Déborah - Alles zu seiner Zeit

Text: Monthy
Bilder: Cover/IV - Mary/Live - www-capricefestival.ch
Die Zeit ist gekommen für Déborahs zweites Soloalbum
Die Zeiten stehen auf Solo bei Sens Unik. Nachdem bereits Carlos als Schauspieler für "Snow White" eigene Wege ging, tut dies nun auch Sängerin Déborah oder zumindest scheint es so. Genauso wie der Titel ihres Albums "Un temps pour tout" etwas verdreht als "Alles zu seiner Zeit" zu übersetzen ist, steckt aber hinter Déborahs Solo mit Produzent Just One und Drummer Bio die abgesehen von Carlos komplette SensUnik-Crew. Und ganz nebenbei bemerkt, hat Déborah schon einmal ein Solo gemacht., wie sie mir gleich zu Beginn unseres Interviews bestätigt: "Ja, ich habe vor zehn Jahren ein Album mit Namen 'Naturellement' gemacht. Wir hatten aber zu der Zeit sehr viel Arbeit mit Sens Unik und haben uns mehr darauf konzentriert als auf mein Projekt. Das hat mich damals nicht weiter gestört, aber ich habe immer gesagt, dass ich ein weiteres machen will und habe nun den richtigen Moment dafür abgewartet. Ich hatte halt viel Arbeit mit Sens Unik und Freundeskreis und ich habe auch eine kleine Tochter. Aber jetzt ist die Zeit für ein neues Album gekommen." Dabei profitiert Déborah natürlich von der geleisteten Vorarbeit, was sich auf dem Album beispielsweise in der Mitarbeit von Shurik'N von I AM manifestiert. Shurik, Just One und Déborah bildeten den kleinen Kreis für die Produktion. Weil aber die Gefahr bestand, dass man zu nahe bei Sens Unik enden könnte, wollte Déborah auf der musikalischen Ebene auch noch mit anderen Künstlern zusammen arbeiten. "Es sollte halt wirklich mein Album werden. Bei Sens Unik sind es mehrere Personen, die entscheiden. Bei meinem Projekt bestimme ich über jeden Text, jeden Song, jedes einzelne Ding."
Pressetag von Déborah im Muve-Haus in Zürich
Den grossen Unterschied dabei sieht Déborah in der Verantwortung: "Gerade weil ich bei Sens Unik eher etwas im Hintergrund bin, spüre ich die enorme Verantwortung nun besonders. Gleichzeitig ist es sehr aufregend und ich habe Spass daran. Ich wollte mir nur nicht die Finger verbrennen…" Via Promotext lässt die soulige Lady verlauten, dass sie auch bei Sens Unik ums Rampenlicht kämpfen musste. Darauf angesprochen erklärt sie: "Nun, jeder muss doch kämpfen im Leben. Wenn du die Leute nicht fragst, erklärt dir niemand den Weg. Das ist überall das Gleiche. Mir wurde irgendwann bewusst, dass es unter den Fans von Sens Unik ein Bedürfnis nach Gesang gibt und dass ich diesen Hunger stillen kann. Das hat mir auch geholfen, mich nicht allzu sehr im Zusammenhang mit Sens Unik zu sehen sondern als eigenständige Künstlerin, was fürs Solo noch so wichtig war. Die Kämpfe wurden immer diplomatisch geführt, aber ab und zu musste ich schon auch auf den Tisch hauen." Und Déborah dürfte es sich ja gewöhnt sein zu kämpfen. Oder wie war das mit der Hiphopperin, die selbst nicht rappt? – "Ich will nicht sagen, dass es mir nicht auch wichtig ist, respektiert zu werden. Aber als authentische Person fühlst du diesen Respekt fast automatisch. Ich habe immer versucht, mich selbst zu sein. Von da an gibt es immer Leute, die dich mögen und solche, die dich nicht mögen. Die meisten, die zuerst dachten, ich sei nicht down mit dem, was ich mache, haben sich mittlerweile daran gewöhnt oder haben mich als Person kennen gelernt und deshalb ihre Meinung geändert."
Déborah am Caprice Festival in Montana diesen März
Auf "Un temps pour tout" gibt sich Déborah vornehmlich seelenvoll. Ein Blick auf die Leute, die mitgearbeitet haben, verrät abe, dass auch ein fetter Teil Hiphop in den Songs drin stecken muss. Déborah: "Hiphop ist für mein Leben wichtig, seit ich ganz jung war. Er hat mich begleitet bis zu dem Punkt, wo ich jetzt bin. Ohne auf die Strasse zu gehen in meinem Quartier wäre ich nie bei Sens Unik gelandet. Ohne Sens Unik wäre ich jetzt keine Solokünstlerin. Alles ist verbunden. Deshalb bereue ich auch nichts, schon gar nicht das, was ich mit Sens Unik gemacht habe. Wir sind immer noch eine grosse Familie und bis auf Carlos sind ja auch alle an meinem Solo irgendwie beteiligt." Dass Hiphop ursprünglich eine ganze Kultur war, ist zwar hinlänglich bekannt, aber gerade die Ansicht einer singenden Hiphopperin interessiert mich natürlich. Grundkurs Hiphop mit Déborah: "Hiphop war ursprünglich eine Kultur, die den Rap, den Breakdance usw vereinigte. Und es war schon immer eine Kultur der Gewaltlosigkeit. Ich bin immer noch Teil dieses Hiphops. Ich mag beispielsweise die französische Rapperin Diams, die es schafft unter den Besten als Frau respektiert zu werden. Sie kann es sich erlauben, sensible Texte zu machen, ohne dass dies der Kraft ihrer Persönlichkeit schaden würde. Das ist für mich Hiphop." Selbst zu rappen, wäre aber keine Option für die Sängerin, oder? – "Siehst du, jeder hat ein Talent und meines ist der Gesang. Dafür kann ich viele andere Dinge nicht. Ich habe mich immer gerne an den Hiphop 'ausgeliehen', weil es mir leicht fällt zu singen. Wenn ich heute in das Ganze reingeriete, würde ich vielleicht auch rappen, wer weiss? Die wenigen Momente, in denen ich ansatzweise gerappt habe, gaben mir kein speziell gutes Gefühl."
Während dem Interview wird die ganz normale Frau zum Glamour Girl
Die Texte auf "Un temps pour tout" stammen eigentlich von Shurik 'N, entstanden aber in enger Zusammenarbeit mit der Sängerin. Déborah: "Anfangs wollten wir eigentlich nur ein Stück machen, 'La Route', obwohl wir damals natürlich noch nicht wussten, wie es heissen würde. Wir haben dabei festgestellt, dass wir mit sehr ähnlicher Methode arbeiten und dass wir schnell vorwärts kommen. Also haben wir weiter gemacht. 'Un temps pour tout' beispielsweise ist ein Text, der von mir stammt, von irgendwann zwischen 'Naturellement' und heute. Ich habe die Angewohnheit, alles was ich aufschreibe aufzubewahren. Man weiss ja nie. Als Shurik jeweils am Morgen kam, haben wir eine Musik ausgewählt und in diesen Blättern gekramt. Er hat sich also daran inspiriert. Andere Stücke wie 'Pour toi' hat er selber erarbeitet." Und dies über die Geschlechtergrenze hinweg, was besonders angesichts der Tatsache erstaunt, dass "Un temps pour tout" ein sehr feminines Album ist. Zwar emanzipiert, aber feminin. Déborah: "Er hatte kein einziges Problem damit. Der Vorteil mit ihm ist, er kennt mich und meinen Charakter seit fünfzehn Jahren und hat sich da gut hinein gedacht. Es war sehr lustig, weil er dauernd mit irgendwelchen Sätzen daher kam und nachfragen wollte, ob das so gehe. 'Je suis fleur ou lionne, ça dépend du cas – Ich bin Blume oder Löwin, kommt darauf an – geht das für dich?' Und es ging eigentlich immer…"
Den gleichen Effekt auf Déborah hat eine Bühne
Bei Sens Unik waren vor allem die Intros und Refrains das Einsatzgebiet von Déborah ("…und ab und zu ein ganz kleiner Teil der Strophe…"). "Un temps pour tout" gibt ihr nun Gelegenheit, wirklich zu zeigen , was sie drauf hat. – "Man hat sich selbst ja immer etwas zu beweisen. Ich weiss, dass ich die meisten Songs, die ich höre auch singen kann. Für die Leute war das nicht immer so ersichtlich und daher gibt es jetzt schon Reaktionen im Sinne von: 'Ich wusste gar nicht, dass du das kannst'. Das verdanke ich auch Shurik 'N und seinen Melodien, die ich alleine nicht gefunden hätte. Seine Melodien sind viel schwieriger zu singen und ich musste viel mehr dafür arbeiten. Er schreibt manchmal fast rap-artig, was viel Atem verlangt. Für mich war es eine entsprechende Herausforderung. Songs wie du sie auf MTV hörst, kann ich massenweise singen, aber ich wusste nicht, ob ich Shuriks Songs eine ganze Stunde lang auf der Bühne würde durchziehen können. Das erste Mal war ich dann sehr stolz – heute reicht mir das natürlich schon wieder nicht mehr." Die Arbeit mit Produzent und langjährigem SensUnik-Bandmitglied Just One stellte Déborah auch nicht vor Probleme. – "Just ist eine sehr ruhige und überlegte Person, ich dagegen bin Typ 'Feuer und Flamme'. Mit den Jahren habe ich gelernt, wie ich nehmen muss, um das zu kriegen, was ich will und er weiss haargenau, wie er mich im Studio behandeln muss. Just ist einer meiner besten Freunde, wir können uns alles sagen und es ist doch deutlich angenehmer mit jemandem zu arbeiten, den man kennt."
Kein Fan von Musicstar, dafür ein Music Star - Déborah
Die Gefahr, mit dem Resultat zu nahe bei Sens Unik zu landen, war dabei durchaus Thema und Déborah hat sich etwas einfallen lassen, um dem entgegen zu wirken. – "Ich wollte absolut vermeiden, dass wir so was wie Sens Unik ohne Carlos machen. Just One hat eine sehr spezifische Art Musik zu machen. Ich erkenne neun von zehn seiner Songs blind. Zudem habe ich eine Stimme, die jahrelang für den Namen Sens Unik stand. Ich wollte aber absolut vermeiden, dass wir so was wie Sens Unik ohne Carlos machen. Deshalb haben wir zusätzliche Leute eingebracht: Yvan (Stress, Anm der Redaktion), Version F, MXX, DJ Proms aus Genf." Diese – mit Ausnahme von Stress – Newcomer wurden aus den Produktionen ausgewählt, die Just One und Déborah durchs ganze Jahr einfach so zugeschickt werden. Ein weiteres gutes Beispiel zum Thema: Frechheit siegt.
Mehr Live-Bilder von Déborah gibt's auf www.caprivefestival.ch
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