6er Gascho und die Bescheidenheit
Text: DasSchaf
Bilder: Ephraim Bieri
Sie sind jung, verdammt jung. Und sie sind gut, verdammt gut! Direkt vom Heitere Openair kamen sie nach Thun und freuten sich riesig auf das Quasi-Heimspiel: 6er Gascho. „Wir haben in unserem Repertoire einige Songs, die wir über die Stadt Bern und unseren Kanton geschrieben haben, die werden bei Auftritten in der Region Bern natürlich immer anders vom Publikum aufgenommen und verstanden als ‚auswärts‘.“, sagt MC Yuri. Für die Jungs wars das erste mal, dass sie gleich zwei Gigs am Abend zu bewältigen hatten. Eine Herausforderung, die sie bravourös meisterten. Man könnte fast meinen, sie hätten sich in Zofingen nur mal kurz „warmgespielt“…
Unterwegs ist die Rap-Combo mit ihrem Album „Jugendstil“. Der Titel zum Album entstand spontan während der Aufnahmen: „Plötzlich kam während den Aufnahmen eines Tracks die Idee. Wir sind jung und wild, wollen etwas erreichen und das mit unserem eigenen Stil – wieso nicht Jugendstil? Das fanden alle geil, und so entschieden wir uns, das Album so zu nennen.“ Jung und wild, das sind sie. Wie Wirbelwinde fegen sie über die Bühne, im Stakkato der Mundart jonglieren sie mit Worten, Zeilen, Reimen und reissen dich mit. Ein Rausch der Buchstaben!
Was bei 6er Gascho erfreut, ist, dass sie sich als Sprachakrobaten verstehen und nicht als Rap-Stars. „Ich denke unser Erfolgsrezept ist vor allem auch unsere Bescheidenheit. Wir haben uns schon als wir anfingen Musik zu machen nicht auf irgendwelche Streitereien mit anderen Combos eingelassen. Wir haben unser Ding durchgezogen, hatten schon immer schlicht Freude an der Sache – und das ist wahrscheinlich auch unser Geheimrezept: die Freude. Sie hat uns angetrieben, weiterzumachen, zu probieren, und hat uns schlussendlich hierhin gebracht, wo wir jetzt sind.“, meint Yuri, „Wir sind Freunde, fast schon mehr als nur Freunde, eine kleine Familie, sehen uns auch wenn alle sehr viel um die Ohren haben sehr oft zum Proben, das schweisst zusammen. Nie war der Druck da, Songs schreiben zu müssen, wir hatten bis jetzt immer einfach Spass an der Sache.“
Support bekamen die Jungs von 6er Gascho in ihren Anfängen von den Bernern Wurzel 5, man durfte die ersten Gigs zusammen mit der erfahrenen Crew bestreiten. Bald schon klopfte ein Label an die Tür und die Maschinerie setzte sich in Bewegung; eines führte zum anderen – und die Jungs sind ein Versprechen für die Zukunft. Sie legen auf der Bühne eine Reife und Abgeklärtheit und gleichzeitig eine ungemeine Spielfreude und Unbekümmertheit an den Tag, dass selbst Freunde andere Musiksparten ihre Ohren für die Zeilen der Berner Combo öffnen und mal genauer hinhören.
Erstaunlich ist vor allem die Reife ihrer Texte. Man verzichtet auf das übliche „ge-disse“ unter Rap-Crews und konzentriert sich weniger auf Machtspiele als auf das Leben, das rundherum passiert. Nachdenkliches wechselt sich ab mit Rebellischem, Verletzlichkeit mit Stärke. Selbstbewusst und mit einer guten Portion Selbstironie erzählen die Jungs von 6er Gascho ihre Geschichten. „Der Alltag inspiriert uns. Was berührt oder beschäftigt verarbeiten wir in unseren Songs.“, sagt Yuri. Über Hass, Drogen oder ähnliches zu schreiben käme der Combo aber nie in den Sinn: „Das sind wir nicht und das brauchen wir nicht!“ Und fast ein wenig verlegen fügt er hinzu: „Das tönt vielleicht ein bisschen blöd, aber wir erfüllen doch auch eine gewisse Vorbildfunktion, finde ich jedenfalls. Wer weiss ob da nicht jemand, der unsere Tracks hört, denkt: ‚Hey, der macht das so, dann mache ich das auch!‘ – das muss man in unserer Position schon bedenken, finde ich. Und deshalb versuchen wir, einfach unsere eigenen Erfahrungen und Eindrücke zu verarbeiten, und das so, dass wir das vor allem und jedem vertreten können.“
Die Freude an ihrer Musik merkt man den Jungs auf der Bühne an, erstaunen tut aber immer wieder die enorme Reife die Jungspunde. Yuri: „Wenn da unten 100 Leute stehen und buhen würden, und nur ein einziger uns gut fände, wir würden das Konzert bis zum Ende durchziehen, für diese eine Person. Wir möchten ja die Menschen irgendwie erreichen und ihnen etwas bieten. Und ganz ehrlich, ich habs lieber, wenn jemand zu mir kommt und mir sagt, ‚hey, dieser Text von euch hat mich berührt, so gings mir auch mal‘ oder ‚in diesem Song sagst du dieses oder jenes, das finde ich auch‘, anstelle von ‚hey, du bist ein geiler Typ weil du da oben auf der Bühne stehst!‘.“ Doch über buhendes Publikum mussten sich die Rapper in Thun keine Gedanken machen, die Audienz an der Berntorgasse (vorwiegend jüngeren Jahrgangs) war restlos begeistert.
Obwohl man dem berndeutschen Dialekt als Sprache der Musik immer treu geblieben ist und das Ziel eigentlich nie war, die Landesgrenzen zu sprengen, träumt Yuri von einem Gig ausserhalb der Schweiz: „Die Openairs sind immer genial, das ist ganz anderes Publikum als an Club-Gigs. Mal auf einer deutschen Openair-Bühne oder irgendwo sonst im Ausland zu spielen war natürlich schon toll.“ Wieso dann Mundart? „Der Schnabel ist so gewachsen, ich sehe nicht ein, wieso ich mir englische Texte aufzwingen soll, wenn ich sowieso nicht hunderprozentig sattelfest bin in der Sprache. So bin ich sicher, dass das, was ich sage, auch meist richtig verstanden wird.“, meint Yuri.
Sie nehmen jeden Tag so wie er kommt, gehen ihren Weg und treffen mit ihren Songs mitten in die Herzen ihrer jungen Fangemeinde. Thun nickt und rappt mit den Jungs von 6er Gascho. „Jedes Gesicht, das du an einem Gig erfreuen kannst, gibt dir so viel, das ist Gold Wert.“, sagt Yuri. Und auch ein paar Mädchenherzen werden beim Anblick des Berner MCs in Thun erstrahlt sein, da bin ich mir sicher… Rap mit viel Herz, Stolz, Selbstvertrauen und einer guten Prise Ironie – von den Wortakrobaten von 6er Gascho lassen wir uns auch in Zukunft gerne wieder mitreissen.