Bündnerflaisch Selection - Ulässig im Moods

Text: Monthy
Bilder: Andrea/Monthy
Nach wie vor das Aushängeschild der Bündner - Sänger Greco
Dass ich einen Manager ins Interview mit einlade, ist nicht ganz alltäglich. Beim Talk vor dem Bündnerflaisch-Gig im Zürcher Moods hingegen bestand ich sogar auf Ullas Anwesenheit. Hintergrund dessen ist, dass die Bündner-Band ein Cover von James Browns "Living in America" produziert hatte und abklären wollte, ob man das Stück eventuell inkognito auf die Welt loslassen könnte. Ulla lässt mich erstmal auflaufen, als ich ihn um eine Erklärung der damaligen, leicht mysteriösen, Vorgänge bitte: "Ja, das hab ich auch gehört auf MX3. Eine geile Version von 'Living in Amerika', habe ich damals noch gedacht... von wem ist die? - Nein, wir haben den Song ziemlich früh gemacht. Wir würden aber kein Cover als Single releasen und suchten deshalb einen anderen Weg. Es hat uns interessiert, was die Leute davon denken ohne die Verbindung zur Band zu haben. Die Frage war, ob wir ihn überhaupt aufs Album nehmen wollen. Wir haben ihn also an einige Szeneleute verschickt und du als Fachmann der Branche hast natürlich sofort erkannt, dass das Greco sein muss am Mikrofon und ich als Max Lässig musste dann auf unschuldig machen... Schlussendlich waren die Reaktionen doch so positiv, dass der Song mit aufs Album kam." Ich fühle mich natürlich geehrt, muss aber doch nachfragen, wie man auf die Idee gekommen ist, dass dies nicht durchschaut würde, was mit Greco's unverwechselbarem Dialekt zusammen hängt und der Tatsache, dass es überhaupt nur sehr wenige Bündner Mundartbands gibt. Ulla: "Es gibt ja noch etwa dreieinhalb Leute in der Schweiz, die Bündnerflaisch nicht kennen..."
...im Talk mit Trespass-Monthy
Dass Sergio den Text im Song eigentlich umdreht ("Hauptsach nit Amerika") ist nicht primär eine politische Aussage. Und - tut er das überhaupt? Oder war nicht bereits das Original eigentlich ein Anti-Amerika-Song, dessen Aussage vom plakativen Refrain mit der Zeit überspült wurde? Greco: "Das weiss ich nicht... Käumlich. Ich verstehe eben kein Englisch. Wieso 'nit Amerika'? - Das hat einfach auf den Song gepasst und wenn die Idee mal da ist... Da ich kein sehr politischer Mensch bin, habe ich den Text dann eben auf die Beziehungsebene gestellt. Sie will nach Amerika in die Ferien und er will nicht. Reaktionen und Mails von Amerika-Fans hat es schon gegeben, aber ich finde, man soll das nicht allzu ernst nehmen. Man könnte vielleicht anfangs glauben, es gehe gegen Bush, aber wenn man reinhört, wird bald klar, dass es keine bierernste Ebene ist auf welcher der Song spielt."
Verstärkung Nummer eins: Angelheart-Gitarrist Etterlin
Greco's Aussage er verstehe kein Englisch gibt mir die Plattform für meine nächste Frage. Mit Scatten, Extrem-Bündner-Dialekt und der praktizierten Abänderung der Sprache, wenn's sonst nicht passen würde ("Wenn i nid grad kumm - isch nid so schlumm..."), erfindet Greco irgendwie die Mundart neu. Ketzerisch könnte man fragen, warum überhaupt Mundart hören, wenn man dann trotzdem nichts versteht...? Greco: "Das ist einfach mein Stil, was sich so ergeben hat. Das Scatten kam auf dieses Album mit dem 'Schiiba'-Song dazu. Das verstehe dann nicht einmal mehr ich..." Und dann erhalte ich eine Gratis-Lektion in Bündner-Musikgeschichte. Den 'Schiiba'-Song halte ich nämlich für einen Mayday-Song und muss mich entsprechend aufklären lassen. Ursprünglich stammt der Song von Abbazappa, der faktischen Vorgängerband von Bündnerflaisch. Greco: "Wir haben den Song mit Abbazappa gespielt und hatten ihn auch schon auf einer CD. Live haben wir ihn als Bündnerflaisch weiter gespielt. Und dann sind die Fans eben gekommen und haben ihn verlangt. Also haben wir beschlossen, dass er mit auf die CD kommt." Dass Mayday den Song auch spielen, verneinen die Flaischlis, weshalb ich es mir später von Rolf Schlup, der auch am Konzert ist, bestätigen lasse.
vorne: Bassist Gianni, hinten: Verstärkung am Drum - Tom Beck
Nach dem dritten Bündnerflaisch-Album kann man sagen, dass sich die Band nicht nur in der Szene etabliert hat, sondern eine verlässliche, feste Grösse der Mundart geworden ist. Da gibt's die meist witzigen Funk-Songs, den sonnigen Reggae, die kickenden Hymnen, die Balladen, die vielleicht etwas auf die Tränendrüsen drücken, und die italienischen Canzoni. Frech gefragt - war's das? Oder werden mich Bündnerflaisch beim nächsten Album mit etwas ganz anderem überraschen? - Greco: "Kai Ahnig... Das war noch bei jedem Album so - ich weiss nicht, was kommt. Es kommt oder auch nicht. Das lassen wir einfach rattern. Wir sind dran an den neuen Songs, an den neuen Texten. Und dann entsteht 'es' jeweils im Studio. Bisher hat sich das immer recht schnell ergeben, aber wir machen einfach nur. Ich kann also sagen, dass es wieder eine CD geben wird, aber nichts darüber, wohin es genau geht... Das lassen wir auf uns zukommen." Der lockere Umgang mit der Sprache wurden Greco wohl rigendwie schon in die Wiege gelegt. - "Das kommt alles spontan. Manchmal mach ich auch nur einen Fehler, aber es tönt genau richtig. Dann kommt es nur noch drauf an, wie spontan du bist", gibt er glaubhaft zu Protokoll. Und wer ihm das nicht abnehmen mag, der muss sich Bündnerflaisch einfach nur live ansehen. Energie und Witz, die der quasi singende Rapper versprüht, sind einmalig, ansteckend und einfach erfrischend.
Kiiborder Michi - lebt in seiner Musik sichtlich mit
Eine Veränderung hat es bei Bündnerflaisch ja schon auf diese CD hin gegeben. Nur hört man es dort noch nicht in dem Masse wie live. Die beiden Berufsmusiker Tom Beck (Drums, unter anderem auf "Gölä 3") und Paul Ettelin (Gitarre, sonst bei Angelheart) ersetzten auf die dritte CD hin die Bandmitglieder, die sich nicht mehr genügend für die Band motivieren konnten. Auf "Ulässig" hört man davon nicht viel, was eigentlich ein Kompliment für die Musiker ist, hauptsächlich aber auf dem traditionellen Producer-Team gründet. Was hat sich live dadurch verändert? Greco: "Mühsam ist, wenn wir Löcher haben. Wenn wir nicht viel spielen. Weil jetzt der Drummer aus Bern und der Gitarrist aus Luzern kommen, haben wir auch sonst nicht viel Möglichkeiten zusammen zu kommen. Diese Erfahrung ist neu und muss sich erst etwas setzen. Jetzt kommt der Sommer und ich hoffe, wir spielen dann mehr. Es ist wie ein neues Finden. Nicht unbedingt musikalisch, aber von den Typen her. Ich erwarte heute Abend einen guten Gig und das ist eigentlich immer gegeben. Auch wenn man ab und zu noch kleine Zweifel hat - wenn du auf die Bühne gehst, lässt du das hinter dem Vorhang."
rechts vorne: Manager Ulla musste auf meine Bitte für einmal mit an den Tisch
Am Konzert danach erkenne ich die ehemalige Funk-Band kaum wieder. Der Anschlag des Rock-Gitarristen Etterlin und die phänomenalen Fähigkeiten des besten Drummers der Schweiz haben das Gesicht der Band verändert - und ihre Songs. Während in meinen Augen die sehr dicht produzierten Songs vom zweiten Album darunter eher ein bisschen leiden, profitiert das "Ulässig"-Material, das auf der CD noch ein klein wenig unscheinbar daherkommt, enorm vom rockigeren Grundton von "Bündnerflaisch verstärkt". Wo früher strikter Reggae ertönte, gewinnt man jetzt beinahe den Eindruck einer Ska-Band. Das Prinzip lässt sich generell anwenden. - Vielleicht sind also die Weichen für eine Überraschung beim nächsten Album doch schon gestellt...
Greco macht zwischenzeitlich auch einen auf Perkussionist
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