Signorino TJ - Yes No Maybe
Text: Debi
Bilder: Cover, Debi
Wo Signorino TJ drauf steht, steckt auch ganz schön viel vom Berner Songwriter und SUISA-Awards-winner 2005 drin. Jüngstes Beispiel ist seine neue Scheibe Yes No Maybe. Die 50er Jahre haben wieder Einzug gehalten – mit James Dean-Tolle lässt sich der junge Berner ablichten. Und seine CD vereint Bläsersätze, Jazzelemente mit Herzschmerz-Sound vom Feinsten. „Es steckt sehr viel von mir in diesem Album“, wird mir TJ nach dem Release-Gig in Bern erzählen. Ein sehr persönliches Ding, zweifelsohne, davon kann man sich problemlos überzeugen lassen.
Zum CD Release in der Berner Turnhalle traf sich der Hansdampf in allen Gassen mit allen Musikern die an seinem Album mitgewirkt haben zu einem Auftritt auf der Bühne wieder – was mitunter dazu führte, dass die kleine Fläche, die für Kunstschaffende die Welt bedeutet, beinahe aus den Nähten platzte: Cedric Monnier (p), JacobSuske (b), Simon B (dr), Michel Poffet (b), Regula Kueffer (fl), Buraz (dr), Till Gruenewald (sax), Fabian Kalker (g) und die Miglieder der "One Little Problem Big Band", Matthias Wenger (as), Patrick Schnyder (bs), Roman Heiniger (trb), David Blaser (trp), Carlo Niederhauser (cel), Simon Heggendorn (viol) sowie Michael Zisman (Bandoneon) bildeten ein riesiges Musikerkolleg. TJ’s persönliches ad-hoc-Orchester sozusagen. So ist es schliesslich auch zustandegekommen, erzählt TJ: „Erst hab ich alles selber eingespielt, dann gemerkt, dass ich das wie früher machen will. Damals hab ich unter anderem Namen Alben herausgegeben – und die Leute hinzugezogen, die spontan vorbeigekommen sind und Lust dazu hatten. So kamen pro Album bis zu 50 Musiker zusammen.“ Auch Yes No Maybe ist eine solch wilde Mischung verschiedner Talente: „Hier noch ein Saxophon, da noch ein Vibraphon, da noch eine Punkgitarre, plötzlich war dann noch eine BigBand da und Streicher. Das ist einfach so entstanden und in die Breite gewachsen.“
Ab Scheibe klingt TJ mit Begleitung übrigens um einiges weicher, zarter – ja, man ist fast versucht zu sagen, weiblicher, als live. Warum?„Weil meine Stimme unterdessen völlig abgefuckt klingt“, lacht dieser im Anschluss an das Konzert. „Auf der Platte ist das wirklich so, ja. Aber live sieht man mich ja auch, und kann sich davon überzeugen, dass ich nicht eine Frau bin – das wird spätestens beim Brustumfang klar.“ Woher nimmt er seine Weiblichkeit? „Es ist ja jeder Mensch männlich wie weiblich. Aber eine hohe Stimme machts noch lange nicht. Ich bin halt schon ein wenig ein androgynes Fabelwesen. Wenn man mich mit kurzem Rock, Perücke und Stöckelschuhen austattet, muss ich mich wirklich vor den Kerlen in Acht nehmen. Und wenn ich singe, dann ist das so emotionsgeladen und ehrlich, da werden Emotionen auf den Tisch gelegt. Das ist die Domäne der Frauen, keine Männersportart.“ Auf den Einwand hin, dass sich viele Männer recht erfolgreich in diese Domäne vorgewagt hätten, lacht TJ nur: „Wer denn?“ – „Ramazotti...“ – „Ramazotti? Das sind doch nicht echte Gefühle!“ Und lacht aus vollen Herzen fast Tränen.
Bei der Musik wollen, wir auch bleiben – was kann es Spannenderes geben, als sich mit einem Songwriter über seine Songs zu unterhalten? Also, lassen wir ihn erzählen: „Bei der Songauswahl für dieses Album hab ich gemerkt, das gibt zwei Alben. Gemacht habe ich dann aber doch nur eins“ (setzt sein spitzbübisch-verschmitztes Lachen auf). „Thematisch sind es alles Lovesongs, traurige wie fröhliche Beziehungskisten.“ Und das, obwohl TJ den Ausdruck „Liebeslied“ doof findet, es seien ja mehr Szenen oder Geschichten, die das Leben so geschrieben habe. „Es sind eben Songs, die klingen mehr nach „Yes“, andere mehr nach „No“ und einige auch nach „Maybe“, wenn man nicht so recht weiss, ‹obs guet chunnt›.“ Mit den heimlichen Liebesbriefen (Willst Du mit mir gehen? – Ja – Nein – Vielleicht), die wir uns einst in der Grundschule zuspielten, hat „Yes No Maybe“ also wenig am Hut.
12 Tracks hat der 27-Jährige gesammelt und herausgegeben. Einer hat meine Aufmerksamkeit besonders geweckt: „Miss Andress“, den er Ursula „National" Andress gewidmet hat. Auf die entsprechende Frage hin setzt TJ dreimal an, bevor er schliesslich erzählt – und sich als ausgebuchster Profi dabei doch nicht recht in die Karten schauen lässt: „Gerade gestern hab ich dem Generalkonsul der Schweizer Botschaft in Schottland geschrieben, weil die in Schottland zu ihrem Geburtstag etwas organisieren. Nun hat er mir zurückgeschrieben, das Rahmenprogramm stehe bereits. Jetzt muss ich mir was anderes einfallen lassen. Vielleicht gehe ich selber nach Rom und gebe ihr den Song. Es ist halt schon so, dass wir uns nie getroffen haben. Es wäre Liebe auf den ersten Blick. Das steht in den Sternen. Im Song begegnen wir uns ja und lösen die Zeit auf. Die 50 Jahre, die zwischen uns stehen, spielen plötzlich keine Rolle mehr. Es ist aber so oder so mehr eine Hommage an die Zeit, in der sie jung war. Und sie wäre praktisch meine Nachbarin gewesen, der Song ist also gewissermassen autobiographisch – ich bin einfach massiv zu spät gekommen.“
Ein einzigartiger Auftritt wird der Gig in der Turnhalle bleiben – zumindest in der erwähnten Besetzung. „Finanziell wäre das der Genickbruch, mit 18 Leuten auf Tour, nein. Mit einer BigBand musst Du mehr dabei sein, fit sein, trägst mit. Ich hingegen ziehe mich im Moment sehr zurück. Es sind kaum Konzerte geplant, trotz dem Release. Ich will einfach meine Songs einspielen und wieder mehr auf mich selber hören, so wie ich das früher gemacht habe. Vor zehn Jahren habe ich mein Ding gemacht und gar nicht gewusst, dass es da draussen etwas gibt wie Radio oder Hitparade oder irgendwas. Dann kam der Hitparadenhit, das war schon lustig, aber micht störts eigentlich mehr als es bringt. Für mich ist jeder Song wichtig, ich muss meine Sachen machen und darf Ecken und Kanten haben, das ist gut so. Ich geh einen anderen Weg, aber mir ist das alles zu wichtig, als dass ich einen 0815-Weg wählen würde, nur weil man das so macht.“ Die Zukunft wird’s weisen – Yes – No – Maybe!?