Ken Hensley: „In Daniel lebt die 'Lady in Black' weiter!“
Text/Bilder: Ko:L
Der Nachmittag ist sonnig und warm, der Tisch an der Sonne vor den Powerplaystudios in Maur ein begehrter Platz. Stünde er nicht vor einem Tonstudio, man könnte sich in einem Café wähnen. Einem Rock-Café. Am Tisch sitzen neben Leuten von der Presse Ken Hensley und Daniel Kandlbauer; „die Vergangenheit und die Zukunft der Rockmusik“, wie Ken im Verlauf des Gesprächs sagen wird. Die Arbeit, an welcher die beiden vor und nach der Plauderrunde sind, wird in eine mindestens kleine Sensation münden. Der frühere Sänger von Uriah Heep und der Berner Oberländer Rockmusiker singen zusammen den Uriah Heep-Klassiker „Lady in Black“ neu ein! Nach 37 Jahren hat Hensley zum ersten Mal eingewilligt, bei der Aufnahme einer neuen Version des Rock-Klassikers mitzuwirken. „Es hat schon viele Anfragen in dieser Richtung gegeben“, erzählt er, „auch von sehr renommierten Künstlern. Aber ich wollte nicht, dass der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund steht. Mir geht es um die Musik.“
Kandlbauers Idee, den Song neu und zeitgemäss zu arrangieren, hätten ihm gut gefallen, sagt Ken. „Daniel hat dem Song neues Leben eingehaucht, ohne die Seele des Originals zu vergessen“, fährt er fort. „Ich habe 'Lady in Black' 37 Jahre mit mir herum getragen. Wenn ich einmal sterbe, kann jetzt Daniel den Song weitertragen!“ Soviel zum Thema gegenseitige Anerkennung. „Es geht einfach um Freude an der Musik“, erklärt Ken und lacht. „Wir haben da nicht irgendwie ein Chef-Lehrling-Verhältnis!“ - „Wir haben schon mal gecheckt, wie der Song etwa tönen soll und jetzt sind wir dabei, aufzuteilen, wer welchen Part einsingt“, erklärt Kandlbauer und flachst: „Er singt zwei Takes und das Zeugs sitzt; ich singe 50 Takes und es sitzt immer noch nicht.“ Doch Ken relativiert: „Ich werde gleich meinen Teil noch einmal singen“, und korrigiert, „nein, performen. Die erste Version war zu defensiv, mir fehlen noch die Emotionen.“
Emotionen, das wird bald klar, sind für beide, Altstar und Youngstar, alles. „Die Arbeit im Studio soll ein angenehmer Prozess sein, zum Geniessen und Freude haben“, ist Kandlbauer überzeugt. „Nur so kann positive Energie entstehen und transportiert werden.“ Die Wege, diese Emotionen zu finden, in einem Song festzuhalten und an die Leute weiterzugeben, könnten allerdings gegensätzlicher nicht sein: „Das einzige, was ich zum schreiben von Liedern brauche, sind Stift und Papier“, erzählt Ken. „Ich schreibe Fragmente oder ganze Texte auf und mache zu Hause in meinem Musikzimmer die Musik dazu.“ Kandlbauer hingegen hat „wann immer möglich“, die Gitarre dabei und hält Melodien oder Teile davon auf einem Aufnahmegerät fest, um sie später zu komplettieren und mit Texten zu ergänzen. „So komme ich auch nicht unter Druck, auf die Schnelle Songs schreiben zu müssen, wenn plötzlich der Release-Termin der Platte naht.“ Ein Vorgehen, dass der erfahrene Ken Hensley unterstützt. „Es ist sehr wichtig, immer eigene Songs zu haben“, sagt er und weist auf Onehit-Wonder wie The Knack mit „My Sharona“ hi. „Wenn du keine eigenen Songs hast, stehst du plötzlich auf verlorenem Posten.“
Und plötzlich sind die beiden Vollblutmusiker inmitten eines tief greifenden Gedankenaustausches über das Schreiben von Songs. „Songs müssen entstehen“, sind sie sich einig. „Meine besten Songs sind jene, die in einem Guss entstanden sind, einfach aus mir rausgeflossen“, sagt Kandlbauer, „so ist etwa 'Fly Baby, fly' entstanden.“ - „Sobald das Schaffen eines Songs Arbeit ähnelt, solltest du eigentlich aufhören“, ergänzt Ken. Er, der sich nicht als Schöpfer von Songs sieht, sondern als Werkzeug. „Bei mir entstehen die schönsten Lieder ähnlich wie bei Daniel, wenn ich selber nicht viel dazutun muss.“ Und ganz selten, „in fünf bis zehn Prozent der Fälle“, ist Ken mit einem fertigen Song wirklich zufrieden. „Das sind die schönsten Momente in meinem Leben.“
Mit „Lady in Black“ hat Ken Hensley eines jener Lieder geschrieben, die um die Welt gegangen sind – und es immer noch tun. „Ich habe das Lied geschrieben, weil ich ein Lied schreiben wollte“, sagt er, „nicht weil ich einfache Akkorde und einen einfachen Refrain, den alle mitsingen können, suchte.“ Und was geht ihm durch den Kopf, wenn sein in unzähligen Versionen, Sprachen und zum Teil mit neuen Texten versehen gecovert wird? „Ich merkte irgendwann, dass die Ideen, Gedanken und Emotionen, die ich in einen Song stecke, nie dieselben sind, wie jene der Leute, die sie hören. Du kannst nie voraussagen, was aus einem Song wird.“ Sagts, posiert mit Kandlbauer für ein Foto an der Sonne – und schon verschwinden die beiden wieder im Studio. Um an einem Song zu arbeiten, der schon Geschichte geschrieben hat – und es vielleicht noch einmal tun wird. Ein gemeinsamer Auftritt anlässlich der Taufe von Kandlbauers neuem Album ist zumindest schon im Gespräch.