Eluveitie - Das Erbe der Kelten

Text: Monthy
Bilder: Monthy/Andrea
Deathmetal im Zeichen der Kelten - Eluveitie
Nach dem Frühlingserwachen der letzten Jahre herrscht endgültig ein neuer Wind in der Schweizer Metal Szene. Und auf den ersten Blick könnte man meinen, es sei ein Westwind. Mit ihrem furiosen Irish-Folk-Metal mischen Eluveitie mehr als nur die eigene Szene auf. Trespass.ch mischte sich unter reichlich Volk und nahm in der rappelvollen Luzerner Schüür einen verschwitzten Augenschein. Wenn man Eluveitie mit anderen Bands vergleicht, erscheinen die schnell mal langweilig. Ich frage Sänger Chrigel im Talk vor dem Konzert, warum denn bei ihnen so viel los sei auf der Bühne. Der auch als Flötist oder Dudelsackbläser tätige Shouter bestätigt, dass sie alle solche Typen seien. Und es steckt auch etwas mehr dahinter. Chrigel: "Ich habe die Band vor rund acht Jahren gegründet. Ausschlag dafür war ein lange gehegter Traum, die beiden Musikarten, die ich selbst am meisten mag - also traditionelle irische Volksmusik und Deathmetal - miteinander zu verschmelzen."
Die Ruhe vor dem Sturm
An die zündende Idee kann er sich dabei gar nicht mehr genau erinnern: "Musik allgemein war für mich schon als kleiner Junge wichtig und auch härtere Musik, im Endeffekt dann Death Metal, fasziiert mich schon seit Ewigkeiten. Der Wunsch ist dann irgendwann wohl fast zwangsweise aufgetreten." Angestachelt durch meine gegenteilige Behauptung fügt er dann noch an: "Meiner Meinung nach ist es eben gar nicht so weit voneinander entfernt. Wenn du nämlich ein typisches 08/15 Irish Folk Lied nimmst und mal ganau schaust, was der Mandola-Spieler macht, wirst du sehen, dass es dem sehr ähnlich ist, was ein heutiger Melodic-Metal Gitarrist tut." Bildhaft haben Eluveitie die alten Instrumente also eigentlich unter Strom gesetzt - und so wirken sie später auch auf der Bühne.
Im Talk mit Monthy - Eluveitie-Sänger Chrigel
Einzigartig möchte man sie nennen, wobei... Da gab's doch schon einmal eine deutsche Band. In Extremo unterlegten ihre Schalmeien zwar mehr mit Hardrock und tünchten sie in dunkle deutsche Sprache. Der Vergleich mit ihnen wird Eluveitie aber mit steigender Popularität noch öfter begegnen. Einfluss von Eluveitie waren sie aber keiner. Chrigel: "Einfluss gibt es im Sinne eines Bandnamens gar keinen. Als ich anfing, gab es eigentlich auch keinen Folk- oder Pagan-Metal, nur ein paar Exotenbands. An In Extremo mag ich mich noch erinnern. Ich fands aber eigentlich ziemlich Scheisse, wenn ich das sagen darf. Eine Szene oder so gab es damals gar nicht. Und was dann darum herum gewachsen ist - gemeinhin bezeichnet man es als Pagan-Metal - hört eigentlich niemand von uns. Wir machen da einfach wirklich unser Ding. Wir mögen alle diese Volksmusik und wir mögen alle Deathmetal. Mit dem Rest der Szene verbindet uns nicht wirklich etwas."
Hinten im beschwörenden Einsatz - Chrigel
Tatsächlich ist der Sound von Eluveitie frei von Dämonischem wie selten ein Metal. Im Gegenteil - der irisch Folk mit seiner Mistelzweig-Romantik rückt die Band visuell schon eher wieder in den Gothic-Sektor. Am Konzert sind denn auch einige Gothic-Medieval-Kostüme zu sehen. Mit nicht verseckter Freude in der Stimme verrät mir der Sänger: "Wir spielen dieses Jahr erstmals überhaupt an einem Gothic-Festival. Und es mag auch hie und da vorkommen, dass sich Gothic-Leute an unsere Konzerte verirren. Allerdings doch eher selten. Per Definition gehören wir wohl schon in den oben genannten Pagan-Metal. Diese Szene konnte ich über die letzten zehn Jahre richtiggehend wachsen sehen. Hier in der Schweiz ist sie zwar klein, aber in Teilen Europas, Deutschland beispielsweise, hat es sich zum eigentlich grössten Metal-Markt gemausert - mit zweiwöchigen Tourneen und so weiter. Auch in Amerika ist die Musik stark im Kommen." Gothic ist also eigentlich eher die Konkurrenz, merke ich.
Frontline mit Dame - lange Haare obligatorisch
Ein weiterer Zusammenhang von Keltischem und Metal - Celtic Metal wäre doch eine Bezeichnung, die Eluveitie entspräche... - liegt darin, dass sich Metalbands schon immer gerne in den Sagenwelten bedient haben, wenns um Themen und die Erscheinung geht. Dabei dient wohl hauptsächlich die nordische Sagenwelt als Lieferant. Keltisches Kulturgut hingegen liegt uns hier sogar in den Genen. Chrigel meint zur Frage nach dem eigenen keltischen Hintergrund, denn auch lapidar: "Wir sind eine Schweizer Band, also ganz natürlich keltischen Ursprungs. Historisch irgendwie... und musikalisch sowieso. Die ganze Band dreht sich um die keltische Geschichte, Sprache, Lyrik und Kultur. Das ist wirklich das Wesen von Eluveitie. Mit den Texten betreiben wir nichts anderes als Geschichtserzählung, und zwar auf relativ fundierter Basis. Wir arbeiten beispielsweise auch mit Wissenschaftlern zusammen. Das ist keltische Geschichte aus dem Raum, in dem wir heute noch leben, konkret Gallien natürlich und die alten Helvetier."
Im Strobo-gewitter erwischt - Eluveitie-Geigerin
Das scheint durchaus nötig. Erhalten hat sich das keltische Erbe nämlich anderswo stärker. In Irland und Schottland ist nicht nur die Musik keltisch, sondern auch die Sportvereine wie Celtic Glasgow oder die von Iren gegründeten und in grün spielenden Boston Celtics in der neuen Welt. Auch grosse Steinkreise, die bis heute erhalten sind, finden sich eher in England, allen voran in Stonehenge und Avesbury sowie auf den Äusseren Hebriden. Daher auch der anfangs erwähnte Westwind, der uns einen keltischen Strom Metal bringt. "Historisch gesehen war es ja umgekehrt", belehrt mich Chrigel mit leuchtenden Augen, "es ist von hier nach dort geströmt. Westösterreich, die Schweiz und Mittelfrankreich waren eigentlich der Mittelpunkt der keltischen Welt. Nur ist dann dummerweise irgendwann einmal das Römische Reich passiert und ziemlich massiv in diese Welt eingebrochen. Dies war auf der Insel viel weniger stark der Fall weil weiter weg. Dort konnte man sich dem auch besser entziehen. Die keltische Kultur ist deshalb dort viel besser erhalten, aber sie hat sich ursprünglich von hier auf die britischen Inslen verlagert."
Erstmals überhaupt in der Schüür zu Gast - Chrigel
Eluveitie bringen deshalb ein Stück verlorenes mitteleuropäisches Kulturgut zurück in die Heimat. "Der Name geht übrigens auf einen Satz in Gallisch zurück. Gallisch ist ein altes Keltisch und eigentlich die Sprache, die im mitteleuropäischen Keltenreich hauptsächlich gesprochen wurde. Es heisst nichts anderes, als: Ich bin Helvetier. Diese waren einer der grössten Keltenstämme. Der Satz war als Inschrift in eine Tonschale eingraviert und wurde bei Ausgrabungen gefunden. Wenn wir so den Leuten etwas zurück bringen können, umso besser. Es ist aber kein erklärtes Ziel von uns." Immerhin ist es jetzt definitiv Zeit das Vorurteil von den headbangenden Metalheadz, die den Kopf schütteln und demnach nicht viel drin haben können, endgültig zu revidieren. Ganz schön aufgeklärt, die Jungs! Nur ein Mysterium bleibt auch für Eluveitie wohl immer bestehen. Die Unsicherheit, ob das was heute ertönt, früher auch tatsächlich so getönt hatte. Das gilt für alle Texte in der toten Sprache Gallisch und sogar für den Bandnamen. Ich frage abschliessend, wie man es jetzt richtig ausspreche? - Chrigel: "Laut Sprachhistorikern: El-vei-ti"
Eluveitie - der helle Stern am Schweizer Metal-Himmel?
Copyright trespass.ch [br] Source: https:// https://www.trespass.ch/de/bands-a-z/e/eluveitie/eluveitie_das_erbe_der_kelten.htm