Lina Button - am Ende des Heimwehs
15.10.2012; Text/Bilder: Monthy
Für jemand, der ganz offiziell Heimweh hat, ist Lina Button eigentlich ganz schön lange unterwegs. Die Tournee ihres aktuellen Albums "Homesick" neigt sich nämlich nach rund anderthalb Jahren ihrem Ende zu. Lina lacht herzlich, als ich sie mit meinem Konstrukt konfrontiere und winkt amüsiert ab: "In der Schweiz ist man ja auch auf Tour nie wirklich lange weg von zu Hause... Nur so ein, zwei Tage - ausser als ich auf Deutschland-Tournee war..." Ich vertiefe das Thema und erkundige mich, ob Lina denn als solches ein Hoteltyp sei oder eher nicht? - "Ich finde es immer spannend - wenn ich in ein Hotelzimmer komme, mache ich gleich als erstes ein Foto. Sie sind ja auch alle so verschieden. Nur manchmal, da wünsche ich mir schon, nach Hause zu kommen, alle meine Sachen bei mir zu haben, und mich schnell wohlfühlen zu können. Manchmal möchte ich etwas machen können, damit ich schneller runter komme. Denn nach einem Konzert bin ich oft sehr aufgewühlt. Und es fällt mir im Hotel viel schwerer zu entspannen als zuhause."
Nun sagt man ja, zuhause sei, wo das Herz ist. Was auf einen Musiker angewendet heissen würde, dass eine Gitarre - oder in Linsas Fall ein Pinao - eigentlich reichen sollte, um sich daheim zu fühlen. So einfach ist es aber dann eben doch nicht. Obwohl... - "Grundsäztlich fühle ich mich sehr nahe bei mir, wenn ich meine Musik machen kann. Und wenn ich noch meine Band dabei habe, ist es eigentlich sehr angenehm. Aber es gibt eben schon Dinge, die ich unterwegs vermisse. Als ich aus Deutschland nach Hause kam, habe ich mich zum Beispiel einfach nur auf ein richtiges Brot mit Kruste gefreut..." Das kenne ich von England von vor etwa zehn Jahren und bin doch ein wenig überrascht, dass es immer noch so ist. Die Schweiz ist für uns Schweizer offenbar nicht das Land von Käse und Schokolade - sondern von Brot! Und damit sind wir dann auch gleich beim Nahrhaften Teil des Interviews angekommen.
Musikalisch heisst es, Lina Button sei gleichzeitig kräftig wie auch zerbrechlich. Ich frage die eingezürcherte Thurgauerin, die übrigens ein phämomenal schönes Englisch singt, wie sie das im Songwriting hinkriege. "Ich muss es glücklicherweise nicht vorher bewusst entscheiden", zeigt sich Lina pragmatisch, "Es kommt sicher auf die Stimmung des Moments an, auf das Thema und den Inhalt des Songs und die musikalische Idee dahinter. Wenn ein Song dann reduziert daher kommt, ist diese Zerbrechlichkeit vielleicht fast natürlich und ergibt sich dann einfach so." Textlich, sagt der Volksmund über Lina, sei in ihren Geschichten oft eine Nähe zu spüren. Ich frage nach einem eventuellen Zusammenhang zwischen musikalischer Zerbrechlichkeit und textlicher Nähe. Lina überlegt und überlegt. Ich präzisiere: "Braucht es Zerbrechlichkeit für diese Nähe?" - Lina: "Ich denke schon, wobei ich mir nicht immer sicher bin, ob ich wirklich die Geschichte rüber bringen kann oder vielmehr einfach die Gefühlslage, in der sie spielt. Manchmal. wenn ich einen lustigen, lockeren Song schreibe, stelle ich fest, dass er nicht ganz so nahe bei mir ist. Weil diese emotionale Intensität dann ein bisschen fehlt."
Und weil aller guten Dinge drei sind, habe ich noch etwas über Lina gelesen, dem ich auf den Grund gehen will. Ihre Musik sei authentisch und glaubhaft, schreiben meine Kollegen. Als Musikerin kann man ja dann eigentlich aufhören, denn dieses Kompliment würde jeder Musiker gerne einheimsen - Venedig sehen und dann sterben, sagt man glaub ich im Fachjargon dazu. Macht Lina bewusst etwas für diese Echtheit oder ist sie ihr einfach zugeflogen? - "Nicht mehr als dass ich Songs schreibe, wenn ich das Bedürfnis danach habe", antwortet Frau Knopf ("Button") schon fast lapidar aber nicht minder richtig, "Die Songs müssen in irgendeiner Ecke einen Berührungspunkt mit mir haben..." Ob das Kompliment eventuell heisse, dass Lina Button für die Leute nachvollziehbar sei, stochere ich nochmal nach. Lina sagt gleichzeitig bescheiden und schelmisch: "Es muss ja nicht zwangsweise bedeuten, dass die Leute meine Texte haargenau verstehen..." Ich pflichte ihr bei, sie müssten nur dieses Gefühl kriegen und wir sind uns beide einig.
Dass Lina Button wie im Grand Hotel Kronenhof im Vorprogramm von Heidi Happy auftritt, ist kein Einzelfall. Auch der Tourabschluss in Murten wird in dieser Besetzung über die Bühne gehen. Bei den ewigen Mauscheleien im Business ist man sich eher gewohnt, dass sich dabei Freunde gegenseitig unterstützen. "In unserem Fall ist es aber glaube ich schon eine musikalische Überlegung", gesteht Lina, die Priska Zemp zuvor eigentlich kaum kannte. Die Bands passen gut zueinander, obwohl sie unterschiedlich sind. Hier eine von einem Akustik-Gitarristen begleitete Piano-Sängerin, dort ein kleines Orchester. Dass Lina Button vom glücklichen Heidi profititert, scheint dabei logisch. Aber manch einer hat sich sicher auch diesen Geheimtip gemerkt und einige finden vielleicht sogar, die kleine Knopf habe das Heidi bereits rechts überholt. Soweit ist es aber noch nicht. Vielleicht aber schon bald - wenn Lina ihr kleines Geheimnis, das sie für den Moment immer noch hütet, publik machen wird. Seit August ist Lina Button nämlich wieder im Studio, was mich zu meiner Schlussfrage bringt - wie viel Heimweh ist jetzt in diesen letzten Konzerten der Homesick-Tour eigentlich noch? - Lina: "Wir spielen schon vor allem die alten Songs und halten die neuen noch zurück..." Das muss sich irgendwie ein bisschen schwanger anfühlen, stelle ich mir vor. Aber das wäre ja dann vielleicht schon das Thema unseres nächsten Gesprächs... :)