Chapter Two: "Nichts machen ist auch keine Lösung"
11.5.2011; Text/Bilder: Monthy
Manchmal trügt der Schein – insbesondere in den Bereichen der Musik, die nicht von multinationalen Sponsoren getragen werden. Von aussen gesehen sind Chapter Two und ihre Sängerin Natalie Chandra momentan einfach ein Bestandteil der Heavy Metal Nation Tournee "Shares for Bears". Dabei ging die Initiative eigentlich von der Zürcher Band aus. Bandleader James Ender bestätigt: "Ja, wir sind auf Jan und Matt von Quam Libet Records zugegangen und konnten sie für die Idee begeistern. So wurde die Tournee ins Leben gerufen." Das Konzept ist ziemlich ausgeklügelt: Chapter Two und November 7 machen die Residents und touren ständig und werden von jeweils einem lokalen Act unterstützt, der auch auf dem HMN-Sampler vertreten ist. "Nicht alle konnten oder wollten auch auftreten. Es hat auf dem Sampler sogar Bands, die die Live-Reife noch gar nicht erreicht haben. Eine oder zwei Bands gibt es schon gar nicht mehr…", verrät Ender, worauf man bei der Besetzung der Local Acts im Besonderen zu achten hatte.
Für Chapter Two ist es natürlich einerseits toll, die ganze Tour spielen zu können. Nur eben – sie treten nicht in den grossen Hallen auf sondern in den kleinen Clubs. Und die haben selten viel Zulauf. "Wir haben gewusst, das es schwer wird", gibt sich James wenig überrascht davon, dass es teilweise etwas harzt mit den Zuschauern, "Ideal wäre gewesen, wenn wir über die Local Acts Zuschauer hätten generieren können. Aber das liess sich nicht überall so arrangieren. Wir fanden es dann auch wichtiger, wirklich die Acts zu berücksichtigen, die auf dem Sampler sind. Es ist für uns keine wirkliche Überraschung, wie es läuft. Publikumsmässig war's bisher mal besser, mal schlechter. Morgen wird dann auch noch eine Delegation der Tierschutzorganisation Vier Pfoten dabei sein. Sie wollen dann bei sich zuhause auch so etwas auf die Beine stellen." Vier Pfoten setzt sich für Tanzbären im ehemaligen Ostblock ein und ist als Charity-Projekt in die Tour integriert.
James Ender macht im Interview einen etwas ausgebrannten Eindruck. Seine Situationsanalyse ist denn auch ziemlich nüchtern: "Nichts machen ist ja auch keine Lösung… Im Nachhinein würde ich nicht mehr als Veranstalter walten und auch noch jeden Tag selbst auftreten. Da habe ich mich fast ein bisschen übernommen." Nicht, dass am Schluss noch der Spass an der Bühne verloren geht. Spass heisst bei Chapter Two so ziemlich alle speziellen Substile von Metal. Normalerweise entscheidet sich eine Metalband ja für etwas: Industrial/Electro oder Gothic/Pagan/Medieval oder Opera und so weiter. Bei Chapter Two ist das anders. Song für Song präsentieren sie sich immer wieder in einem neuen Kleidchen. Warum das? – James: "Das hat wohl weniger damit zu tun, dass wir uns nicht entscheiden können, als mit den verschiedenen Jahrgängen, die es in der Band gibt. Freddy kommt ursprünglich aus dem Punk, ich bin der Hardrocker, der Keyboarder stammt aus der Boogie-Woogie Welt…" Und die Bandmitglieder sind alle sture Böcke, die nicht von dem abrücken wollen, was die Grundfesten ihrer Welt ausmacht, schliesse ich lachend, wogegen James zwar protestiert, aber ebenfalls unter Lachen.
Das aktuelle Album "Angelface" sei ja eigentlich überhaupt nur als Studioalbum geplant gewesen", holt Ender aus, um mir vertieft zu vermitteln, warum so eine grosse Vielfalt drauf ist. "Freddy und ich haben einfach mal gemacht. Und dann gab's wieder eine kleine Pause. Als wir uns wieder daran gesetzt haben, waren wir dann ganz anders drauf, haben aber wieder einfach gemacht. So kam im Endeffekt ein sehr abwechslungsreiches Album zustande." Live sei das Springen von einem Substil zum anderen bisher nie Ansatz für Kritik gewesen, meint James. Und man kann sich ja auch so eine Identität erschaffen. "Ich höre selbst ein breites Spektrum an Musik – etwa von AC/DC bis Korn - und fühle mich nicht einer speziellen Unterart zugehörig. Das strahlt wohl auch etwas ab…" Ich komme nochmals auf die verschiedenen Alterstufen zurück und will wissen, ob das denn transparent sei. Ob also die jüngeren Semester auch die modernen Einflüsse einbringen? – James: "Das denke ich schon. Schliesslich hat uns das geprägt und die Musik, mit der man aufgewachsen ist, trägt man ein Leben lang mit sich herum."
Eine Besonderheit im Sound von Chapter Two, die ich unbedingt noch thematisieren will, sind die gerne eingesetzten Pipers, oder zu deutsch Dudelsäcke. Mir als schottischem "Laird" – in etwa das Pendant zu einem deutschen Grafen – fällt so etwas natürlich ganz besonders auf. James erzählt mir, wie es dazu kam: "Ein Onkel von mir spielte in so einer Piper-Truppe. Als ich einmal bei ihm in den Ferien war, hat er mir das Spielen gelehrt. Das Instrument hat mir eigentlich schon immer gefallen. Ich habe es aber mehr aus Spass an der Freude gespielt. Die Band fand dann die Idee ganz witzig, diesen Effekt ab und zu einzusetzen." Die Dudelsäcke bei Chapter Two sind allerdings künstliche und kommen vom Keyboard, wie ich mich noch schnell vergewissere. Dass er damit offene Türen einrennt wie bei mir, ist ein Feedback das James nicht alle Tage erhält. "Es wurde in Reviews allerdings auch noch nie verrissen, sondern kommt eigentlich ganz gut an. Heutzutage musst du einfach fast so eine Spezialität einbauen, um dich von all den anderen abzuheben."