino: "Seit ich sieben bin, befasse ich mich eingehend mit Musik. Da gibt es Phasen, in denen du Jazz auschext, mal Funk, Hitparadenmusik, Electro, dann Clubsounds oder klassische Sachen für ein ganzes Orchester. Ich habe einfach alles probiert in meinem doch noch jungen Leben. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem es mich einfach interessiert, Songs zu schreiben. Unter dem Strich ist alles, was ich mache Popmusik - aber was ist Popmusik? Das kann Funk sein, kann erdiger Sound oder irgendein Pipi-Electro-Techno sein und weil ich halt einen Background verschiedenster Stile habe, fliesst das alles bei mir ein."
Eine dieser Entscheidungen, nämlich seine 1999/2000 halb aufgenommene CD Naturally Stoned diesen Winter doch noch zu releasen, war Inhalt meiner nächsten Frage: Wie wichtig ist diese CD für Signorino TJ? Er holt aus: "Ich war damals für ein halbes Jahr im Powerplay, einem der grössten Studios der Schweiz, erbaut in den 70er Jahren. Und genau so eine 70er Scheibe wollte ich aufnehmen. Mit erdigem Zeugs und analogen Geräten; mit Leuten von Incognito und aus Stings Band; Streicher wurden eingeflogen usw. Wegen eines Krankheitsfalls wurde das Album aber nie fertiggestellt. Letztes Jahr habe ich mir dann gedacht, das Material ist zu gut, um liegen zu bleiben. Zu viel Herzblut steckt da drin. Zum Teil kommen Platten raus, da ist wirklich kein Fleisch am Knochen und ich fand es ganz einfach zu schade, was von den geplanten 18 Songs vorhanden war, nicht heraus zu geben. Weil ich nur neun Songs hatte, wollte ich die CD mit Instrumentals ausschmücken, damit sie speziell ist. Das Album Naturally Stoned hat schliesslich auch eine spezielle Geschichte."
Hier gilt es zu sagen, dass TJ nicht nur mit seiner Band musiziert sondern und vor allem seinen Lebensunterhalt als Songwriter erwirtschaftet. Phillip Fankhauser, Michi von der Heide oder Salome Klausen etwa lassen sich schon mal gerne einen Signorino auf den Leib schneidern und bringen dabei eine ganz andere Seite des Popartists zum Vorschein: "Wenn ich für jemand anderen schreibe, arbeite ich natürlich ganz anders. Ich schaue auf deren Stil und kann nicht willkürlich z.B. Jazz bringen." Dass seine eigene Musik mehr Tiefe haben darf, und soll und eigentlich fast muss, ist denn auch keine Frage oder eben doch eine... "Mein Musikstil ist wohl nicht einfach, aber doch zugänglich. Das merke ich auch an den Reaktionen. Die Leute finden Gefallen an den Songs, die Texte können sie packen, die Melodien laufen ihnen nach. Aber wenn du auf eine zweite und dritte Ebene gehst, passiert ganz ganz viel. In Text und Musik sind sehr viele Referenzen , Sachen die es schon gab usw", erklärt er und führt weiter aus, dass er gar keine Wahl hat, "Es ist ein langer Weg, wenn man sagt, ich muss es so haben. Besonders auf der Vermarktungsebene ist es viel schwieriger. Major Labels arbeiten ganz anders, und ich bleibe halt lieber unabhängig. Deshalb habe ich mein eigenes Label und die Kontrolle über Musik, Artwork... wirklich sehr vieles. Auch weil ich weiss, dass niemand solche Entscheidungen für mich treffen kann."