Hanery Amman: Der Beethoven aus dem Berner Oberland
14.2.2011/Text: Sandy, Bilder: Cornelia Stauffer
Dass in Frutigen im Berner Oberland gute Musik gedeiht, ist bekannt. Aber dass im Rustico-Music-Pub ein Club für Musikliebhaber jedes Alters eröffnet hat, haben vielleicht noch nicht alle wahrgenommen. Nebst den Konzerten der Medienstürmer Gustav und Marc Sway hat auch der gemütliche Musik-Montagabend seinen Anklang gefunden. Und mit Mundart-Legende Hanery Amman und seiner Band spielte jüngst einer der ganz Grossen dort. Rustico-Mitbetreiber Klaus Teuscher begrüsste ihn als „Beethoven vom Berner Oberland... In der Tag: Der Komponist verzaubert mit seinen eigenen Hits das Publikum. „Ohrwürmer, die zum mitsingen und ‚mitfüdele’ animieren“, wie der Bandleader treffend ansagt. Er selber scheint sich hier auf der Bühne sehr wohl zu fühlen, lebt das Spiel mit seinen Tasten aus und erlebt die Geschehnisse wie in einer Einheit mit dem Publikum. An diesem Ort hat er vor beinahe fünf Jahren am familiären Rustico-Open-Air sein Comeback nach einer längeren Pause gegeben. Das Dorf im Kandertal ist für Hanery ein Ort des Wiederkommens. „Frutigen ist nichts Neues für uns“, sagt der Blondschopf. Schliesslich habe er im Trio auch schon am legendären Country-Festival auf dem Flugplatz gespielt. Dass Aschi Maurer, der Macher vom damaligen Anlasses, heute auch im Publikum sitzt, ehre Hanery ganz besonders.
Hanery’s Sound ist eine Mischung aus einer Melodie und einer Harmonie; einem „lüpfigen“ Takt und einem Lied, das einem packt… So zumindest besingt er ihn selber in „Musig wos bringt“. Wie dieser Einklang entsteht, weiss er nicht: „Es spielt einfach.“ Und doch versucht er es zu definieren, eben mit seinen Worten: „Ich mache ein Gemisch zwischen rhythmischen ‚Gump-Esel-Figuren‘ auf dem Klavier und einem melodischem Kuss.“ Zusammengefasst nenne sich das „Rhythmischer Melodikuss“. Mit dieser Wortkombination verrät er uns sein persönliches Geheimwort, das in keinem Duden steht. Dabei denke er viel mehr an das Küssen, als an das Wort Melodie. „Musikmachen ist ein sinnlicher Vorgang“, gesteht der Verführer.
„Näbelschwade schtryche über ds wilde Wällemeer, wyt u breit keis Schiff in Sicht, veryset glänzt der Teer“, beschreibt Hanery im Song „Wasserfee“ die Kulisse, vor welcher sich die Geschichte abspielt. Solche Doppeldeutigkeiten zu erreichen, sei schwierig. Aber es gelingt ihm immer wieder. Nicht nur das macht die Kunst von Hanery aus, sondern auch die Asymmetrie in seinem Songaufbau. „Der Refrain muss nicht immer Schwergewicht sein, obschon das viel volkstümlicher ist und der Zuhörer dann etwas zum festhalten hat“, weiss der Komponist. Können ist, wenn es anders ist und trotzdem einfährt. Amman erklärt das so: „Es kann genau das Umgekehrte passieren, sodass der Refrain komplizierter ist als die Strophe. Dann verteilen sich die Gewichte anderes.“ Genau das ist für Hanery ein asymmetrischer Song. Stephan Eicher habe ihn übrigens darauf aufmerksam gemacht, dass der Hit „D’Rosmarie und i“ ein solcher ist. „Der Refrain hat musikalisch nämlich den tiefsten Level. Er resümiert nur, was vorher erzählt wird“, hat er herausgefunden.
„Isch es wahr, dass im Rägeboge jede sy Farb gseht?“, fragt Hanery im Song „Isch es wahr?“. Oft berühren seine Texte durch poetische Lebensweisheiten. Bescheiden, wie er ist, sieht er das eher relativ. Ihm selber imponiere viel mehr, dass seine Geschichten immer wieder neu aufleben und entdeckt werden. „Meine Songs haben eine gewisse Zeitlosigkeit“, stellt er fest. Die Lieder berühren bereits Generationen. Wichtig findet Hanery, dass man in seinen Liedern auch zu negativen Gefühlen stehen darf. Auch Zeitgeist-Fragen sollen Platz haben. „Ich habe manchmal das Gefühl, Anti-Drogen oder Vereinsamungs-Songs gibt es immer noch viel zu wenig. Solche Gefühle werden nur ausnahmsweise besungen“, stellt er fest. Am gemeinsamen Konzert mit Polo Hofer zur Einweihung des Amman-Hofer-Platzes in Interlaken, habe Polo gestanden, dass er sich zu alt fühle, um gewisse Songs live zu singen. Bis jetzt hat Hanery diesen Prozess noch nicht erlebt. „Der Text des Songs ‚Teddybär’ ist immer noch klassisch. Die darin beschriebenen menschlichen Verführungen haben doch in jedem Alter Platz“, sagt er strahlend.
Hanery ist ein wahrer Virtuose in seinem Fach, eine Philosoph im Erzählen, aber auch ein Kämpfer, der die Macken seiner Gesundheit immer wieder wegspielt. Bescheiden gibt er im Backstage und nicht auf der Bühne bekannt, dass er sich heuer mit 40 Jahren Bühnenpräsenz brüsten könnte. Nicht er selber habe dies gemerkt, er sei darauf aufmerksam gemacht worden. „Mir ist eigentlich egal, dass ich mich schon so lange mit diesem ominösen Geschäft beschäftige“, schmunzelt er und betont das Wort „ominös“ mit einem Augenzwinkern. Verleidet sei ihm sein Job noch nie. Aber es sei schon weniger schön, dass der grösste Teil der Präsenzzeit eines Musikers gar nichts mit Musik zu tun hat. Bei Gigs wie dem in Frutigen gehe es dafür nur um die pure Freude. „Die direkten Reaktionen sind das Ehrlichste am Live-Spielen“, sagt Hanery. Daraus ergebe sich ein spontaner Austausch zwischen Musiker und Publikum. „Das ist ein Ritual, ein Deal und das Seelenbalsam für beide Parteien, worüber keine kaufmännische Auswertung geführt werden kann“, würdigt er den Sinn seines Schaffens.