Caroline Chevin zeigt Herz

Text: Monthy
Bilder: Cover/Nick Heizmann
Wenn man zwei Wochen nach der Idee, eine Platte aufzunehmen, bereits im Studio steht, muss der Grossteil des Materials schon länger bestanden haben, so meine These zum Auftakt des Interviews mit der Luzernerin, deren Album "Feel real" mittlerweile bereits in der Auslieferung begriffen ist. "Den Opener 'Whatever it takes' habe ich fürs Album geschrieben. Und bei 'Jewel' bin ich überhaupt erst auf die Idee gekommen, es zu machen", relativiert eine nicht ganz so streng erwachsen wirkende Caroline, wie sie das Cover ihres Erstlings zeigt. Was man gleich bemerkt, ist eine Ehrlichkeit, die auch ihren Songs eigen ist. Ich bezeichne Caroline frech als eine Mischung aus Norah Jones und Sheryl Crow und frage, ob sie damit leben könne. CC: "Sehr gut sogar. Der Vergleich mit Sheryl Crow fällt tatsächlich öfter. Für mich als Musikerin ist es enorm schwer, mich selbst so kurz zu beschreiben..." Akustischer Pop mit jazzigen Einflüssen, eher feinfühlig - Melodien, die man in den ersten Tönen immer schon zu kennen glaubt, um dann doch festzustellen, dass man sie noch entdecken darf, lautet meine etwas längere Version. Caroline meint: "In der heutigen Zeit kannst du das Rad nicht neu erfinden. Es passiert mir selbst letzthin zum Beispiel öfter, dass ich Sachen von Sting in der Musik von John Meyes zu hören glaube... Es gibt auch so viele gute alte Bands... Ein Jimmy Hendrix konnte zu seiner Zeit noch Neues ausprobieren, aber das ist heute nicht mehr möglich. Auf der anderen Seite hört man heute fast ständig Musik und wird auch immer an viele verschiedene Dinge erinnert. Das halte ich also für gar nicht so schlecht." Zudem liegt es auch daran, dass Produzent und Band der Stimme gehörig Respekt entgegen bringen und sie lieber schlicht inszenieren.
Monthy schenkt Caroline (s)ein Herz...
Damit sind wir beim Thema Schönheit. Ich halte "Feel real" für ein ausgesprochen schönes Album - und frage die Künstlerin, ob es nicht vielleicht gar zu schön sei? - Caroline: "Ich weiss, was du meinst. Zu lieblich... Für mich ist das eigentlich auch ein Abstecher, etwas Neues. Ich habe schon viele verschiede Sachen gemacht, war aber eher mehr als Rock-Röhre unterwegs. Also fehlt mir jetzt ein bisschen die Sicherheit, das zu dementieren. Das ist echt schwierig abzuschätzen... Touché. Live kommt es dann wohl schon noch anders daher. Dort fliesst dann meine jahrelange Bühnenerfahrung ein. Das wird also ganz von selbst noch etwas heftiger." Schönheit kommt von innen, sagt man ja. Das ist bei Caroline dann doch sehr doppeldeutig. Ihre wahre Schönheit aber, so sind sich Experten schon heute einig, trägt sie in ihrer Stimme. Wenn ich das mit mir selbst vergleiche - ich habe keine schöne Stimme... und trotzdem viel Spass dabei, sie kratzen zu lassen, rauchig zu singen usw. Würde es die Rockerin in ihr denn nicht auch reizen, ihr Publikum mal zu schockieren? Caroline schmunzelt: "Das mache ich extrem gerne. Wer mich schon live gesehen hat, weiss, das das keine Floskeln sind. Oder auch im Auto. Kennst du Nica Costa?", dreht sie den Spiess um und erklärt mir auf meine Verneinung hin, "Eine amerikanische Sängerin, die extreme Sachen mit ihrer Stimme anstellt. Und wenn ich im Auto bin, ist diese CD immer mit dabei und dann wird leidenschaftlich mitgekreischt und -gekratzt. Auf der Bühne braucht das schon ein bisschen Mut... Ich geniesse es aber auch, wenn ich live wirklich gut drauf bin. Das ist aber schon mehr für den Rockbereich zu gebrauchen."
La Chevin's 'Feel real' handelt im 'First Life'
Besonders schön empfinde ich im Gespräch ihre entwaffnende Offenheit, was mir den Mut gibt, Caroline auf "ihre" Männer anzusprechen. Nori Rickenbacher spielt in ihrer Band, Marc Sway trug einen Song bei und auch Seven wollte gerne ein Feature haben - und wird nun in "Let's do it again" von Caroline ziemlich um den Finger gewickelt. Haben die schönen Augen gereicht, diese Herren zur Mitarbeit zu begeistern, oder musste sie ihre schönen Songs bemühen? Sie differenziert schlagfertig, dass es eigentlich die Männeraugen gewesen seien, die sie angezogen hätten und äussert sich ansonsten zu ihren musikalischen Männergeschichten wie folgt: "Mit Nori mache ich schon seit fünfzehn Jahren Musik. Er war schon immer wichtig für mich und daher war es auch klar, dass er mein Schlagzeuger wird. Nun konnte ich natürlich nicht voraussetzen, dass es deswegen auch gleich klappt. So viel Überredungskunst hat es aber dann aber gar nicht gekostet... Marc Sway und Seven habe ich vor etwa zwei, drei Jahren kennen gelernt. Mit Marc habe ich an einem lustigen Nachmittag einen gemeinsamen Song geschrieben. Er war - wie man ihn halt kennt - ein richtiges Energiebündel. Mit Seven schliesslich habe ich beim Asphalt Jungle, einem Drum'n'Bass-Projekt zusammen gearbeitet, auch live gesungen. Und dabei fiel mir auf, dass unsere Stimmen ganz gut zusammen passen. Allerdings spricht man so etwas nicht einfach aus. Ich konnte ja nicht einfach zu Seven hingehen und ihn fragen. Phillip, mein Produzent und gleichzeitig Projektleiter, wusste es aber. Und irgendwann kam dann eine SMS, dass Seven gerne ein Feature mit mir machen würde." - dabei kreischt sie in der Bar kurz auf, als ob sie es nochmal erleben würde...
...hat hier irgendjemand einen Frosch durchhüpfen gesehen???
Als ich anfangs des Talks erwähnt hatte, dass ich mich bei ihren manchmal an andere Songs erinnert fühlte, hatte ich in einem Fall sogar tatsächlich recht. Auch wenn das nicht jedermann gleich merkt. Zum Schluss frage ich also noch schnell, ob man ihre Version von "Funky Town" nicht in Mellow Town oder Jazzy Town umbenennen müsste, was Caroline mit den mir so verhassten, weil einfach nie erkannten Grundstilen der Tanzmusik kontert: "In dem Fall eine Bossatown - es ist ein Bossanova. Ich würde es als funkige Bossatown Single bezeichnen, wobei ich das dann nicht mehr singen könnte... Lustig daran finde ich ja, dass die Leute ihn sich anhören, zu studieren beginnen und dann dieses Gesicht machen von wegen ich kenne den irgendwie, aber woher nur...?" Sie lächelt mich an - unwiderstehlich. Und so soll es auch dem Hörer gehen, wenn er oder sie sich "Feel real" anhört. Ein musikalischer Flirt, der mit mir sicher mal an einem Konzert weiter gehen wird, wo ich dann - unauffällig wie ein Frosch - im Publikum stehe und zu Caroline's "Frogs and Princes" in irgendwelchen Erinnerungen schwebe, die ich gerne hätte...
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