Bagatello sind die wahren Superschwiizer
Text: Ko:L
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musicbild.li Es war ein echtes Feuerwerk, welches die fünf A-Capello Comedians von Bagatello am 3. März im Berner Bierhübeli zündeten. Zum 160. und letzten Mal präsentierten sie ihr Knast-Programm „Unbedingt“ live on stage, rund 100'000 Leute hatten in den letzten 18 Monaten das Programm schon besucht. Zahlen, die für vergleichbare Formationen in der Schweiz rekordverdächtig sind. Aber eben: vergleichbar sind Bagatelo mit niemandem. Das haben die Jungs auch an der letzten Knast-Show im Bierhübeli bewiesen: Spans Schöre Müller, Frauke und Klaus von Schnulze und Schnulze und „Musicstar“ Slädu waren Überraschungsgäste auf der Bühne. Als ob diese Gäste und das obligate Bagatello-Klamauk-Feuerwerk nicht schon genug gewesen wäre machten sich die Fünf, ihr Technikerteam und das Managemet einen Spass daraus, sich selber auf die Schippe zu nehmen: Zugenähte Mantel-Ärmel, manipulierte Knast-Uniformen und eine „Transenshow“ waren die Folge – und damit über drei Stunden Lacher an Lacher!
Wer jedoch glaubt, Adi, Amadeus, Grosi, Pädi und Simu hätten nach diesem Marathon die Schnauze voll von Knastkostümen und nehmen sich jetzt eine Auszeit, hat weit gefehlt. Zwar wrden die Kostüme der fünf im Internet versteigert – aber nicht etwa einfach, weil sie ihre bunten Knast-Kleider weg haben wollten: „Wir planen eine Spezial-DVD auf den Start der neuen Tour“, verrät Grosi, „und dachten, das wäre eine gute Möglichkeit, diese DVD mit zu finanzieren.“ Denn: „Zwischen der Tour ist bei uns die Liquidität auch nicht wahnsinnig grandios“, gesteht der blonde Wirbelwind. Und deutet damit an, dass der Traum vieler, von der Musik leben zu können, „wahnsinnig schönt ist“, aber auch Schattenseiten hat. Alle fünf Bagatellen leben zwar heute von ihrer Musik – doch sobald eine Tour fertig ist, ist auch fertig mit verdienen. Keine Einnahmen aus CD-Verkäufen, keine Suisa von Airplays, keine Tantiemen. „Ticketverkäufe und Sponsoring sind unsere einzigen Einnahmequellen“, erklärt Grosi. Nicht zuletzt deshalb arbeiten Bagatello schon seit neun Monaten am neuen Programm, mit dem sie ab nächstem Herbst bereits wieder unterwegs sind. „Gerade die letzten zwei Monate waren brutal intensiv“, sagt Grosi, „die Arbeiten am neuen Programm laufen auf Hochtouren und gleichzeitig wollten wir bei jeder 'Unbedingt'-Show noch alles geben, damit die Leute auch wirklich etwas für ihren Eintritt erhalten.“
Mit dem neuen Programm „Jukebox – You say what we play“ sind die Jungs bereits ab 30. August wieder unterwegs und werden – diese Prophezeiung sei hier gewagt – einmal mehr Massstäbe setzen. „Es mit 'Jukebox' fast unmöglich, dass jemand zwei gleiche Bagatello-Konzerte erleben wir, mit den gleichen Songs“, mutmasst Grosi. Denn: Das Publikum entscheidet, welche Songs Bagatello singen. „Es werden gegen 30 Songs zur Auswahl stehen und wir singen pro Abend etwa 17 Stück. Welche es sind, liegt allein in der Hand des Publikums.“ Auch wenn es Programmteile gibt, die fix sind, erreichen Bagatello mit ihrem Programm eine neue Form von Komplexität – und Grosi ist sich wohl bewusst: „Zu fünft könnten wir all dies nicht mehr bewältigen. Regie, Choreographie, Arrangement oder Management – da ist ein ganzes Team, das mithilft, unsere Ideen und Visionen zu verwirklichen! Ohne dieses Team wäre es unmöglich, zu tun, was wir heute tun.“ Und für diese Jobs holen sich die fünf auch ausgefuchste Profis. Die Arrangements beispielsweise werden für „Jukebox“ von Ikone H.P. Brüggemann gemacht...
„Keiner ist ausgebrannt“, versichert Grosi. „Wir sind froh, ist die Tour vorbei, weil das neue Programm drängt, aber that's it.“ Denn er weiss, dass Bagatello einzigartig ist. „Manager Tom Metzger hat uns gesagt, wir seien viel zu strukturiert für eine Band, zu wenig chaotisch. Aber Comedians sind wir auch nicht; das hat uns Marco Rima besätigt.“ Damit sind Bagatello quasi konkurrenzlos – und können sich immer wieder neu definieren, wie Grosi sagt. Die Ausdauer sei einer der Hauptpunkte, die Bagatello von anderen Formationen unterscheidet, glaubt Grosi: „Wir haben Konflikte ausgetragen und damit nicht jeweils die Existenz der Gruppe in Frage gestellt, sondern Konflikte als Konflikte betrachtet – und grundsätzlich als etwas mit Potenzial, aus dem Neues und Besseres entstehen kann.“ Anders als bei anderen Gruppen hat bei Bagatello bis jetzt keiner das Gefühl gehabt, er komme immer zu kurz und ist deshalb frustriert ausgestiegen. Und nicht zu letzt dazu, dass keiner der Jungs auf einem Egotrip landet, haben Bagatello einen Mentalcoach, der sie auch immer mal wieder auf den Boden der Realität zurück holt. Oder Freunde: „Slädu hat mir gerade jüngst gesagt, wie wichtig bei uns das Ensemble sei“, erzählt Grosi, „zusammen seid ihr eine Wucht und fast unschlagbar. Sobald ihr alleine was machen wollt, seid euch bewusst: Die anderen vier fehlen; ihr seid alleine nur noch zwanzig Prozent.“ Und wenn jemand wissen muss, wie schwierig es ist, nach einer erfolgreichen Band-Karriere eine Solo-Karriere zu lancieren, dann sind es die ehemaligen Mitglieder der „Gölä-Family“...
Ein weiterer Grund, warum Bagatello sich immer noch riechen können – und schon wieder geil darauf sind, mit dem neuen Programm die Bühne zu stürmen – ist wohl, dass sie sich Zeit nehmen, Entscheide zu fällen; sofern die Zeit da ist und die Situation es erfordert. „Wenn wir in einer Sache mit drei zu zwei stehen, und einer der zwei Unterlegenen überhaupt nicht und auf gar keine Art und Weise und um gar keinen Preis mit diesem Entscheid leben kann, hat er das Recht, zu verlangen, dass wir später, nach zwei Tagen oder zwei Wochen noch einmal auf den Entscheid zurückkommen. Ist die Situation unverändert, gehen wir damit zum Management und das entscheidet endgültig. So können wir uns nicht zuletzt auch vor uns selber schützen“, erklärt Grosi die manchmal langen Entscheidungswege. Aber: So schützen sich Bagatello vor grossen Fehlern, in dem sie zwar lange Wege gehen, dafür aber Entscheide fälle, hinter denen alle stehen. Und damit wären wir bei den Super-Schweizern des Titels: „Wir sind die Super-Schweizer – den Schweizerischen Kompromiss könntest du als Untertitel für Bagatello nehmen. Wir wollen zwar auf der Bühne polarisieren – aber sind hinter der Bühne sehr sehr sehr ausgeglichen.“