Bonaparte gewähren intime Einblicke
Text/Bilder: Monthy
Ausgeflippt wäre noch untertrieben! Signorino TJs Ensemble Bonaparte setzt besonders live neue Massstäbe in Sachen Show. Zwar sind Masken an sich nichts Neues - Lordi oder Sido lassen grüssen... Die ultimative Mischung aus Sergeant Peppers Lonely Heart Band und den Sex Pistols bieten jedoch Seelenstriptease vom Feinsten. Ob der echt ist oder auch nur Show sei mal dahingestellt, weil es gar keine wirkliche Rolle spielt. Das Feuer der Protagonisten auf der Bühne ist es allemal und dementsprechend nehmen die vier Herren auch im Interview kein Blatt vor den Mund. Nur - was heisst hier Interview... Der konzeptionelle Trash-Talk zwischen Monthy und Bonaparte findet schlussendlich während des Umziehens in der Wohnwagen-Garderobe der Band statt und entfaltet sich nun als massives Chaos auf meinem Diktiergerät vor mir. Intimste Einblicke in eine Band, bei der nur eh Insider den Durchblick haben können...
Bonaparte gibt es live in drei verschiedenen Formen. In minimaler Besetzung als Trio, als Band in vierköpfiger Stärke sowie mit Zirkus und Hasen. An diesem 19. September im Helsinki allerdings ohne die letztgenannten, was ich als Einstieg in den Talk verwende und Bonaparte meine Enttäuschung vermittle, als ich die Info "ohne Zirkus und Hasen" im Mail gelesen hatte. Tastenmann Cäsar alias Der Gestreifte ist nicht gewillt, mich deswegen zu trösten, ist er doch seines Streifenanzugs wegen im Stress. Mit reichlich Understatement schreiben Bonaparte auf ihrer Homepage zum Auftritt als Band, dass sich da vier Typen auf der Bühne an ihren Instrumenten festhielten, um nicht einzuschlafen. Bandleader Tobias zum Wahrheitsgehalt der Aussage: "Das wirst du dann sehen. Aber eigentlich kannst du dich glücklich schätzen, dass du uns im Band-Lineup siehst. Das ist nämlich viel seltener. Im Moment wollen alle nur den Zirkus..." Cäsar trägt nun doch seinen Teil zum Garderoben-Talk bei und meint auf meine Rückfrage, ob also der Zirkus eigentlich normal sei: "Ich habe jetzt ganz andere Probleme..." Tobias, der unter dem Namen Signorino TJ lange alleine unterwegs war und sich das Chaos wohl noch mehr gewohnt ist als seine "Compatriotes" klärt mich auf, während er sich schminkt: "Er verliert immer seine Streifen. Er ist ja ein Valiumpatient, den wir aufgenommen haben in unsere Selbsthilfegruppe. Dann sieht er jeweils die 'Streifen' auf der Klaviatur und meint, dort habe er sie also liegenlassen. Karos mag er übrigens überhaupt nicht - vor denen hat er eine totale Phobie..."
Während ich Cäsar frage, ob er trotzdem zuversichtlich sei für den heutigen Abend strahlt er mich an und meint: "Ich habe sie ja jetzt..." Tobias bietet mir währenddessen ein Stück Chili-Käse an, das ich mit den Worten "Gerne nicht" zurückweise. Trotzdem muss ich den Container noch nicht verlassen, schliesslich sind wir ja nicht bei Big Brother - angedroht wird mir allerdings die "Penis-Guillotine"... Ich versuche mich erneut als Fragesteller, obwohl ich mich schon fühle wie der Rufer in der Wüste. Unser Review-Verfasser hatte Bonaparte ziemlich treffend als Mischung aus Übermut und Grössenwahn betitelt. "Übermut kannst du getrost weglassen", weist mich der Bandleader fürs nächste Mal an.
Ich will wissen, ob sich darin auch der Grund für die Wahl des "narzistischen" Namens verstecke? Die Jungs wehren sich gegen meine Beschreibung, die ich mit Napoleon begründe, der ja nicht gerade für seine Bescheidenheit Berühmtheit erlangte. Tobias interpretiert die Geschichte lieber neu: "Nein, nein... Napoleon war für die Armee und hat sogar mit seinen Soldaten geschlafen." Bassist Carlos, eigentlich ein Deutscher, antwortet mir in englisch: "Das ist doch ein sehr gut tönender Name - und dazu noch sexistisch... Bona-Parte..." Sprich: Das gute Teil - auch eine Interpretation, die Tobias aber nochmal toppt: "Boner Party... Boner - für alle Unwissenden - ist ein erregtes Glied..."
Cäsar hängt immer noch an der Napoleon-Aussage und weist daraufhin, dass dieser, wenn er mit seinen Soldaten geschlafen habe, also homosexuell gewesen sein müsse. "Bonapartes" Antwort: "Ich kann nichts dafür. Ist Schicksal... können wir das rausschneiden?" Können wir natürlich nicht. Das Chaos im Umkleideräumchen ufert aus. Mein nächster Versuch, eine intelligente Frage mit Stuss beantwortet zu kriegen, wird von Tobias Hinweis unterbrochen, "...dass von allem, was wir sagen immer das Gegenteil als Wahrheit angenommen werden muss." Ich kombiniere, dass wenn die Leute das auf diese Aussage von Signorino anwenden würden, sie beim Gegenteil vom Gegenteil landen würden. Tobias: "Das Problem ist ja: Ich sage etwas und die anderen nehmen das Gegenteil davon an. Wenn sie mir dann antworten, sagen sie auch wieder das Gegenteil dessen, was sie meinen. Deshalb ist die Kommunikation innerhalb der Band auch so schwierig..."
Ob die multikulturelle Truppe - in ihrer Gesamtheit aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Neuseeland, den USA, Österreich, Polen, Panama, Mexico und Brasilien stammend - nicht einem logistischen Albtraum entspreche, werfe ich in die Runde und ernte ein simples "Ja" plus Carlos, der mit seinem wunderbaren deutschen Akzent verlauten lässt: "This is something only Bonaparte can achieve!" Tobias erbarmt sich meiner Frage dann doch noch und würdigt sie einer satzlangen Antwort: "Aber wir kaufen uns bald Flugzeuge und dann machen wir neben Kloten einen neuen Flughafen auf - Bonaparte Airport..." Nach kurzem Überlegen fügt er an: "Weisst du, man kann auch in einem Albtraum etwas Schönes erleben." - Ähm... das Aufwachen??? Trotz der eher deprimierenden Antwort der Interview-Delinquenten hake ich nach, ob es nicht jeweils schweineteuer sei, die Band zu vereinen? Tobias: "Ja - einmal in der Woche gibt's für Zirkus und Band Birchermüesli. Das muss einfach reichen!" Carlos ereifert sich, es reiche ja noch nicht einmal für sein T-Shirt und Cäsar sagt, immerhin Hosen habe er jetzt schon, wobei ich nicht weiss, ob das immer noch mit den fehlenden Streifen zusammenhängt oder wirklich auf meine Frage antwortet.
Der Stagemanager unterbricht uns mit der Ansage, dass es noch fünf Minuten bis zum Auftritt seien - wohl ein einmaliges Quote auf einer Interview-Aufnahme. Ich nutze den Moment für eine Frage, die zumindest vom Zeitpunkt her passt und will wissen, wie sich Bonaparte kurz vor dem Auftritt motivieren? Tobias: "Wenn du jetzt nicht hier wärst, würden wir übereinander herfallen, johlen und holeien... Berner Lieder singen." Sagt's und stimmt "Wenn eine tannigi Hose het" an. Ich resigniere und befürchte, dass ich schlussendlich einen Konzertbericht schreiben würde. Carlos vertraut sich mir - nach wie vor in englisch - an: "Ich werde sowieso nur für Konzerte aus dem Keller gelassen. Dabei ist es ganz schön, wenn man mal draussen ist..." Ich gebe mich damit noch nicht zufrieden und will wissen, ob es einen Schlachtruf gebe, den sich Bonaparte - vergleichbar einem Rugby- oder Eishockey-Team - vor einem Konzert gegenseitig an den Kopf werfen? Tobias setzt an: "BILUT - ÄÄ!" Carlos schüttelt den Kopf und sagt, das mache er immer, aber keiner habe bis jetzt gewusst, was der Scheiss eigentlich soll. Signorino wendet sich zwischendurch den letzten Vorbereitungen zu und fragt mich, ob ich Gaffa-Tape habe. Hab ich nicht - denn schliesslich bin ich Journalist - auch wenn ich an diesem Abend ziemlich daran zu zweifeln beginne...