Paul Camilleri: „Der Schweizer Markt wird sich aufteilen.“

Text: Ko:L
Bilder: musicbild.li/p-f-g.ch
Paul und seine Gäste live
Es war ein Bild für die Geschichtsbücher am Samstag Abend um halb neun auf der Hauptbühne des Openair Hoch-Ybrig: Blueser Paul Camilleri mit Drummer Tom Beck und Felix Müller am Bass, dazu Krokus-Legende Marc Storace, Souler Camen und in der Zentralschweiz Native-Rocker Ivo gaben zusammen den Klassiker „American Woman“. Eine Featuring-Session, die zum einen dank Pauls Vorliebe für solche und ähnliche Events – mit Storace und neun anderen Gästen spielte er schon an der Expo.02 und Camen besuchte ihn an den Musikfestwochen in Winterthur – zum anderen gesteht er: „Ich hatte die Wahl, ‚alleine’ am Nachmittag zu spielen, oder mit Gästen am Abend. Und das Zeitfenster am Abend ist einfach interessanter.“
Ko:L und Paul im Talk
Zuvor bewies Camilleri in den dreiviertel Stunden, in denen das Trio eigene Songs präsentierte, dass es neben Philipp Fankhauser noch andere Blueser von Weltformat gibt in der Schweiz. Mit seinem druckvollen Rock’n’Blues avancierte er zur Überraschung des Festivals und zog die Leute nach dem Mörder-Regenguss vom Nachmittag wieder in Scharen vor die Hauptbühne. Aufs wesentliche reduziert – schlichte, ehrliche Geschichten in ebensolchem Kleid – sorgten die Songs des Engländers mit maltesisch-libanesichen Wurzeln für viel Druck und vor allem mächtig gute Laune. Dass die Sonne und der Talkessel, der im Abendlicht in saftigstem Grün leuchtete dabei das Ihre zu einem stimmigen Gig beitrugen, darf hier für einmal vernachlässigt werden.
Paul Camilleri im Talk
Dass Camilleri an einem „Best of Swiss Music“-Event spielt, ist genau genommen Beschiss – zumindest im Ansatz. „Du könntest meine Anwesenheit hier mit meinem C-Ausweis rechtfertigen“, sagt er und lacht. Denn Schweizer einen Schweizer Pass hat er keinen. „Im Ausland gelte ich als Engländer. Aber ich fände es peinlich, so lange in einem Land zu leben und nicht einmal die Sprache zu beherrschen.“ Landesgrenzen im klassischen Sinn kennt er deshalb genauso wenig, wie musikalische Schubladisierungen. Traditioneller Blues, Blues mit poppiger Färbung, rockiger Blues mit Poppa Chubby oder jüngst bluesiger Rock unter den Fittichen von Francis Rossi (Staus Quo) – Paul Camilleri hat sie alle gesehen, gemacht und geliebt.
Paul Camilleri live
Der nächste Schritt ist naturgemäss die verstärkte Suche nach dem eigenen Fokus. „Die letzte Platte tönte bisweilen ein wenig nach Poppa Chubby, die neue da und dort nach Quo“, sagt Paul. Deshalb steht für ihn fest: „Das nächste Album produziere ich wieder selber.“ Um eben just dieses eigene Profil herauszuarbeiten. Was nicht heissen will, dass der Winterthurer die Arbeit mit den beiden Weltstars nicht schätzen und lieben gelernt hat: „Du kannst einfach enorm viel lernen“, sagt er schlicht.
Paul Camilleri live
Vorerst steht aber sein aktuelles Album „Camilleri 4“, bei dem eben Francis Rossi als Produzent wirkte, im Mittelpunkt. Diese Tage erscheint die Platte in Deutschland, Konzerte in angestammten Landen wie eben Deutschland, aber auch England, Ungarn oder Spanien sollen folgen. Und: „Ich habe mir zum Ziel gesetzt, pro Jahr jeweils in ein, zwei neuen Ländern zu spielen.“ Frankreich und mindestens eine Destination in Skandinavien sollen deshalb folgen. Und zum Schluss meint Paul, angesprochen auch den „heimischen“ – sprich Schweizer Markt: „In der Schweiz ist es wirklich schwierig, auf einen Schlag mit einer geballten Markt- und Marketing-Ladung rauszukommen. Musikmagazine fehlen beispielsweise praktisch komplett“, hat er festgestellt. Stattdessen lesen die Leute deutsche oder englische Magazine. Nicht zuletzt deshalb glaubt Paul: „Der Schweizer Markt wird sich irgendwann aufteilen und nach Deutschland, Frankreich oder Italien ausrichten.“
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