Bagatello: Mehr als ein Gurten-Phänomen

Text: Sandy
Bilder: Partyguide.ch
Bagatello am Gurtenfestival 2008
Wenn bereits am frühen Sonntagmorgen ein Gerangel unten bei der Gurtenbahn-Station ist, startet der vierte Festivaltag sicher mit einem internationalen Headliner. Mit einer Band, die mindestens einen musikalischen Welthit gelandet hat. Nicht so am letzten Tag der Gurtenausgabe Nummer 25. Das Zugpferd dieses Vormittags soll sich Bagatello nennen. Kaum Instrumente auf der Bühne. Und anstatt Rocker in einer Lederkluft, kommen fünf Männer in weissen Kostümen auf die Bühne, ähnlich gekleidet wie Zirkusartisten. Sie bringen mit ihren Sprüchen das Publikum sofort zum Lachen und singen auf eine witzige Art bekannte Lieder, im Chor oder auch solo. Sie geben kein Konzert, sondern bringen eine Show, bei der jeder Spruch und jede Bewegung sitzt. Sie lassen die Besucher auswählen, welchen Song sie hören möchten. Und sie schaffen es, tausende von Menschen zum absitzen zu bringen; genau dann, wann sie es wollen. Die singenden Schauspieler kommen aus der Schweiz, heissen Bagatello und dieser Name kann eher von Phänomen, als von Bagatelle abgeleitet werden.
Bagatello am Gurtenfestival 2008
„Ja, auch Festivalmacher Philippe Cornu hat uns vorhin als das Sonntagmorgen-Phänomen betitelt“, sagt Grosi der zusammen mit Adi fast den ganzen Nachmittag auf einer Talk-Tour ist „So viele Besucher bereits am Sonntagmorgen, das kennt man von uns - und etwas funktioniert hier ganz speziell“, schwärmt Grosi, das Unikum der Gruppe, weiter. Auch Adi ist begeistert von ihrem Erfolg: „Nein, es ist keine Sonntagspredigt. Wir wollen einfach die Leute unterhalten und eine Show bieten“, erklärt er das Erfolgsrezept von Bagatello - und auch er kommt ins Schwärmen: „Es ist eine Riesenparty, die Leute haben Freude - einfach unglaublich schön.“ Sogar die Aufbaucrew von Herbert Grönemeyer sei während ihrer Arbeit stehen geblieben, habe vom Backstage aus zugeschaut und mit gelacht.
Bagatello am Gurtenfestival 2008
Der Erfolg auf dem Gurten ist bereits der zweite innerhalb vierundzwanzig Stunden von Bagatello. Sie reisten nämlich direkt aus Deutschland an. Dort konnten sie beim „Fest in Karlsruhe“, einem grossen Gratis-Openair, auftreten. Der Anlass sei fünfmal grösser als das Festival auf dem Berner Hausberg. Dort habe es auch drei Bühnen, aber anstelle der Waldbühne gebe es eine Stage extra für Comedy-Aufführungen. „Das war in dieser Formation der erste öffentliche Auftritt ausserhalb der Landesgrenze“, klärt Adi auf. Grosi verrät, wie sie zu einem solchen Engagement gekommen sind: „Wir haben einfach gefragt und sie haben ‚ja‘ gesagt.“ Diese Show sei für sie eine grosse Ehre gewesen. Ihr Jukebox-Programm wurde dafür extra auf Deutschland adaptiert. Der Veranstalter habe mit hundert bis zweihundert Besuchern gerechnet, zugeschaut haben schlussendlich 1500 begeisterte neue Fans.
George und Slädu zu Gast bei Bagatello am Gurtenfestival 2008
Nach diesem ersten Erfolg im Ausland liegt es nahe, dass Bagatello nun unserem kleinen Land den Rücken zugekehren könnten. Grosi ist unter einer Bedingung einverstanden: „Ja gerne, wenn du mir einen Helikopter zur Verfügung stellst.“ Mit dem Deutschland-Abstecher sei ihm nämlich bewusst geworden, wie mühsam und zeitaufwendig Reisen sein kann. Er zeigt sich aber doch offen: „Wir wehren uns im Moment gegen nichts. Aber dass wir jetzt das Ausland suchen, wäre übertrieben.“ Und eigentlich müssen sie ja gar nicht so weit fahren, der Erfolg liegt ihnen hier buchstäblich vor den Füssen. Adi sagt stolz: „Der Schweizermarkt läuft momentan so gut, dass wir uns überlegen, die aktuelle Jukebox-Tour zu verlängern.“
Bagatello am Gurtenfestival 2008
„Ob, wann, wie und wo das nächste Programm kommt, dass wissen wir nicht, und wir mögen es auch noch nicht bestimmen“, sagt Adi über ihrer Zukunft. Sonst könne man den Moment gar nicht mehr geniessen, sondern habe die Gedanken bereits bei neuen Sachen. Sie seien jetzt schon beinahe zehn Jahre gemeinsam unterwegs und da sei auch mal eine Pause angesagt, um sich zu regenerieren und zu erholen. Und trotzdem gehen sie jede Show mit vollem Elan an. Natürlich sei es manchmal schwierig nach über neunzig Auftritten, vollen Einsatz zu geben und immer noch frisch zu wirken. Aber es passieren immer so viele Sachen zum Lachen, es sei einfach nur „geil“. Adi sieht es auch wie ein Geschäftsmann: „Als Profi stellst du an dich den Anspruch, den zahlenden Leuten vorne die beste Show zu zeigen.“
Bagatello am Gurtenfestival 2008
Zu guter Letzt begrüsst Bagatello auf der Gurtenbühne den Gitarristen „Slädu“ Perica als Überraschungsgast. Die Integration vom Instrumente zu ihrem Acappella-Gesang sei für die Truppe nicht neu. „Wir machen ja nicht nur Bagatello, sondern wir spielen auch Musik. So pflegst du auch den Kontakt zu dieser Welt“, erklärt Grosi und sagt weiter: „Wir sind ja eigentlich alle eine grosse Familie. Zwar spotten wir auf der Bühne über Francine Jordi oder Baschi. In Wirklichkeit mögen wir ihnen aber den Erfolg von Herzen gönnen.“ Er kennt die Szene hier sehr gut: „Als Schweizer Künstler hast du es sowieso schwer, und wenn du auf andere neidisch wirst, bist du ein Volldepp.“ Auch dem Seeländer George ermöglicht Bagatello ein Gastspiel auf der grossen Bühne. Zusammen haben sie seine Hymne „Hie by i daheim“ neu aufgenommen. Solche Sachen sind für Grosi wichtig: „Wenn du gerne Musik machst, kannst du dich mit Neuem weiterentwickeln, dabei kommst du einen Schritt vorwärts und das bereichert das Herz.“ Unzählige Fragen hat Grosi schon beantwortet, nun hat auch er einen Wunsch frei, etwas loszuwerden, was er schon lange mal sagen wollte: „Ich fände es schön, wenn wir einmal als eine etablierte Gruppe auftreten könnten und nicht immer den Part als Überraschungsact übernehmen müssten. Immer wieder sollen wir unser Können beweisen, dass stresst mich manchmal.“
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