Bligg - Rap geht auch anders!
Text: Monthy
Bilder:
PartyGuide.ch/Trespass
Bliggs neues Album "Yves Spink" ist dem Namen nach einem bunten Hund aus dem Zürcher Nachtleben gewidmet, einem absoluten Original und Exzentriker. Nur logisch, dass ich vom vielleicht vielseitigsten Rapper der Schweiz wissen will, ob er denn selbst auch exzentrisch sei. Bligg: "Ich bin nicht wirklich ein Exzentriker und auch keine exzessive Person. Es ist auch nicht so, dass das Album ihm gewidmet ist, dafür wäre es mir dann doch zu schade. Ich habe seinen Namen als Aufhänger fürs Artwork und die Aufmachung der neuen CD benutzt. Es ist an die 50er, 60er Jahre angelehnt und wir haben einfach ein Zürcher Pendant zu all diesen Frank Sinatras und wie sie alle geheissen haben gesucht. Ein Typ, der auch mal verrückte Aktionen durchzieht, beispielsweise von einem Tisch herunter einen Kopfsprung in ein Champagnerglas macht. Ich habe diesen legendären Sprung sogar einmal gesehen. Er macht ihn immer noch... Ich will aber nicht allzu sehr auf ihn als Mensch eingehen. Er ist einfach ein Lebemann, der zwischendurch deftig über die Stränge schlägt, aber dann auch wieder mit einer Portion Charme auffährt. Das macht ihn glaube ich aus."
Und da fällt mir gleich noch ein fremdwortiges Adjektiv ein, das vielleicht ein bisschen besser zu Bligg passt, nämlich "subtil". Bligg alias Marco Bliggensdorfer fragt nach wie ich das genau meine und ich definiere es als "nicht immer mit der Tür ins Haus fallen, vielmehr Dinge in den Raum stellen und die Leute selbst auf den richtigen Gedanken kommen lassen." Das findet Bligg durchaus passend: "Das kann man schon so sagen. Das ganze ist Entertainment, ich bin Musiker. Viele Dinge sind aus dem realen Leben genommen, aber es wird natürlich mit ironischen Zusätzen aufgepeppt. Es verhält sich vielleicht ähnlich wie bei einem Schriftsteller, der Geschichten erzählt. Fetzen davon müssen sie tatsächlich selbst erlebt haben, um darüber schreiben zu können. Was aber nicht heisst, das alles autobiografisch sein muss. Sie ziehen dann halt gewisse Erfahrungswerte aus ihrem Leben heran und bauen sie in ihre Kunst ein. Das ist bei mir genauso."
Und das macht Bligg so gut, dass ich es - anders als bei vielen anderen Hiphop-Acts - nicht als Cliché empfinde, sondern vielmehr als Spiel mit dem Cliché. Bligg plaudert aus der Beat-Box: "Wenn ich mit einem Cliché spiele, merkt man das recht gut bei mir. Auf dem letzten Album habe ich zum Beispiel einen Song mit Namen 'Dokter Dokter', in dem es darum geht, dass die Frauen auf mich fliegen. Das ganze ist völlig überspitzt. Und das merkt man auch. Ich bin kein Rapper, der aus einer Wohnblocksiedlung kommt und erzählt, er stamme aus dem Ghetto und solche Sachen. Ich denke, meine Texte entsprechen der Realität. Ich habe sehr tiefgehende Sachen, wie etwa einen Song über meine Mutter. Das sind keine Clichés sondern mein reales Leben."
Bliggs Songtexte erstaunen mich oft. Vielleicht weil ich es ihm anfangs nicht zugetraut hatte. Als er zusammen mit Lexx anfing, schienen die beiden unter den Rappern der ersten Stunde eher New School zu sein. Oder wie soll ich das sonst schreiben, ohne die Worte "oberflächlich" und "Poser" zu gebrauchen? Nach seinem Mix-Tape "Okay Dokey", dem Album, das den Jugendwahn im Kampf um das junge Publikum regelrecht krönte, scheint er mir aber viel erwachsener. Bligg gefällt meine Einschätzung: "Es ist schön, wenn du das so empfindest. Für mich ist es ein Kompliment. Zu Bligg&Lexx-Zeiten war ich ein-, zweiundzwanzig. Mittlerweile bin ich ein bisschen älter und es wäre schade, wenn ich mit dreissig noch die genau gleichen Raps machen würde wie damals. Das ist der menschliche Teil davon. Die andere Seite ist die künstlerische. Mein Zeugs ist viel musikalischer geworden, ich habe versucht, all die Erfahrungen, die ich über die Jahre - auch bei anderen Acts - aufsaugen konnte, umzusetzen und in meinen Songs zu transportieren. Das ist ein bisschen wie bei einem Maler. Er fängt mit einer Bleistiftzeichnung an, greift später zu Buntstiften und bringt Farbe rein, irgendwann kauft er sich einen Malkasten. So hebt er seine Kunst nach und nach auf ein höheres Level und das war auch mein Ziel. Es ist schön, wenn Leute wie du das dann auch so empfinden." Wobei ich mich vielleicht in meiner Einschätzung auch vom klassisch geschnittenen Anzug im Booklet zu "Yves Spink" habe verleiten lassen... Bligg: "Das kann durchaus sein. Wir wollten diesen Look der 50er, 60er Jahre zum Ausdruck bringen und dazu gehört auch ein bisschen Stil. Ich finde es aber nicht weltbewegend, wenn jemand wie ich mal im Anzug daher kommt. Das machen zig andere Rapper auch. Es ist Mode, Mode ist ein Teil der Musikwelt, speziell im Rap."
Und das geht natürlich noch weiter. Nicht nur die Mode beeinflusst Bligg sondern auch die Aktualität, die Gesellschaft und so weiter. Bewiesen hat er das zuletzt mit einem Love-Song über 10vor10-Moderatorin Susanne Wille. Dass er damit trotz harmlosem Thema ähnlich viel Aufsehen erregte wie beispielsweise Gimma mit seinem Politiker-Schlacht-Song beeindruckt mich gewaltig. Bligg äussert sich dazu überlegt und entwaffnend ehrlich: "Was andere Musiker machen, ist deren Bier. Wenn's bei Gimma so ist, dass sein Song für einen Medienhype gesorgt hat, mag das gut für ihn als Künstler sein. Man darf aber nicht vergessen, dass Rap immer noch ein Transportmittel für Messages ist. Wenn Gimma eine politische Haltung hat zu einem Thema und das kundtut in seiner Musik, dann macht er eigentlich nichts anderes als Musik. Zig andere Künstler machen das auch. Wenn es zu medialen Wellen führt, dann ist das einfach so. Ich werde in Radiointerviews oft gefragt, ob das mit Susanne Wille nicht einfach ein Promogag von mir war? Da muss ich sagen, 10 + 1 Punkte für dich und dass du es heraus gefunden hast. Aber schlussendlich lebt das Geschäft davon. Bei Gimma war es tatsächlich so, dass seine politische Message rüber gekommen ist. Bei mir war es so, dass ich einfach ein Thema aufgegriffen habe, nämlich das des einsamen Typen, der immer zuhause vor der Glotze sitzt und eine Beziehung zu einer Nachrichtensprecherin aufzubauen beginnt. Ich wollte diese Verarmung im heutigen Informationszeitalter, wo man sich weniger trifft und oft nur noch via Chat und digitale Ebenen mit anderen kommuniziert, aufgreifen und aufzeigen. Dass es so hohe Wellen geschlagen hat, liegt scheinbar auch an Susanne Wille und dem Sendeformat 10vor10 und dessen Bedeutung."
Nun ist es aber nicht so, dass Bligg keine politische Haltung hätte oder sich einem Tabu unterwirft. Auch auf dem aktuellen Album ist mit "Volksmusig" ein Track drauf, der mich sofort an die SVP denken lässt - allerdings ein bisschen zu unrecht... Bligg: "Der Song handelt nicht eigentlich von der SVP. Als mein Album rauskam waren Stress und Gimma ziemlich in den Medien wegen dieses Streits. Ich habe ja vor Jahren mit Stress schon einen Song in diese Richtung aufgenommen, mit Namen "Fuck Blocher". Das war die erste politische Message, die wir abgegeben haben. Damals waren aber die einzelnen Acts noch nicht gross genug, um solche Wellen zu schlagen. Das hat sich mittlerweile geändert. Im Song 'Volksmusik' geht es mir mehr darum, den Leuten zu zeigen, dass Rap nicht gleich Gewalt, nicht gleich Scheisse ist. Rap ist nicht einfach nur schlecht für die Jugend. Er ist kultureller Hintergrund und kennt viele Formen, hat viele Facetten - Tanz, Grafische Kunst, Musik, Mode - alles in einem. In den Medien hiess es aber nur noch: schlecht, schlecht schlecht. Und das geht nicht. Deswegen habe ich 'Volksmusig' geschrieben. Es ist so, dass Künstler wie ein Stress, ein Gimma oder ich hoch in den Charts stehen, Headliner an Openairs sind und viele Leute ziehen - trotzdem werden unsere Songs am Radio nicht gespielt. Das ist die Hauptthematik im Song und ich wollte den Leuten einfach die Augen ein bisschen öffnen."
Es ist demnach nicht erstaunlich, dass sich viele Hiphop-Acts um echte Aussagen drücken und lieber im Party- und Representer-Rap mitschwimmen. Ist es vielleicht auch eine Chance für Acts à la Black Tiger oder Tenor, die Hiphop auch als - überrissen ausgedrückt - Mittel zur Verbesserung der Welt sehen? Bligg: "Es liegt an den einzelnen Künstlern. Ich stimme absolut mit dir überein. Es gibt viele Acts, die Scheisse machen und darunter leiden die anderen dann auch. Das ist das Ausländersyndrom. Mein Grossvater kam zu seiner Zeit aus Italien, um hier zu arbeiten. Ein paar haben für Radau gesorgt - also hat es geheissen: Italiener machen nur Stunk! Es ist schade, wenn Leute sich Mühe geben, etwas Positives erreichen wollen und nur weil einige Mist machen, dann doch mit denen in einen Topf geworfen werden. Das gleiche gilt im Rap." Die Macht haben aber nicht nur die Musiker, sondern auch die Leute, die die Produkte schliesslich kaufen, oder? - "Klar, das geht alle an. Schlussendlich ist Rap ein Spiegel für diese Gesellschaft und die sozialen Umstände. Wenn also jemand wie 50Cent darüber rappt, dass er Drogen verkaufen musste - beim einen oder anderen Act ist das vielleicht tatsächlich nur eine Promo-Aktion. Aber das macht nicht Rap sondern unsere Gesellschaft. Früher gab es Gladiatorenkämpfe, wo zig tausend Leute zuschauten, wie sich einige gegenseitig die Schädel einschlugen. Das menschliche Verlangen ist schier unersättlich. Wieso sonst siehst du auf jeder Titelseite eine möglichst knapp bekleidete Frau? Dafür kann nicht der Rap als Sündenbock hinhalten - es findet im Mensch drinnen statt..."