OBK - Bier ja, ernst nein

Text/Bilder: Monthy
Sieben vorne gegen einen hinten - ist das nicht unfair?
Die Frage, wer die Fidelen Oschtblock Kuabuaba sind, lässt sich mannigfaltig beantworten. Meine persönliche Version baut auf dem Besuch ihres Auftritts am Openair Frauenfeld auf. Dort macht sich nach der lyrischen Einführung durch den Organistor und der musikalischen des einsamen DJs eine siebenköpfige Vokalisten-Reihe breit, die dem scheinbar durchwegs minderjährigen Publikum eine knappe Stunde lang Melodien für Millionen àla Hiphop bietet. Mit geballter Stimmkraft machen OBK böse Miene zum guten Spiel und erweisen sich vor allem in siebenkehligen Punchlines als ganz besonderer Act. Das Konzept, wenn man das bei den Künstlern meist verhasste Wort wieder mal bemühen will, ist einfach und doch immer wieder sehr überraschend. Samples und Tracks werden crossover die moderne Musikgeschichte eingesammelt und zu Hiphop-Songs umgewandelt, die zumeist auch einen ironischen Twist in die ursprüngliche Geschichte hineintragen. So wird in Mash's "Ewigi Liebi" beispielsweise neu der Suchtfaktor des Ganzen hervorgehoben - man reime sich den Rest selbst zusammen... Und auch sonst sind die volksnahen Rapper für manche Überraschung gut. Etwa wenn an publikumswirksamer Stelle der angeblich tatsächliche Autor von Scorpions' "Wind of Change" als überraschender Bühnengast präsentiert wird - ein junger Ostschweizer und Kommunist der ersten Stunde... Die Apdation des oben erwähnten Hardrock-Klassikers ist für mich übrigens das erste grosse Highlight des Tages.
Meine Gesprächspartner - links Orantsch, rechts Liv
Das zweite offenbart sich mir im Interview mit Liv und Orantsch, die zusammen mit Gimma, Cigi, Lou Geniuz, Sir Beni Styles, Ali Da Bengali und DJ Fat Freedom hinter dem Kürzel OBK stecken. Während draussen zu Stress' "Rain" tatsächlich ein heftiger Wolkenbruch niedergeht, beantworten die beiden "Kuabuaba" meine interessierten Probebohrungen geradeheraus. Etwa ob das Chaos bei 7facher Besetzung des Mikrofons nicht vorprogrammiert sei? - Liv: "Das ist es definitiv, aber das macht uns teilweise auch aus. OBK steht für Chaos - in jeglicher Form. Andererseits schaffen wir es meistens auch, die sieben Vocalists live auf einen Nenner zu bringen, so dass jeder weiss, wann er seinen Part einbringen muss und es eben nicht Scheisse tönt schlussendlich. Heute hatten wir zwar ein paar Abschiffer in den Textpassagen, aber das musste wohl so sein..."
Das Kuabuaba Stage-Outfit: Mäucherhemmli
Erfordert es denn besonders viele Absprachen, um einen OBK-Song bühnenreif zu machen? - Orantsch: "Nein, gar nicht so viele. Im Studio haben wir viele Songs spontan an einem Abend erarbeitet. Vor dem Auftritt gibt es zwei, drei Abklärungen. Danach ist eigentlich jeder sich selbst überlassen. Spontaneität und Freiheit sind bei uns ziemlich hoch angeschrieben." Die Laufwege werden dabei sicher nicht abgesprochen. Es kann also durchaus passieren, dass zwei Kuabuaba auf der Bühne ineinander knallen... Liv: "Das auf jeden Fall... Und wegen den Absprachen: Wenn du jemand backen musst, merkst du das innerhalb der ersten zwei, drei Konzerte. Danach ist es eigentlich kein Problem mehr."
Taffe Posen auf der Bühne - vorne Lou Geniuz, hinten Orantsch
Auf ihrem Debut-Album "America is back" dissen die als Einzelkünstler längst gestandenen Rapper mal ganz anders. Nämlich nicht innerhalb der Szene sondern nach aussen. Liv amüsiert sich erstmal über meinen Ausdruck "Dissen mal anders", bevor er antwortet: "Klar ist es irgendwie Blödsinn auf dem Album. Aber es sind alles Dinge, die wir selbst erlebt haben oder Aussagen, in denen wir uns wiedererkennen. Wenn wir also 'Nein' zu diesem oder jenem sagen, dann weil es uns aufregt oder auch weil wir es cool finden. Es ist kein Dissen gegen alles, sondern mehr ein Öffnen. Die Hiphop-Szene ist ja genau so: Ich diss diesen und jenen, bin besser, bin dies und das... Wir haben alle schon zur Genüge bewiesen, dass wir etwas können. Deshalb wollten wir dieses Fahrwasser ein bisschen verlassen und ein weniger stures Album machen. Auch vor dem Hintergrund, dass ich, wenn es mir schlecht geht, nicht noch traurige Musik hören will. Dann will ich einen Song, der Party macht und mich zum Lachen bringt. Ein Song, der vielleicht auch mal an Grenzen stösst und etwas Provokatives bietet, aber so dass ich es lustig finden kann." Auch Orantsch bläst ins selbe Horn, das aufgrund der "Mäucherhemmli", welche OBK auf der Bühne tragen, logischerweise ein Alphorn sein muss: "Wir wollen das ganze Hiphop-Game mal ein bisschen auf die Schippe nehmen. Zeigen dass nicht alles so bierernst ist, wie viele meinen. Hiphop war schon immer eine Kultur, aber kein Lebensstil. Man lebt nicht für Hiphop sondern mit Hiphop. Diese Kultur hat viele Farben und wir malen vielleicht eine an die Wand, die in der Schweiz noch nicht so bekannt ist..."
Auch er ein Kuabuab - Gimma
Das wird auch durchaus verstanden - zumindest von denen, die von OBK direkt angegangen werden. Als Hobby-Boxer Gimma Mash's Padi medial ein Veilchen androhte, malte dieser es sich beispielsweise freiwillig ins Gesicht und publizierte das Foto auf seiner Homepage. Aussenstehende verstehen solches gerne mal falsch und sehen in der Second-Life-artigen Promowelt von OBK vor allem prinzipielle Provokation. Liv nimmt die Gelegenheit gerne wahr, sich zu diesen Vorwürfen zu äussern: "Ich seh das so. Wer Humor hat, versteht das. Obwohl wir sicher nicht einen normalen Humor haben. Wer South Park lustig findet, findet auch OBK cool. Ich sehe das so ein bisschen bei meinen Eltern. Die finden ein paar ganz wenige Sachen aus South Park lustig, sind sich aber hauptsächlich schockiert, von dem, was dort rausgelassen wird. Bei uns ist das ähnlich. Wir gehen schon über einige Grenzen hinweg. Beispielsweise dass wir einen Song machen, der uns als Schwule outet, ist im Hiphop schon eine Rarität. Jetzt kommen dann wohl die Gay-Rapper - Busta Rhymes soll endlich dazu stehen... In der Hauptsache ist das lustig und offen. Ich persönlich habe im Vergleich zu meinem puren Rap-Solo-Album auch eine extreme Öffnung erlebt. Vor zwei Jahren habe ich beispielsweise noch keinen Elektro gehört. Man hört nun dem Album auch an, dass jeder von uns auch ausserhalb des Hiphops eine Heimat hat." Das beweisen sie unter anderem mit ihrer Songauswahl. Das oben erwähnte "Daddy, i bi schwul" ist unverkennbar eine Mundart-Version von "Daddy Cool" - gegen Ende des Konzerts artet das Ganze gar aus - in ModernTalking-Tracks oder "Anton aus Tirol". Liv: "Wir hätten auch noch David Hasselhoff covern können - da hätte ich gar nichts gegen gehabt..."
Bildaussage: Ist Hiphop die neue Schweizer Volksmusik?
Dissen basiert auf beissenden Sprüchen, die - gerade in der Hiphop-Szene - oft unter die Gürtellinie zielen und den Gegner blossstellen wollen. Eigentlich ist es aber nicht bösartig, sondern eine Herausforderung an jemanden. Liv: "Es gibt ja schon Unterschiede. Entweder man battlet sich auf der Bühne - dann ist es einfach ein Sport. Oder man hat ein Problem mit einem Kollegen und macht aus diesem Grund einen Diss-Track. Dabei geht es oft um Fadenscheiniges. Gimma kann ein Lied davon singen - er allein hat schon über 30 Tracks gegen sich erhalten von Leuten, die ihn gar nicht interessieren. Einfach weil jeder, der den Erfolg vergeblich sucht, sich an seinem erfolgreichen Style aufreiben darf. So find ich das total überflüssig. Wenn man wirklich einen Grund hat, der Track solid ist und das Ganze einen Hintergrund hat, halte ich Dissen für cool. Was wir machen, ist aber nicht eigentliches Dissen. Es ist vielmehr Satire, aufgebaut auf der Realität." Auch Orantsch hat da so seine Meinung zu: "Das ganze wird ja auch als Comedy-Rap verkauft. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wo wir im Album wir jemanden dissen. Aber ganz abgesehen davon: Wer sich betroffen fühlt, ist selber schuld..." Zum Abschluss des Themas möchte ich noch bemerken, dass gezwungenermassen auch etwas Respekt mitschwingt, wenn man die Songs von anderen auf einer Bühne zum Besten gibt. Schliesslich hat man sie ja aus irgendeinem Grund aus hunderten anderen ausgewählt...
Nein, gejodelt wird dann doch nicht bei OBK Konzerten...
Die in OBK steckende Ironie - übrigens absolut auch sich selbst gegenüber - wirkt am Konzert bombastisch. So zelebriert das neo-volkstümliche Septett beispielsweise den Gimma-Track "Mis Läbe isch so scheisse und i hasse mi drfür" mit einer Freude, die sehr ansteckend wirkt, und verstehen es, das Publikum innert Sekunden zu aktivieren und zu begeisten. Das muss ein ziemlich tolles Gefühl sein...? - Liv: "Das ist so. Ein deutscher Rapper hat kürzlich gesagt, er müsste mehr Tracks in der Art haben - die Welt liebe ihn, wenn es ihm Scheisse gehe. Auch todtraurige Balladen werden von den Leuten ja teilweise mit voller Begeisterung mitgesungen. Dieser Song ist dazu noch auf Ska aufgebaut und eignet sich deshalb besonders gut. Und jeder kennt doch die Situation im Leben, in der er sagt: 'Scheiss drauf, ich will abhauen, an den Strand und einfach nur Spass haben.' Die Leute können sich damit identifizieren. Und sowieso: Selbstironie kommt in der Schweiz immer besser an, und das ist gut so. Denn davon hat's in der Hiphop-Szene nicht wirklich viel... Wir können's mittlerweile doch sehr gut."
Gymnastik à la OBK - in der rechten Hand das Mic, links Calanda
Spielt es vor dem Hintergrund überhaupt eine Rolle, was man sagt - oder eigentlich nur wie...? - Orantsch: "Schon unser Auftreten kann als Provokation gesehen werden, dazu auch was jeder einzelne von uns sagt. In meinem Fall - Ich rappe eher mit einer tiefen Stimme und werde deshalb vielleicht eher als aggressiv wahrgenommen. Wir haben unsere Charaktere, dahinter sind wir schon etwas ruhiger. Das sehen die Leute natürlich dann nicht." Liv hat einen leicht anderen, auch sehr interessanten Ansatz gefunden: "Es kommt nicht einmal darauf an, wie man was sagt - sondern was man wie verpackt. Wenn man die krassesten Ausdrücke richtig platziert im Track, kommen sie auch besser an. Eine direkte Aussage provoziert da mehr. Ich habe beispielsweise den Satz: 'Ihr hängend im Käller wi verschwundeni Kids', für den ich sehr stark angegangen werde, das sei böse und primitiv. Sorry - wir dürfen heute auch über Hitler-Witze lachen. Das ist offiziell legitim..."
Die Mariachis - Ein Souvenir aus den Kuabuaba-Ferien...
Damit wären alle Fragen erstmal ausgeräumt und die SouthPark-Fans haben in mir einen Bruder im Geiste gefunden. Deshalb verstehe ich aber trotdem noch nicht ganz alles - was machen eigentlich Mariachis ausgerechnet bei den OSCHTblock Kuabuaba auf der Bühne? Liv: "Die waren auch in Guantanamo inhaftiert, als wir dort Ferien gemacht haben. Wir haben sie dort getroffen und die haben so gute Musik gemacht, dass wir sie auf Openair-Tournee mitgenommen haben." - Orantsch: "Sie kamen raus, als wir am Strand lagen und bei Tequilla haben wir uns gefunden..." Und nochmal Liv: "Eigentlich haben sie auch unseren Song 'Ferie in Guantanamo' geschrieben. So wie Boris Ivanovic den 'Wind of Arosa'..." Bevor wir endgültig ins Blödeln verfallen, stelle ich das Tape ab und greife zur Kamera. Denn ich habe noch einen Tip für die Bündner Hobby-Bauern: Den Imbissstand "zum singenden Kuhstall". Eigentlich der ideale Ort, um das Vorhaben wahr zu machen, dass Die Fidelen Oschtblock Kuabuaba noch auf der Bühne formuliert hatten: "...wenigstens einmal im Jahr so besoffen sein wie das Publikum!"
Das Berggasthaus zum singenden Kuhstall - 100 Meter vor der OBK-Bühne...
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