Eluveitie - Nur kein Stillstand

24.07.2012; Text/Bilder: Monthy
Ein Tier auf der Bühne - daneben der angenehmste Mensch den man sich denken kann
Ein Openair im Tal des Lichts und eine Pagan-Metal-Band - was für eine Kombination... Und da war doch mal was - Steinkreise, die zur Sommersonnenwende für rituelle Zwecke verwendet wurden. Ich frage Eluveitie-Sänger Chrigel also, ob der Auftritt am Openair Lumnezia speziell sei für die Band, die in den letzten Jahren ziemlich viel gesehen hat. Zu meiner Überraschung relativiert der Angesprochene: "Besonders ist es hier, weil es einfach wunderschön ist. Im keltischen Sinn - Nein. Die Steinkreise, die du ansprichst, wurden auch vor den Kelten aufgebaut. Dass das Licht für die keltische Kultur eine so spezielle Bedeutung hatte, ist nicht wirklich belegt. Ich denke aber, dass es für die meisten Menschen relativ wichtig ist." Ich muss Chrigel natürlich recht geben. Die Hochkultur der Kelten in Europa - das war so in etwa von 1000 vor Christus bis ins Jahr 160, als sie dann von den Römern aus Zentraleuropa vertrieben wurden und sich in Richtung Grossbritannien zurück zogen.
Sackpfyffe oder Dudelsack - ist hier genauso heimisch wie in Schottland
In der Band gibt es auch einen dunklen Gegenpol. Jedenfalls wird Metal oft mit der Farbe Schwarz und der Dunkelheit assoziiert. Chrigel findet meine Herangehensweise ein bisschen sehr abstrakt - "Was heisst denn das genau? Dunkelheit in Bezug auf Metal..." Wir einigen uns darauf, dass es halt wirklich ein Cliché ist, das vielleicht auch damit zusammen hängt, dass Metal-Bands oft die Bösen sein wollen. Eluveitie steht da schon ein bisschen ausserhalb. Auch musikalisch treffen viele Metal-Vorurteile - immer nur schneller und härter, keine Melodie, nur Geschrei... - nicht auf die Winterthurer zu. Mit ihrem keltischen Instrumentarium, den Flöten, Geigen und einer Drehleiher, geben sie quasi ein Festmahl fürs Ohr. Nachdem ich mit meinem Einstieg nicht wirklich Erfolg hatte - Eluveitie geht halt tiefer als dies bei normalen Bands der Fall ist - versuche ich es nochmal mit dem Licht und meine, sie würden in den letzten Jahren von der Bühne herunter leuchten wie ein helles Licht - mehr und mehr auch in der Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit. Für Chrigel waren es: "...einfach zwei weitere Jahre wie die meisten anderen auch. Es hat sich nicht gross anders angefühlt, auch nicht gross verändert. Es waren aber zwei strenge Jahre, da wir praktisch konstant am Touren waren. Und wenn nicht waren wir im Studio."
Bei Eluveitie treffen auf der Bühne Welten aufeinander - musikalisch und visuell
Der Sound von Eluveitie bringt eine gewisse Wiedererkennbarkeit. Die Kehrseite der Medaille wäre dann, das Death Metal und das keltische Element einen ziemlich starren Sound ergeben. Ich erkundige mich, ob sich Eluveitie denn auch vorstellen können, andere Dinge zu machen, andere Sounds in ihr Klangbild einzuarbeiten. Chrigel, der auch auf der Bühne in Sekundenbruchteilen von Biest auf Kumpel umschalten kann, lacht so ein bisschen in sich hinein und meint schelmisch: "Ist es in Stein gemeisselt? Ja und Nein. Einerseits ist unsere Richtung durch das musikalische Konzept - Death Metal plus traditionelle keltische Instrumente - schon vorgegeben. Von daher wird's wohl nie ein Album mit Jazz-Einflüssen von uns geben. Andererseits ist unser Rahmen aber auch keine Einschränkung. Er gibt uns sehr viel Raum. Wir probieren eigentlich sehr gerne neue Sachen aus. Mir ist aber aufgefallen, dass Veränderungen intern als viel grösser erscheinen, als sie dann vom Publikum empfunden werden. Wir waren auch schon im Studio und dachten, so etwas hätten wir noch nie gemacht, auch nicht annähernd. Dann macht man sich schon fast Sorgen. Nach etwa einem halben Jahr haben wir dann gemerkt, dass es eigentlich niemandem aufgefallen ist ausser uns selbst..."
Diese Haare fliegen während etwa 20 Prozent der Bühnenzeit...
Obwohl ich mit dem Thema "Kelten" durchaus ein bisschen vertraut bin, komme ich mir vor Chrigel immer ein bisschen unwissend vor. Aber ich bleibe unerschrocken und ziehe nun mein schlaues Buch bei - das keltische Baumhorsokop. Da es kein eigentliches Geburtsdatum von Eluveitie gibt, muss der Fronter persönlich herhalten. Sein Geburtstag, der 26. Mai, macht ihn im keltischen Horsokop zu einer Esche. Deren Kurzcharakteristik ist: "Ideenreich, beweglich, freiheitsliebend, aufgeschlossen, tolerant, sozial" und ihr Motto: "Nur kein Stillstand". Ich konfrontiere Chrigel damit und frage, ob das denn passe. Chrigel kann an und für sich nicht viel mit dem Esoterischen anfangen, aber...: "Das ist jetzt doch überraschend zutreffend... Gerade das Motto gefällt mir ganz gut. Ich bin zwar zuhause schon nicht einer, der immer etwas Neues haben muss. Bin also eher ein Hobbitt. Aber Stillstand kann ich absolut nicht aushalten... Wenn ich etwa mehr als zwei Wochen Ferien mache, werde ich schnell mal ziemlich unruhig. Ich muss auch bei den Zielen immer wieder abspecken, weil mir eigentlich zu viele Ideen zufliegen..."
Eluveitie auf der Bühne des Openair Lumnezia 2012
Ich hatte irgendwie fast erwartet, dass Chrigel wissen würde, was er keltisch gesehen ist. Aber so ist Eluveitie eben nicht unbedingt ausgerichtet. Das Keltische ist allerdings absolut Thema in der Band. - Chrigel: "Es ist bei uns allen verschieden. Wenn du die Frage in die Runde stellen würdest, kriegtest du acht verschiedene Antworten. Grundsätzlich ist sicher eine Affinität zu Geschichte da, zu unserer alten Kultur und Vorgeschichte hier. Wir sind da sehr auf die Geschichte fokussiert und auch sehr nüchtern. Wenn ich meine Texte erarbeite geht es fast wissenschaftlich zu und her. Gerade das Religiöse und das Spirituelle sind aber kaum belegt. Man weiss kaum etwas dahingehend über die Kelten. Ein keltisches Baumhoroskop hat es nach heutigem Wissensstand wahrscheinlich zu der Zeit gar nicht gegeben. All die leicht esoterischen Dinge findest du bei uns in der Band eigentlich kaum."
Viele Fans kamen extra wegen Eluveitie nach Degen - Kultband!
"Die keltische Kultur bedeutet mir in meinem Privatleben aber schon sehr viel", erzählt Chrigel weiter und zeigt seine Anhänger, die er um den Hals trägt und sein Tattoo auf der rechten Arminnenseite, "...ich trage das nicht einfach so. Spiritualität sagt mir schon auch etwas. Aber ich brauche halt irgendwie etwas Handfestes..." Deshalb pflegt er halt einen pragmatischen Ansatz. Für mich dagegen würde es auch auf der Hand liegen, ein Video dort zu drehen, wo die Kelten heute noch am stärksten spürbar sind - in Irland. - Chrigel: "Wieso? Sind die Iren keltischer als wir weil sie ein bisschen mehr Guinness trinken?" Ich tappe noch schnell ins Fettnäpfchen mit den Sprachen - in Irland wird heute noch Gälisch gesprochen - Eluveitie singen teils in Gallisch, welches aber im Mittelalter ausgestorben ist. "Gallisch ist so etwas wie Alt-Keltisch, vergleichbar mit Alt-Hochdeutsch, woraus sich auch viele Sprachen entwickelt haben. Die haben teilweise bis heute überlebt. Etwa Cornish oder Walisisch. In der Bretagne ist sogar alles zweisprachig angeschrieben in Bretonisch - auch einer keltischen Sprache. Unsere Texte drehen sich oft um Geschichtserzählung und Alt-Gallisch, was eben noch hier war. Es sind unsere Wurzeln. Von daher macht es irgendwie gar keinen Sinn, deswegen nach Irland zu gehen. Wir waren hingegen in Polen für einen Videodreh - einfach weil die Landschaft dort gepasst hat..."
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