Lina Button - Erfolgreich und doch manchmal unsicher
17.3.2013; Text: Monthy, Bilder: Cover/Promo (Raphaela Pichler)
Gerade mal fünf Monate sind vergangen, seit ich Lina Button letztmals interviewt habe. Am Voices on Top in Pontresina letzten Oktober war das Thema noch das Ende des Heimwehs. Lina spielte gerade die letzten Gigs ihres "Homesick"-Programms und stand dabei zwischen altem und neuem Material. Mittlerweile ist Lina schon ganz woanders. Ihr neues Album "Copy & Paste" erschien diesen Freitag und heute durfte sie quasi als Bonus auch gleich noch im Vorprogramm von Mick Hucknall spielen. "Jetzt bin ich wieder am Anfang", lacht Fräulein Knopf worauf ich entgegne, sie könne aber nicht behaupten, nicht vorwärts gekommen zu sein. Da unser Interview vor gut 14 Tagen stattfand, bezog sich das aber noch darauf, dass "Homesick" Lina Button mit Ausrufezeichen auf die imaginäre Karte der Schweizer Musikszene gebracht hat (Chart-Entry, SRF Best Talent...). "Das Heimweh habe ich jedenfalls mal hinter mir", so Lina's Antwort auf meine Frage nach dem neuen Thema, das ich via Albumtitel noch nicht ganz erschliessen konnte. "Copy & Paste" heisst nämlich auch ein Song auf der neuen Scheibe und es ist ja so Brauch geworden, einen Songtitel dafür auszuwählen. Lina erklärt: "Es ist kein Konzeptalbum sondern fing mit dem einen Song an. Ich habe mich mit Themen wie Ansprüche und Erwartungen an eine Künstlerin ziemlich ernsthaft auseinander gesetzt. Dabei habe ich festgestellt, dass es mir bei anderen Künstlern extrem gut gefällt, wenn sie eigen sind. Daraus entstand der Song." Der Clou ist, dass man nun eben diese Kopiersachen - Loops, Sampling - und alles, was man unter "Copy & Paste" versteht, bei Lina nicht findet. "Darum fand ich es witzig. Mir ist es eben wichtig, dass Musik nicht so ist. Und auch wenn ich keine elektronische Musik mache, fand ich das Thema interessant.", meint Lina zur Frage wie der Songtitel es dann zum Albumtitel schaffte. Kein Ziel von Lina ist dagegen, die Musik neu zu erfinden, was heute ja auch wirklich schwierig wäre. Die grösste Veränderung in ihrem Sound mache ich im Burlesken aus - einer beschwingteren Grundstimmung des Albums im Vergleich zum leicht Balladen-hängigen Vorgänger - was die Wahlzürcherin aus dem Thurgau mit einem erstaunten "Ach ja?" quittiert. Lina: "Es war mir wichtig, die Erfahrungen vom ersten Album und von den Konzerten mit einbringen zu können. Die zügigeren Passagen der Konzerte sind bei den Leuten einfach sehr gut angekommen. Auch wenn ich mehr Richtung Blues gegangen bin vom Gesang her. Das habe ich als eine Stärke von mir registriert und wollte es mehr mit einbeziehen."
Früher war es oft so, dass sich eine Band für einen Stil entscheiden musste, den sie dann nur geringfügig verändern konnte. Sonst bestand immer die Gefahr, dass sich die gewonnenen Fans wieder von der Band abwenden. Das Fan-Verhalten hat sich mittlerweile aber geändert - nur den Alteingesessenen macht man noch diese Vorwürfe. Züri West's "Radio zum Glück" ist wohl auf nationaler Ebene bis heute der krasseste Versuch, einer Band von aussen drein zu reden. Die neueste Generation hingegen, vor allem auch die jungen Frauen, probiert von Album zu Album etwas Neues aus, ohne diese Zwänge offenbar zu verspüren. "Mir ist die Veränderung erstens gar nicht so sehr aufgefallen und zweitens überlege ich mir das gar nicht. Ich mache einfach Songs, schreibe sehr intuitiv und es kommt einfach so raus, wie ich es mag oder wie ich es gern singe. Bei diesem Album habe ich mich gesanglich ziemlich gefordert und mir oft selbst im Studio eins ans Schienbein treten müssen, aber..." Sie lacht herzlich als ich einwende, dass sie dies hoffentlich nicht auch noch alleine habe machen müssen. "Es ist sehr cool zu wissen, dass man einen Produzenten hat, der einen fordert und weiter bringen will", bestätigt sie schliesslich meine Vermutung und macht gleichzeitig ihrem Team ein Kompliment. Ob sie diesen Kick oder mal eiine Ermutigung brauche, etwas Neues zu wagen. Wir "Normalos" setzen ja immer voraus, dass das Selbstvertrauen einer erfolgreichen Person unbegrentzt sein müsse. "Dem ist überhaupt nicht so", relativiert Lina, "Beim Songwriting und beim Üben zuhause probiere ich gerne neue Dinge für mich aus. Dann überlege ich mir aber ob das nicht nur zum Singen etwas hergibt sondern auch für den Hörer. Und da sind Referenzmeinungen sehr wichtig. Als Spiegel." Wenn also ihr Umfeld sagt, der Song berühre spontan oder er hätte das gewisse Etwas, kann das den Ausschlag geben.
Besonders aufgefallen ist mir bei Lina auch die Aussprache. Vor allem die Endkonsonanten werden richtig ausgesungen, ihr Sprachbild ist äusserst "clean". Ich weiss schon vom Singunterricht her, dass Lehrer darauf immer besonders achten. Und ich habe mich gefragt, ob das dem Sing-Feeling nicht irgendwie abträglich ist, wenn man darauf achten muss, am Schluss noch das -s oder das -t komplett auszusingen. Lina musste darauf vor allem im Studio achten, wobei ihr vor allem entgegen komme, dass sie ihre eigenen Songs singe, die sie kennt wie ihre Westentasche: "Deshalb habe ich dann im Endeffekt auch die Kapazität während des Singens noch Inputs aufzunehmen und zu integrieren oder den Fokus entsprechend zu legen. Das sind oft auch andere Dinge. Emotionen zum Beispiel..." Die Zeit im Studio ist dabei ja wirklich begrenzt, was Lina sehr pragmatisch gelöst hat: "Wir mussten einfach die Zeit richtig gut einteilen. Damit ich die Songs so einsingen konnte, hatte ich das Gefühl, mehr als zwei pro Tag wären unrealistisch. Also haben wir in der restlichen Zeit anderes geplant. Dass ich zum Beispiel am Morgen einen einsinge, dann machen wir den Tag durch andere Sachen und dann am Abend nochmal einen. Das hat bei diesem Album sehr gut geklappt." Wenn ich selber singe, ist Stress absolutes Gift für meine Atmung und damit auch für meine Stimme. Obwohl Lina viel mehr und noch viel besser singt als ich, hat auch sie das Zaubermittel dagegen noch nicht wirklich gefunden: "Ich merke immer, wie es passiert und das ist vor allem dann, wenn ich sehr lange singen muss. Nun gab es Tage in der Vorbereitung, wo das wirklich sehr gut gegangen ist und ich die ganze Zeit die Stimme gebraucht habe ohne in diesen Stress zu geraten. Natürlich gab es eine körperliche Erschöpfung, aber es hat mich nie zugeschnürt. Wenn es dann aber darum geht, die Songs einzusingen und die rote Lampe leuchtet, dann kommt es ab und zu immer noch zu solchen Stresssituationen. Da wünschte ich mir schon eine Veränderung." Der kritische Punkt dabei ist die Atmung. "Wenn ich falsch atme, dann mag ich einfach nicht so lange", verrät Lina und weiss ganz genau, dass diese Aufgabe eine Sängerin "lebenslang" begleitet. - "Und es hat so einen enormen Einfluss auf den Ton!"
Ebenfalls Einfluss auf den Ton - wenn auch ganz anders - hatten die Shooting Stars der Schweizer Musikszene: 77 Bombay Street. Produzent Thomas Fessler arbeitete schon für die Bündner, hat aber auch bereits beim ersten Lina-Album Regie geführt. Darüber hinaus singt sie "Copy & Paste" zusammen mit Matt. Lina hat keine Angst, dass man ihr allenfalls vorwerfen könnte, sie wolle sich von deren Erfolg etwas abschneiden. "Das Risiko geht man ein. Für mich spielt es aber keine Rolle. Ich finde Features manchmal eher schwierig. Oft wirkt es etwas gesucht. Nach dem Motto: Wer könnte mir etwas bringen? Hier ist das aber ganz anders. Ich kenne Matt schon länger und als er einmal ein Konzert von mir gesehen hatte, kam er zu mir und trug mir an, einmal einfach mit ihm Musik zu machen. Dabei ging es überhaupt nicht um eine Aufnahme. Das fand ich so schön und für mich ist es einer der Hauptgründe, überhaupt Musik zu machen. Sich einfach so zu treffen und dieses Gefühl, zusammen zu geniessen. - Danach haben wir uns eine Weile lang nicht gesehen. Er rief schliesslich an und bot an, wenn ich auch Lust hätte, etwas fürs Album zusammen zu machen. Also habe ich mir überlegt, welche Songs denn passen könnten. Er kam im Studio vorbei, wir haben drei Songs ausprobiert und 'Copy & Paste' hat von Anfang an gepasst." Berührungsängste kamen so natürlich keine mehr auf. Lina schätzt an Matt denn auch von allem: "...seine Musikalität. Das hat mich sehr positiv überrascht. Wie vielseitig er seine Stimme einsetzen kann, ist beeidruckend." Darüber hinaus sei er einfach "bodenständig und witzig". Dass so eine Story wie die der "Brüder, die ihre Eigenheiten pflegen und ihren gemeinsamen Sound suchen", wie Lina es ausdrückt, überhaupt möglich ist mit einer Schweizer Band ermutigt Lina auch, ihre Linie weiter zu halten. Als Schweizerin muss man sich, wie ich mich abschliessend vergewissere, nämlich schon oft ein bisschen überwinden. "Ich merke, ich nehme mir beispielsweise viel zu wenig Zeit, mal zu feiern, dass wir ein Album aufgenommen haben. Schon nur das... Ich denke immer schon ans nächste. Aufnehmen, Release, Spielen usw. Oft kommt da bei mir Unsicherheit auf. Man wünscht sich ja so sehr, dass es die Leute interessiert, weil man so lange daran gearbeitet hat. Und dann ist es oft schwierig." Zumal für ein Mächen vom Land. "Das kommt erschwerend hinzu", pflichtet mir Lina lachend bei und dann drücke ich irgendwann den Aus-Knopf - auch wenn ich mit ihr wohl noch lange über Musik reden könnte. Ihre Herzlichkeit und ihre Natürlichkeit sind denn auch genauso Teil ihrer Songs wie ihrer Persönlchkeit.