Trummer: Mit Gitarre und ein paar Kleidern nach New York

Text: Ko:L
Bilder: Debi
Trummer, Ko:L und Coal
Der Berner Singer-Songwriter Trummer reist Anfang Februar für drei Monate nach New York, unter anderem „um zu sehen, wie ein englischsprachiges Publikum meine Songs aufnimmt.“ Der Nidwaldner Country-Youngstar Coal hat bereits in frühen Jahren seiner Karriere Trips nach Nashville, Tennesse und Austin, Texas hinter sich. In Adelboden trafen sich die beiden im Kulturhaus Alte Taverne bei einem Doppelkonzert – und nach der Show wartete ich bewaffnet mit MD und Debi mit Kamera im Schlepptau backstage, um den beiden auf den Zahn zu fühlen. „Warum wollen alle immer bloss nach Amerika?“, wollte ich wissen...

Trummer: Ich hoffe, dass ich Leute finde, die auf Anhieb die Texte verstehen. Und eine Art Basis-Erfahrung. Ich will sehen, was passiert, wenn ich meine Songs vor Leuten spiele, welche englisch sprechen. Und ich will sehen, wo ich stehe im ganzen Reigen von Leuten, die den selben Drang verspüren, wie ich. Denn ich habe mir sagen lassen, dass sehr viele Musiker an Open-Mic Abenden auftreten. Ich habe keineswegs die Idee, nach drei Monaten mit einem fetten Deal nach Hause zu kommen. Natürlich versuche ich, jeden Kontakt, der entsteht, zu verfolgen. Aber primär will ich wissen, ob es Amerikaner gibt, die sich für meine Musik interessieren könnten.
Coal: Für mich war die Erfahrung, vor einem englischsprachigen Publikum zu spielen, sehr wertvoll. Ich spielte Songs und wusste irgendwann, ´Jetzt wird das Publikum aufgrund des Textes reagieren.´ Das erste Konzert zurück in der Schweiz war dann recht Scheisse. Ich spielte Songs, wartete eine auf eine Reaktion des Publikum - und nichts kam. Ich habe so gelernt, dass du – wenn es dir wichtig ist, dass die Leute deine Texte verstehen – so singst und artikulierst, dass die Texte verständlich sind.
Trummer
Trummer: Ich habe derzeit enorm das Bedürfnis, zu fühlen, dass das, was ich mache, auch jemand braucht. Jemand hat einmal gesagt ´Dein Talent schuldet dir nichts.´ Will heissen, dass noch lange nichts passieren muss, nur weil du Talent hast. Du musst dein Talent auf eine Art einsetzen, dass es eine Saite zum klingen bringt, an einem Ort, an dem überhaupt ein Bedürfnis vorhanden ist, nach dem, was du machst. Genau das fühle derzeit extrem: Den Wunsch, etwas zu machen, das jemandem wichtig ist. Die Songs, die in den letzten Jahren entstanden sind, bedeuten mir sehr viel – und einigen wenigen Menschen zum Teil auch. Ich möchte jetzt wissen, ob diese Leute Ausnahmeerscheinungen sind, oder ob mit diesen Songs etwas passieren kann. Dass es ausgerechnet NY sein muss, hat aber am Ende auch persönliche Gründe – ich will zum Beispiel endlich mal eine Reise über einen grossen Teich machen...
Ko:L: Jetzt gäbe es aber unzählige Musik-Städte in den USA – und Du suchst Dir ausgerechnet jene aus, die meiner Meinung nach die schwierigste ist – weil eben jeder nach New York geht.
Trummer: New York ist eine Stadt, in der die meisten meiner Helden eine gewisse Zeit verbracht haben – von Dylan über Leonard Cohen, Joni Mitchell oder Ryan Adams sind irgendwie alle mal dort gelandet.
Coal: Das Geile für mich war, dass es mir plötzlich nicht mehr um die Helden ging, sondern darum, was diese Helden erlebt haben. Wenn du nach New York reist, gehts nicht mehr nur um Bob Dylan, sondern darum, was er dort gemacht hat. New York ist halt diesbezüglich eine Hammer-Stadt. Ich habe Trummer sogar vor ein paar Monaten gefragt, ob ich mitreisen kann. Ich will auch unbedingt mal nach New York.
Trummer: Es hat auch was mit der Szene, für die ich mich interessiere, zu tun. Natürlich kommen auch Künstler, die mir sehr gefallen, aus Austin oder Nashville, aber für mich persönlich ist dieser Sound zu sehr auf der traditionellen Seite. Für meinen Input möchte ich gerne auch Freejazz hören können, oder Electro. Ich habe den Eindruck, dass solches Zeugs in Multikulti-Städten wie New York eher abgeht.
Coal
Ko:L: Was bietet den New York tatsächlich, was andere Städte nicht bieten?
Trummer: Ich weiss es noch nicht. Aber du hörst immer wieder all diese Geschichten; du hörst, wie inspiriert etwa eine Joni Mitchell von Greenwich Village singt, vom pulsierenden Leben, das dort abgeht. Auch Leute aus der Schweiz, die aus NY zurückkommen, erzählen von dieser Stimmung, in der alle sagen ´Mach einfach mal!´
Coal: New York ist eine immens grosse Stadt. Trotzdem ist es unterteilt in viele Dörfer. Ich denke, dass du bald deine Stammkneipe hast und deine Leute kennenlernst, wenn du dich niedergelassen hast. Und darum geht es ja auch auf solchen Reisen. Für mich war es enorm wichtig, Leute kennenzulernen - wichtiger sogar, als Songs zu schreiben. Ich habe auf diesen Reisen gelernt, dass Songwriting nicht abhängig davon ist, an welchem Ort du gerade bist. Aber: Es ist sehr inspirierend, an einem Ort zu sein, an dem derart viele derart kreative Köpfe zusammenkommen.
Ko:L: Trummer, du hast das pulsierende Leben in Greenwich Village angesprochen. Ist es denn noch authentisch, wenn ein Berner Oberländer über das pulsierende Leben dort singt?
Trummer: Mich interessiert eher die umgekehrte Sicht. Berühren Songs, die ein Berner Oberländer geschrieben hat, irgendjemanden in einer Stadt wie New York? Ich singe ja auch von Päärchen, die auf vereisten Gehwegen unterwegs sind und sich noch am selben Abend trennen. Gute Songs sind nicht ortsabhängig, davon bin ich überzeugt. Aber von New York hat die ganze Welt irgend ein Bild. Wenn ich singe ´We´re walkin down Länggasse´, dann tönt das Scheisse – ganz anders, als ´I met you on the corner 52nd Street.´
Coal und Trummer auf der Taverne-Bühne

Ko:L: Gibts auf deinem Trip nach New York überhaupt irgend etwas, das fix ist?
Trummer: Im Moment ist ausser dem Hin- und dem Rückflug gar nichts sicher. Ich habe diverse Sachen offen und hoffe, dass ich mir von hier aus für die ersten paar Tage noch ein Zimmer mischeln kann.
Coal: Aber genau darum gehts ja. Als ich nach Nashville reiste, fuhr ich mit dem Greyhound von New York nach Nashville. Und genau dieses verdammte Gefühl, als ich in Nashville aus diesem Bus ausstieg – ich hatte keine Ahnung, wo ich schlafen werde, ich kannte niemandem und hatte keinen Plan, was ich dort überhaupt mache – gerade dieses Gefühl, diesen Eindruck von Unsicherheit und Freiheit möchte ich nicht missen. Es gibt auch negative Gefühle, die ich nicht missen möchte.
Trummer: Für einen Künstler ist eh jedes intensive Gefühl grundsätzlich mal ein gutes Gefühl – oder zumindest ein brauchbares, ein verwertbares. Coal hat schon recht – irgendwie gehts darum, sich aus diesem Schweizer ´Sicherheitsding´ herauszulösen. Hier ist es so schwer, den Arsch hochzukriegen – weil du am Ende auch nirgends hin kannst mit ihm. Dort wird es wohl so sein, dass du den Arsch einfach hochkriegen musst, weil du sonst womöglich untergehst. Aber wenn du ihn hochkriegst, gibt es vermutlich grundsätzlich auch die Möglichkeit, irgendwo hin zu kommen. Wenn ich Biografien von Leuten lese, die ich spannend finde, merke ich immer wieder, dass sie an einem entscheidenden Punkt einen Moment lang völlig abgespact sind. Jeff Buckley hat einen Monat lang in einer Dreizimmer-Wohnung gelebt, wo er nichts anderes hatte, als seine Gitarre, einen Verstärker und eine Matraze aus Karton.
Coal: Mir ist auf meinen Reisen aufgefallen, dass der Durchschnittsamerikaner viel mehr das Bedürfnis hat, sich musikalisch auszudrücken, als der Durchschnittsschweizer. Amerika hat zwar das Gefühl, es sei sehr entwickelt und wirtschaftlich weiss ich wie fortschrittlich, aber die USA sind ein Drittweltland. In Austin wo ich lebte war es jenseits – da hatte keiner eine Krankenkasse. In den USA kannst du sterben, weil du Fieber hast und dir das Spital nicht leisten kannst. Das trägt natürlich im künstlerischen Sinn dazu bei, dass viele ein starkes Bedürfnis haben, sich auszudrücken.
Trummer: Ich glaube auch, dass die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu finden, der dir Feuer unterm Arsch macht, so richtig gut zu werden, grössser ist, als hier. Schlicht, weil sich die Leute mehr überlegen müssen, wie sie vorwärts kommen wollen. Sie brauchen originellere, bessere Ideen.

Trummer on stage
Coal: Wobei – ich habe in Austin mit Leuten Musik gemacht, die wirklich grottenschlecht waren. Und handkehrum kamen Zusammenarbeiten zu Stande, die einfach das Grösste waren. Gerade an Open-Mics sind aber viele ziemlich schlecht...
Trummer: Ich war kürzlich in Berlin und nutzte die Gelegenheit, beim einen oder anderen Open-Mic Anlass reinzuschauen. Der eine war eher eine Art Karaoke für Leute, die Gitarre spielen können. Das andere war tatsächlich in einem traditionellen Countryrock-Club angesiedelt – mit Truckerfahrern und deren tätowierten Freundinnen im Schlepptau. Da merkte ich sehr bald, dass mein Sound, der nicht unbedingt traditioneller Country ist, gar nicht ihr Ding ist. Das war ein kleiner Vorgeschmack darauf, was mich in New York erwarten könnte.
Coal: Meine Erfahrung war, dass Open-Mics wohl cool sind, um mal teilzunehmen, dass es aber viel cooler ist, wenn du einen eigenen Gig in einem Klub spielen kannst. Für Open-Mics – das tönt jetzt vielleicht böse – aber für Open-Mics sind Musiker wie du und ich zu gut. Aber die Sessions bieten Gelegenheiten, um Kontakte zu knüpfen.
Trummer: Das ist halt eine Hoffnung die ich habe: Vielleicht einen Club zu finden, der zum Beispiel jeden Montag ein Open-Mic veranstaltet und dort so gut zu sein, dass ich mal an einem Mittwoch einen regular gig spielen kann.
Coal: Schlussendlich gehts ja einfach darum, rüber zu gehen, und die Luft einzuatmen...
Ko:L: Was nimmst du mit, Trummer?
Trummer: Ein Laptop, eine Gitarre mit Kabel, ein paar Kleider und ein Buch für unterwegs... Das ist es!
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