"Colafluid ist extrem anstrengend"

Text: Ko:L
Bilder: Colafluid
Am 10. Dezember beenden die Thuner Rocker Colafluid in der Alten Taverne Adelboden den ersten Teil ihrer «Souther Death Swing»-Tournee. Eigentlich hätte das Konzert in Adelboden Colafluids glorreiche Rückkehr in die Schweiz werden sollen. Aber es kam alles anders. Anstatt letztes Wochenende in der irischen Hauptstadt Dublin zu rocken, lag Sänger Gage zehn Tage mit einer Rachenentzüng und «ere fette Bronchitis» flach. An einen Flug nach Dublin war nicht zu denken, auch nicht ans Singen.
Colafluid live - Dirty Rock
«Leid» sei’s gewesen, sagt der Mann mit der Stachelfrisur. «Da träumst du ein Musikerleben lang davon, im Ausland spielen zu können, und wenns soweit ist, liegst du im Bett.» Trotzdem: Eine Art dem Schicksal ausgeliefert hat sich Gage nicht gefühlt. «Es geht einfach so, wies geht. Das ist vielleicht irgendwie dieses Rocker-tum. Du machst was du kannst, gibst dein Möglichstes und bist dich selber.» Und dieses Mal war eben gar nichts mehr möglich, drum Pause. Und fast kleinlaut meint Gage, es sei «möglich», dass sein «Ausfall» seine Ursachen auch im Rocker-tum haben könnte... Respekt habe er davor gehabt, die Stimme zu verlieren. «Die anderen können auf die Bühne stehen, Gitarren stimmen und los gehts – ob sie fit sind oder nicht. Wenn mir die Stimme fehlt, bin ich aufgeschmissen». Bei Colafluid kommt erschwerend hinzu, dass die Band stärker als andere über Sänger Gage wahrgenommen wird. «Das chane uhuere Druck si», ist er sich bewusst. Vor allem wenn «gewisse Leute» das Gefühl hätten, er könnte eigentlich, wenn er wollte, er aber mit Fieber im Bett liegt und weiss, dass es eben nicht geht. «Ich bin mir wohl bewusst, dass nicht alle nachvollziehen können, was es zum singen braucht. Aber du hast selber geschrieben, ich schreie wie die Sau auf dem Weg zum Metzger... mach das mal! Wenn die Stimme am Arsch ist, geht da gar nichts mehr!»
Gage in Red
15 Konzerte haben Colafluid seit dem 3 September in der ganzen Schweiz gespielt, «erstaunlicherweise mit fast ausschliesslich guten Feedbacks.» Plötzlich schimmert eine Art Bescheidenheit durch – beim Mann, der am letzten Sonntag auf SF2 breitspurig bekannt gab, seine Band sei die einzige in der Schweiz, die 50 Jahre Rockgeschichte unter einen Hut bringe. «Das heisst aber noch lange nicht, dass wir unseren Job auch gut machen.» Zentral sei, dass Colafluid von Bands wie den Smallfaces, Kinks, Beatles beeinnflusst werde, aber auch von Led Zeppelin oder Pink Floyd fasziniert sei – und die Jungs auch Motorhead, Turbonegro oder Slayer hören, wenn ihnen danach ist. «Wir brauchen diesen Horizont, diesen Ausgleich der verschiednen Stile, damit wir uns nicht in Richtung eines bestimmten Genres bewegen, das schon da ist. Und wenn du keine Musik wie Floyd hast, bringst du diese Gefühle gar nie rüber – denn solche Emotionen kannst du auch mit harter Gitarre rüberbringen. Das kapieren viele Leute nicht.» Auch die Kritiker haben «Southern Death Swing – A Barfight Sinphony» landauf landab äusserst positiv aufgenommen. Oft wurden Vergleiche mit internationalen Acts herbeigeholt – und meist schnitten die Thuner dabei besser ab. Immer wieder tauchte dabei die These auf, es handle sich bei «Southern Death Swing» um ein Konzeptalbum. «Langsam glaube ich daran», meint Gage, «ich habe das schon oft gehört.» Ein Journi sei soweit gegangen, dass er einen Bogen gefunden habe vom «Idiot», zum «Monkey on my shoulder», zum «Star», zum «Mindsailor», der in «Running in a Circle» plötzlich wieder verwirrt werde, «All alone» dastehe, bevor er in «Leaving Town» einen Abgang mache. «Ich staunte nur und sagte: ‹Hey Mann du faszinierst mich – das habe ich alles nicht gewusst!»
Yeah - say it loud!
Das Konzert in der Alten Taverne Adelboden ist laut Gage das letzte vor einer längeren Pause. «Ich glaube, wir können alle diese Pause gut brauchen.» Denn: «Teil von Colafluid zu sein, ist extrem anstrengend», sagt Sänger Gage. Zum einen, weil er «noch nie» einen Act gesehen habe, dem soviel Widerstand entgegengebracht worden sei. Auf die Aussage, Colafluid seien mit ihrem breitspurigen Gehabe selber Schuld, wenn ihnen nun eine steife Bise ins Gesicht bläst, entgegnet Gage: «Ich hätte die Schweizer ironischer eingeschätzt. Aber es entwickelt sich eine Subkultur im Land, eine Bandkultur, die so wie ich glaube diesem Land angemessen ist – wie man das auch immer interpretieren will...», meint Mister Strachelfrisur vielsagend. Gage glaubte, die Zeit sei reif für jemanden der die ganze Chose mal kräftig auf die Schippe nimmt. «Ihr wollt einen Rockstar? – Hier habt ihr einen!!!», ist sein Credo. Und zwar ohne sich zu verstellen. «Wir sind anders – nur begreift das niemand», sagt der Colafluid-Frontmann. Die Folge: «Die Leute haben uns nicht gerne, so wie wir sind. Wir kämpfen seit dem Sandkasten mit Widerständen. Wer in dieser Band spielt, war früher ein Aussätziger. Da haben sich vier Leute gefunden, die alle eigene Individuen sind und gemeinsam haben, dass einer durchgeknallter als der andere ist.» Dass Colafluid aus vier starken Individuen besteht ist für Gage nach innen kein Problem – «aber nach aussen wirkt unsere Attitüde aufgesetzt. Viele Leute begreifen nicht, dass es in der Schweiz, besonders im lauschigen Thun, Leute gibt, die soviel Scheisse fressen mussten, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Und jetzt kommt dieses Gesindel plötzlich in den Zeitungen – das fährt vielen mächtig schief ein.»
Back is Black
Trotzdem: Gage ist überzeugt, dass das «Experiment Colafluid» nicht gescheitert ist. Es brauche zwar recht viel Disziplin, Mut und Geld, um immer wieder neue Platten zu machen und vorwärts zu kommen. Das Ziel ist aber klar: Auch wenn Colafluid nie Verkäufe wie Plüsch haben wird, soll’s weiter vorwärts gehen. Zum Beispiel im nächsten Sommer auf den Festivals. «Mein Plan ist Etwas, mit dem man grösser arbeiten kann als in den Klubs, etwas, das für uns und unser Publikum wieder von neuem interessant und spannend ist» orakelt Gage. «Ich will einfach mal aus diesem ganzen Mittelmass ausbrechen. Ich meine sieh mich an: Ich bin einer, der auf Show steht, auf Entertainment – das will ich einmal ausleben auf der Bühne!» Und dann wieder ganz Gage meint er, er träume nicht nur von einer Bühne, in der Schweiz, die er rocken möchte. «Ich träume von ein paar Schweizer Bühnen!»
Copyright trespass.ch [br] Source: https:// https://www.trespass.ch/de/bands-a-z/c/colafluid/colafluid_ist_extrem_anstrengend.htm