Anna Kaenzig's schlichte Schönheit

21.2.2013; Text: Monthy, Bilder: Promo
Wenn ein Medienpartner es mit seinem beziehungsweise ihrem Album in die Charts schafft, ist das für mich immer ein besonderer Grund zur Freude. Und das Timing hätte auch nicht besser sein können. Am Tag des Interviews, das wir kurz vor dem Konzert im ausverkauften Moods im Zürcher Schiffsbau zwei Wochen nach Release von "Slideshow Seasons" abhalten, erhalte ich die Melldung: Platz 21! Als mir Anna am Abend dann in der Garderobe gegenübersteht, will ich natürlich sofort wissen, wie sie denn reagiert habe, als sie es - am Tag zuvor allerdings schon - erfuhr. Anna: "Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet und finde es 'lässig'... Von mir aus hätte es auch Platz 70 sein können - einfach in den Charts zu sein ist cool. Wir haben die Hitparade früher immer gehört, sogar oft auf Kassette aufgenommen für die Ferien." Weder sie noch ich sind uns sicher, dass sie mit ihrem 21. Platz in den Albumcharts dann auch in der angespielt wird. "Ab 20, wenn ich mich recht erinnere...", ist Anna skeptisch. Als Neueinsteigerin in dieser Region müsste das aber schon sein, finde ich.
Cover Slideshow Seasons von Anna Kaenzig
Ein Teil des Albums wurde dabei durch Crowdfunding finanziert, das ja immer mehr zum Trend in der Musikszene wird. Privatpersonen ermöglichen dabei die Realisierung von Projekten wie der Produktion einer CD. Dass "Slideshow Seasons" nun so erfolgreich gestartet ist, mag deshalb noch ein bisschen schöner sein. "Vor allem für die Gönner", zeigt sich Anna erfreut und vielleicht auch ein bisschen erleichtert, "Es ist besonders schön, diesen Leuten eine positive Rückmeldung zu geben und ihnen zu zeigen, dass es läuft." Das Glück ist Anna anzusehen. Wir sehen Musiker ja eher nicht als Geschäftsleute, sondern als Künstler. Aber die Frage, wie oft sich so ein Künstler denn mit Fragen zu Geld, Finanzierung etc auseinander setzen muss, stellt sich hier bei Gelegenheit. Anna: "Sehr oft! Vor allem wenn es darum geht, ein Album aufzunehmen. Aber auch um die Musiker zu bezahlen. Man ist ja so etwas wie eine Firma." Ich spekuliere, dass so etwas durchaus auch belasten und einen runter ziehen kann? - "Wenn man voll auf Musik baut, dann ganz sicher. Dann musst du die Leute auch bei Flaute irgendwie bei der Stange halten. Wir haben ja alle noch unsere Jobs und daher ist es noch nicht ganz so schlimm. Aber wenn ich dann ganz auf die Karte Musik setze..." - Der unvollendete Satz von Anna lässt darüber keine Zweifel offen.
Anna Kaenzig live Voices on Top 2011 - by Fredy Villiger
In der Info zum Album wird eine Reise mit "undefiniertem Ziel" angesprochen. Das Artwork von "Slideshow Seasons" zeigt private Fotos aus dem Familienzweig von Annas Vater, der in den USA aufwuchs. Auch die Musik hat einen unverwechselbar amerikanischen Klang, was wohl auch daran liegt, dass Annas Vorbilder (Bonnie Ryatt, Emmylou Harris) von dort stammen. In diesem Zusammenhang halte ich die Reise eher für eine zu ihren Wurzeln und spreche Anna als nächstes darauf an. - "Ja auch. Es ist zwar deine Interpretation aber eigentlich sehr schön und definitiv der Fall. Ich hatte eine sehr enge Beziehung zu meinen Grosseltern und bin eigentlich fast ein bisschen bei ihnen aufgewachsen. Sie sind zwar nicht mehr unter uns, haben aber mit den Fotos im Booklet auch Anteil an diesem Album. Ich lasse heute Abend auch solche Dias an die Wand projezieren." Auch davon wie sie Dias ausgewählt hat, gibt es im Booklet ein Foto. Es drückt haargenau aus, was Anna soeben in Worte gefasst hat.
Anna Kaenzig live Voices on Top 2011 - by Fredy Villiger
Solche Intimität macht denn auch die Musik von Anna Kaenzig aus. Ich komme nochmals auf Amerika zurück. Wieviel Amerika steckt in ihrer Musik? - Anna: "Es geht... Nicht übermässig viel. Die Sprache, die ich von klein auf mitbekommen habe. Der Folk, der sicher ein traditioneller amerikanischer Musikstil ist. Aber es ist ja dann schon eine Mischung mit dem, was mich ausmacht." Selbst ist sie aus besonderem Grund nicht so so oft in den Staaten, wie sie das gern sein würde - "Ich habe Flugangst", gesteht die Singer/Songwriterin, deren grösste Stärke für andere vielleicht eine Schwäche wäre. Anna's Musik ist klassisch und vor allem: Schlicht. Kommt es vielleicht gerade deshalb so gut an bei den Leuten? - Anna: "Ich glaube, die ganze Musik tendiert momentan wieder etwas zum Ruhigen. Eine Lana Del Rey ist beispielsweise eine sehr unprätentiöse Musikerin und schreibt traurige Songs, hat damit aber grossen Erfolg."
Anna Kaenzig live Voices on Top 2011 - by Fredy Villiger
Vor meinem geistigen Auge sehe ich Anna barfuss auf einem grossen Stein sitzen, die akustische Gitarre im Arm - ein Sinnbild von 60er Charme und der Natürlichkeit, die auch in ihrer Stimme steckt. "Ich laufe nicht gern barfuss", relativiert Anna lachend, "Aber ich bin durchaus ein Hippie-Mädchen. Ich bin in einem ziemlich Hippie-Haushalt gross geworden. Meine Eltern waren angehauchte Alt-68er und wir waren so ein bisschen als Villa Kunterbunt bekannt. Mit einem Bandraum in der Garage - von meinem Vater - und der Polzei, die das gar nicht gut fand." Anna, die schon mit fünf Jahren erstmals eine Gitarre in die Hände nahm ist also tatsächlich eine moderne Janis Joplin. Und auch wenn das verruchte Sinnbild aller Singer/Songwriterinnen ganz anders tönt als die klare, liebliche Anna, so scheint mir der Vergleich passender denn je. Das von Luniks Luk Zimmermann produzierte Album hat so etwas von grosser Freiheit und - schlichter Schönheit.
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