Bligg: „Ich bin mir der Schwere meines Wortes bewusst“
Text: Ko:L
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musicbild.li „Wänn all so abgöhnd wie de Mänu, dann chunnts guet hüt Abig“. Bliggs Wunsch sollte erhört werden; die Post ging ab bei seiner Show im Mokka zu Thun – und Mänu begleitete sein Idol bis nach der Show ;-) (siehe unten...). „Das ist das grosse Plus von Klub-Shows“, meinte Bligg nach dem Konzert, „alles ist viel persönlicher, ich kann viel mehr auf die einzelnen Leute eingehen, als an einem grossen Festival mit einem Meer von Zuschauern.“ Wohl sei es cool, seine Statements an grossen Konzerten zwischendurch mal anzubringen, ist Bligg überzeugt. „Aber es kommt nie so an wie im intimen Rahmen eines Klubs wie das Mokka einer ist.“ In der Tat kokettierte der Zürcher Musiker gestern geschickt wie ein ganz grosser mit dem Publikum, entertainen, zuhören, aufnehmen, zurückgeben und bisweilen auch eine Message mit echtem Inhalt platzieren – das offensichtlich sein Ding. Als eine Handvoll Thuner „Scheisszüri!!!“ durchs Mokka schrien, war so ein Moment gekommen, um eine dieser Messages zu platzieren: „D'Schwiiz isch susch scho chliin gnueg, ich glaub nöd, dases da Platz hät für Kantönligeischt“, machte Bligg klar. „Solche Sachen kann ich nicht einfachso erzählen – sondern wenns wirklich passt und die Leute fühlen können 'Hey, dem ist ernst; der schnorrt nicht einfach irgendwas daher'“, erklärte er nach der Show. „Wenn du sonst solches Zeug rauslässt, kommen die Leute garantiert auf die Idee, 'Das sagt er jetzt nur, weil er auch ausserhalb Zürich CDs verkaufen will'...“
Authentizität – ein hässliches Wort, das bei Bligg ganz gross geschrieben wird; auch beim Songwriting. „Dani's Story“ etwa erzählt die Geschichte von einem jungen Mann, der alleine für seine Tochter sorgen muss, in finanzielle Schieflage gerät und diese mit Drogendeal wieder ins Lot zu bringen versucht – mit dem Resultat, dass ihn seine Schickimicki-Kunden nacht einer Razzia verpfeifen und er in Knast landet. „Dani lebte in meiner Nachbarschaft“, erzählt Bligg, „und die Geschichte ist eine Kombination zwischen ihm und einem meiner besten Freunde, der ein Kind hat. Ich habe diese beiden Schicksale zu einem zusammen gegossen und den Song daraus gemacht.“ Wohl gibt es freier und weniger frei erfundene Geschichten auf Bliggs CDs. Tina, die penetrante Kifferbraut in „Ponx it Pon me“-Remix auf Okeydokey, hat beispielsweise so nie existiert – auch wenn Bligg schon so ähnliche Szenarien erlebt hat. „Aber ich bin mir der Schwere meines Wortes sehr wohl bewusst und möchte es niemandem antun, ihn direkt in einem Song so blosszustellen.“ Einzige Ausnahme: „Angela“ für seine Mutter. „Der ist wirklich wirklich wirklich persönlich und identisch.“ Ansonsten ist Bligg halt vor allem der Beobachter, der wiedergibt, was er im Leben feststellt. „'Dokter, Dokter' etwa... Ich bin nicht der Typ, der durchs Leben geht, im Glauben, alle Bräute stehen auf ihn. Aber wenn du dich umschaust – ich meine, diese Momente kennt jeder Mann. Und es gibt Frauen, die ziehen sich halt auch noch entsprechend an... Und das hab ich halt aufgegriffen.“
Vor allem anderen kommt für Bligg aber das Entertainment, die Unterhaltung. „Es bringt nichts, einen auf Gangster zu machen – und wenn man ein bisschen was im Hirn hat, kann man versuchen, etwas bringt, das den Leuten auch bleibt.“ So ist Bligg denn auch nicht der klassische „Chäpplibuebe“-Rapper, der sich in irgendwelchen Klischees festmachen lässt. Berührungsängste mit anderen Stilen – Pop und Rock – kennt Bligg nicht; was dazu führt, dass er frech und unverfrohren Stilgrenzen aufmischt und überwindet. „Das kommt bei mir aus einer geistigen Einstellung bei mir. Ich bin extremer Gegner von Schubladisierungen aller Art“, begründet Bligg. „Das ist wie wenn man gewisse Rassen abstempelt. Diese Kategorisierung hat für mich zu teil fanatische Züge, vergleichbar mit gewissen rechts- oder überhaupt extremen Strömungen.“ Das sei der Grund, weshalb er versuche, den Rahmen bisweilen zu sprengen – im Bewusstsein, dass er dadurch da und dort an Glaubwürdigkeit einbüsst. Kommt dazu: „Ich bin auch musikalisch ein sehr offener Mensch. Pop, Rock, Soul – egal was es ist: Gute Musik ist gute Musik – und diese Einflüsse will ich in meinen Sound einfliessen lassen.“ Also nicht einfach Rapper, nicht einfach Musiker, nicht einfach Entertainer – sondern: Bligg!
Eine Haltung, die zwar innerhalb der Szene weit verbreitet ist – es gibt in der Schweiz unzählige Künstler, die sich partout nicht in Schubladen stecken lassen wollen – die aber hohe Ansprüche an die Konsumenten stellt. „Logisch geht’s mir auf den Sack, wenn ich immer erklären muss, warum ich mache was ich mache. Aber am Ende sind für mich jene Künstler die erfolgreichen, die sich weiterentwickeln, nicht resignieren und stehen bleiben und vielleicht dadurch Ecken und Kanten haben.“ Nicht zuletzt auch deshalb hat Bligg sich im letzten Herbst entschieden, bei MobileAct als Coach teilzunehmen. „Ich habe das Glück, mit meinem Material Leute zu erreichen, ich kann Konzerte geben und sogar die CD interessieren doch noch ein paar Leute. Aber es gibt Tausende andere Künstler und Bands, die an ihrem Zeugs arbeiten und möglicherweise noch zwanzig Mal besser sind, als ich oder andere. Darum find ich Plattformen wie MobileAct interessant.“
In den letzten fünf Jahren hat die Zürcher Sound-Maschine sage und schreibe fünf Tonträger veröffentlicht – und im Frühling ist der nächste angekündigt. Der „Voruulueger-Typ“, wie sich Bligg selber auch bezeichnet, hat bei all dem kreativen Output weniger Angst davor, irgendwann leergeschrieben zu sein, als dass die Leute irgendwann sagen. „Oh nein, nicht schon wieder...“ - „Ich will mich nicht mit den Beatles oder Prince vergleichen – aber das sind kreative Leute; auch Jay-Z. Und wenn du deren Discographie anschaust, dann ist immer was gelaufen; ein Livealbum oder sonst was. Und schlussendlich leben wir auch in einer Zeit, in der schon dein Comeback angekündigt wird, wenn du erst nach drei Jahren wieder ein Album veröffentlichst. Darauf habe ich keine Lust – bei uns ist immer was am laufen. So lange der Akku läuft, ist das schön!“