Rudolph "Hillary" Dietrich - ein Maskulist wie er im Buche steht

Text: Monthy
Bilder: Rudolph Hillary Dietrich
Erstmals aktenkundig wurde der Name Rudolph Dietrich musiktechnisch gesehen 1976, als er den Programmgestalter und DJ im Zürcher Club hey gab. Über 30 Jahre später sitzt er mir im Garten des Novotel Zürich West gegenüber und ich muss ihn einfach fragen, ob ihm das nicht irgendwann langweilig geworden ist. Dietrich relativiert erstmal und gibt mir dann einen ersten philosophischen Einblick in seine Welt: " Wir haben natürlich schwer pausiert... Wir haben's durchgezogen, indem wir es nicht durchgezogen haben..." Rudolph Dietrich war in dieser Zeit in manch einer Band, darunter eine, die man heute noch gerade so kennt: Kleenex. Seine anderen Gefässe hiessen Mutterfreuden, China Blue, No CBS oder Nasal Boys und sind höchstens noch Kennern der frühen Schweizer Punkszene ein Begriff. Warum kehrt Rudi, wie er umgangssprachlich gerne genannt wird, auf die Bühne zurück? - "In erster Linie aus Freude. Es macht wirklich wahnsinnig Spass. Es ist schwer quantifizierbar aber tendenziell sogar mehr als früher und das scheint mir irgendwie verdächtig. Darum bin ich nun gespannt, was passieren wird." In den frühen 80ern waren Bands wie Notausgang oder Grauzone beinahe bekannte Grössen - wie steht's um den Schweizer Punk heute, Herr Dietrich? - "Das habe ich gar nicht mitverfolgt, bin nicht à jour. Ich freue mich, das jetzt neu kennen zu lernen."
Cover im englischen Stil - Sheer hilariousness
Bald einmal spielte der Musiker Rudolpf Dietrich mit seinen Bands auch im Ausland, vor allem im gleichsprachigen Norden. Dazu kam es "schlussendlich mehr oder weniger zufällig. Man hat sich auch damals in eine vernetzte Gesellschaft begeben und wusste sehr wohl, was in anderen Städten läuft. Es gab zwar noch kein Internet, aber man wusste doch von Indy-Produktionen und so. Und man war erstaunlich nahe an den Staaten dran. Die Vernetzung passierte durchaus schon damals, wobei es auch zu sagen gilt: Als wir 1980 erstmals nach Deutschland gingen, gab es noch gar keine Punkszene. Dort hatte es auch erst gerade 1979 angefangen." Heute kommuniziert man wohl mehr und moderner. Die Methoden wurden im Lauf der Zeit immer ausgefeilter. Wird Rudolph "Hillary" Dietrich sein Comeback nun auch via Myspace in die Welt hinaus tragen? Rudi: "Ich weiss noch nicht. Ich finde es wirklich noch witzig und habe mich auch schon mal darin verirrt. Ich halte es für einen interessanten Ort. Bei mir wird es in erster Linie eine Zeitfrage sein und ich bin auch nicht so geduldig mit der Elektronik. Wenn etwas nicht läuft, hat es halt nicht sein sollen. Aber an und für sich hätte ich Lust darauf."
Ein Zeitdokument - Die Nasal Boys 1978
Neben seiner Musikertätigkeit hat Aktivist Dietrich schon immer auch hinter dem Mischpult und weiter hinter den Kulissen gewerkelt. Er holt tief Luft: "Mein Hauptanliegen war immer die Öffnung von Freiräumen. Dem habe ich eigentlich immer gedient. Sei dies mit der Band, im Club oder als Journalist oder als Gründer eines Labels, wir haben stets Leute zusammen gebracht. Ich bin grundsätzlich sehr an Menschen interessiert, an Menschen die auch etwas von sich geben auch. Mit diesen Leuten an diesem Prozess teil zu nehmen ist das spannende für mich. Ich müsste auch nicht unbedingt selber auf die Bühne. Ich habe halt den Trieb, Songs zu machen und die singt sonst niemand. Wenn jemand kommen würde und meine Songs für mich singen wollte, wäre mir nicht unrecht." Der Punker steckt eben nach dreissig Jahren schon noch etwas in ihm, wenn er ganz natürlich zugibt: "Nein, ich halte mich nicht für den begnadeten Musiker. Lustigerweise höre ich meine Songs selber ganz gerne." Und nachdem er meine Vorgängerin herzlich verabschiedet hat, fügt er hinzu: "Die Nasal Boys waren ja eigentlich meine Initialzündung und wir haben ja texto erklärt, dass es uns nicht um die Musik geht. Die Energie war ja viel wichtiger. Und auch was in dir passiert, was bei den Leuten passiert. Wir haben die Musik fast schon missbraucht, jedenfalls als Medium gebraucht. Aber wir hatten nie den Anspruch, gute Musik zu machen." Und Nasal Boys hiessen die Jungs nicht etwa wegen ihrer nasalen Singweise - "Vielleicht konnten wir vieles nicht mehr riechen, witterten etwas in der Luft oder hatten einfach 'chli vill Goggi". Es gibt da mehrere Deutungen..."
Konzertplakat mit Nasal Boys und Kleenex in Carouge
Und damit wären wir bei den Übernamen und damit endlich bei Hillary. Rudolph erklärt mir den heutigen Namenszuatz wie folgt: "'Sheer Hilariousness' ist die erste feministische Arbeit eines Maskulisten. Das ist eine weltweite Premiere. Es zeigt sich schon in der Herkunft von Hillary, das hat ja viel mit Frohsinn zu tun und weist auch auf die Motivation hin. Einerseits ist da die Grenze und der Maskulismus ist ja die Auflösung dieser Grenze. Und Frohsinn ist die Energie." Natürlich hab ich erstmal gar nichts kapiert und bin froh, dass dieser feministische Maskulismus ein Nachhaken erfordert. - "Wenn wir davon ausgehen, dass Feminismus eine Formel beinhaltet, gemäss deren Philosophie sich eine Frau frei entfalten kann, dann muss es ja auch den Maskulismus geben, der dem Mann seine freie Entfaltung ermöglicht. Irgendwann kommen dann die Asexuellen und die Kinder. Und dann sind wir schnell bei den Goldfischen, den Blümchen und beim Universum. Mein Credo ist eigentlich, dass jeder sich entfalten kann."
Am 7. Oktober im El Lokal - Sheer Hilarousness
Am 7. Oktober feiert "Sheer hilariousness" nun diese sagenhafte Weltpremiere, allerdings nicht im hey, wo alles begann. "Sondern im El Lokal", meint Rudolph Hillary Dietrich mit Blick nach vorne, "das soll auch nicht so retro sein. Ich will schliesslich nicht Altes neu herausgeben. Das wird auch nicht vergessen. So bitter es tönt, ist das mein Statement 2006 und das Projekt läuft auch nicht unter meinem Namen sondern unter Hilarious Ltd." Seinen Namen vorab stellen, mag Rudi nämlich nicht. - "Ich habe es einmal getan, um aus einem Vertrag heraus zu kommen, aber sonst würde ich das eigentlich nicht machen. Mein Name ist aber das Bindeglied von Nasal Boys bis Mutterfreuden." Und zum Schluss bestätigt mir Rudolph Hillary Dietrich dann noch, was ich im Verlauf des Gesprächs mehr und mehr zu fürchten begann: Punk ist gar nicht einfach... - Dietrich: "Punk ist hochkompliziert - du kannst nur energetisch auf diese Schiene kommen. Denken hilft da nicht."
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