Trespass-Musikschule: Gesang-Crashkurs mit Eric St. Michaels - 1. Teil: Warm Up
24.4.2011; Text: Monthy, Bilder: Monhty/Musik Burkhalter/Internet
Die Trespass-Musikschule meldet sich zurück. Nach Gitarre I + II sowie dem Drum-Crashkurs nehmen wir uns nun dem Instrument an, dass im eigentlichen Sinne gar keins ist - dem Gesang. Weil man dabei mit dem Körper arbeitet, mögen viele denken, es brauche keine Schulung. Die Folgen davon können gravierend sein und an die Gesundheit gehen - Stichwort: Knötchen auf den Stimmbändern... Ganz abgesehen davon ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und die Stimme ist ganz klar die Visitenkarte einer Band. Und auch bei einer Casting-Show kann man seine Chancen erheblich verbessern, wenn man seine Stimme vorher schult - vielen hört man leider an, dass sie das nicht getan haben. Wie immer stellen sich einem anfänglich ganz banale Fragen. Jedenfalls nicht unwichtig ist die Wahl einer Musikschule und eines Lehrers. Trespass-Monthy, der sich wieder einmal als Author und gleichzeitiges Versuchskaninchen zur Verfügung stellt, hat sich natürlich für einen Anchorman mit gutem Ruf entschieden. China-Sänger Eric St. Michaels ist nebenbei als Gesangslehrer bei Musik Burkhalter in Wetzikon tätig. Für mich persönlich weniger wichtig waren in seinem Fall die bevorzugte englische Sprache, mit der wir beide keine Probleme haben, oder der Anfahrtsweg, weil ich nicht jede Woche in den Unterricht muss. Sinn und Zweck meiner Besuche ist hauptsächlich, die ersten Schritte zu einer erfolgreichen Gesangskarriere zu dokumentieren und damit möglichst viele Leute zu motivieren, sich professionell schulen zu lassen.
Meine Gründe will auch Eric St. Michaels erstmal ergründen. Denn die Motivation macht schlussendlich den Fleiss aus und hat auch Einfluss auf die Gestaltung des Unterrichts. "Singen heisst, dein inneres nach aussen zu kehren und auf die Leute zu projezieren. Wenn du nicht genau weisst, warum du das tun willst, ist es sehr schwer, die dafür nötige Energie aufzuwenden.", warnt Eric davor, das Singen-Lernen auf die leichte Schulter zu nehmen. Wir vergessen jetzt einfach mal, dass ich auch als Journalist da bin. Persönliche Gründe für den Unterricht habe ich nämlich durchaus. So betätige ich mich mit meinem Alter Ego "Piggy" unter anderem auch als Karaoke-Sänger(in). Bei Auftritten und vor allem beim Üben zuhause versagt mir je nachdem nach einer halben bis zu einer Stunde ziemlich die Stimme. Ich schliesse daraus, dass ich also irgendwie falsch singen würde. Eric interveniert - typisch Lehrer - und meint: "Das können wir so noch nicht sagen. Ich habe dich schliesslich noch nicht singen gehört. Du musst bedenken, dass Singen im Endeffekt wie ein Sport ist. Du musst es trainieren und kannst dich nicht einfach durchkämpfen. Deshalb fängt auch jede Lektion mit einem Warmup an. Es dauert 12 bis 15 Minuten, je nachdem wieviel ich dabei reden muss." Mit Einsingen meint Eric Übungen, die meine stimmliche Reichweite kontinuierlich ausweiten, was auch eines meiner grossen Probleme ist. Ich komme weder hoch noch tief genug. Die Textzeilen, die ich dabei singe, hat Eric selbst erdacht und nennt sie "mutual Text", also stummen Text. Das stimmt nur bedingt, weil man durchaus Worte singt. Es spielt aber keine Rolle, was genau. Nur wie. Das Prinzip ist bei jedem guten Lehrer dasselbe.
Von einem Grundton geht es zuerst einige Töne die Leiter rauf, dann einige runter. Eric spielt dabei Gitarre und erhöht oder vertieft den Grundton kontinuierlich. So kann ich mich ans obere und ans untere Limit heran singen. "An einem guten Tag bringe ich dich höher als je zuvor. Bei Frauen muss ich dagegen viel mehr an den Tiefen arbeiten. Einigen Leuten ist es aber einfach nicht gegeben, sehr hoch oder sehr tief zu singen. Dagegen kann man nichts machen...", dämpft er meine Erwartungen und beruhigt mich gleichzeitig, dass es nicht selbstverständlich ist, die ganz Palette an Tönen zu erlangen. "Die Energie macht schliesslich den Ton.", führt Eric aus und weist auch noch auf etwas anderes hin, "Die Schweiz ist ein sehr ruhiges Plätzchen Erde. Hier reden die Leute eher bedächtig und zivilisiert. In New York, wo ich herkomme, spricht jeder laut und explizit - den ganzen Tag. Diese Grundvoraussetzungen beeinflussen auch das Singen." Als Schweizer muss ich also auch lernen, aus mir heraus zu gehen. Eric zerstreut auch meine Bedenken, dass durch mein jahrelanges Rauchen die Stimme gelitten haben könnte. Eric: "Von Rod Stewart über Frank Sinatra bis hin zu Robert Plant haben viele unglaublich gute Sänger geraucht. Wichtig dabei ist vor allem dein Wind..." - Mit dem englischen Wort "Wind" meint der aus New Jersey stammende Sänger natürlich den Luftzug aus meinen Lungen. Als wir anfangen wollen, stellt sich mir damit gleich ein Problem, das wohl viele ungeübte Sänger haben. Denn schon Eric's Anwesenheit genügt, um bei mir eine gewisse Nervosität zu erzeugen. Diese beeinträchtigt sogleich meine Atmung, schnürt mich richtiggehend ein. Wir versuchen, mich zu lockern. Atemübungen, die mir dabei geholfen haben, werden wir im zweiten Teil dieser Serie behandeln, welcher der Atemtechnik gewidmet ist.
Bevor wir uns ans Einsingen machen, holt Eric noch etwas, das für den Sänger unverzichtbar ist und immer in seiner Nähe sein sollte - Wasser. Wir genehmigen uns einen Schluck. Zum Anfang des Einsingens gehen wir leicht in die Meditation. Das von dort bekannte "Hommmmm" zeigt nämlich ganz einfach auf, wie Singen funktioniert. Bevor der Ton kommt, muss die Luft, der Wind, da sein. Beim "Hommm"en ist das gegeben. Versucht's einfach mal... Ich soll dieses Prinzip nun auch bei meinen "Scales" anwenden. Wir beginnen "Ha, Ha, Ha, Ha Ha" - "Ha, Ha, Ha, Ha, Ha" usw. nach einem halben Duzend Wiederholungen ändern wir den "Text" auf "Ha, ah, lay, ay, lu, u, u, u, yah", also ein langgezogenes Halleluja, bei dem sich mir eine nächste Anfängerhürde in den Weg stellt. Sobald ich nämlich nachdenken muss, was als nächstes über die Lippen flutschen sollte, falle ich von der Gitarre ab. Auch wenn ich mich auf die Veränderung des Grundtons konzentriere, hinke ich hinten nach. "Du darfst nicht nachdenken - einfach nur singen", mahnt mich Eric und trifft dabei den Kern des Problems. Singen ist Gefühlssache - der Kopf hat Ruhepause. Wir arbeiten uns durch die Übungen, von einfachen Mustern wie "Lay, lay, lay, lay, lay" zu schwierigeren wie "I, I, love you true, u, u, u, lee, e, e, e, e, e". Eric unterbricht mich kurz: "Ich will dich anfangs nicht überfordern. Aber versuch, beim Singen deinen Mund aufzumachen. Hab keine Angst. Dreissig Prozent deines Tons machst du mit dem Mund!" Ich versuche, seine Tipps anzunehmen und umzusetzen, ohne dabei wieder nachzudenken. Es geht langsam besser. Wir legen eine kleine Pause ein, um zu trinken. "Alles trocknet dich aus", wirft Eric ein und ich frage nach, wie es denn mit dem bei vielen Sängerinnen und Sängern beliebten Vodka oder Whisky vor dem Auftritt sei. "Alles trocknet dich aus", beantwortet er meinie Frage mit denselben Worten wie zuvor, "Vor einem Auftritt solltest du soviel Wasser trinken, wie es überhaupt geht. Selbst wenn du während des Konzerts eine Pinkelpause einlegen musst. Deine Stimmbänder brennen sonst - insbesondere unter den Bühnenlichtern."
Während wir weiter einsingen, wundere ich mich manchmal, ob ich nun den vorgegebenen Ton getroffen habe, oder immer etwa die gleichen Töne singe. Eric beruhigt mich: "Du bist nicht Ton-taub. Mit deinen Ohren ist nichts falsch!" Es fehlt höchstens etwas an Vertrauen in mich selbst. Vielleicht ist es auch nur das abgeschaltete Hirn, das eine Beschäftigung sucht. Bei "Ah, ah, re, va, dair, air, air, chi" (= Arrivederci) weist er mich auf den kleinen Anstieg im Ton vom ersten zum zweiten Ah hin - "Die Scales lehren dich auch, automatisch zu wissen, welcher Ton als nächster kommt. Sie trainieren deinen Körper, eine Millisekunde voraus zu denken. Singen ist nämlich im Wesentlichen, zu wissen was als nächstes kommt..." Bezeichnenderweise denkt auch hier wieder nicht mein Kopf, sondern mein Körper. Langsam erlange ich mehr Vertrauen und intensiviere dabei automatisch meinen "Wind". Die Freude am Singen kommt auf, weil ich mich besser und besser auskenne. Nur steigt mit der Begeisterung auch die Gefahr, unsauber zu werden. Die Übungen werden gleichzeitig anspruchsvoller. "Un, dee, feh, le, e, e, che" bringt mich bei "le, e" ans obere Limit. Unangenehm. wenn man merkt, dass einem Luft und Ton ausgehen. Ich bin froh, als es hinten wieder die Leiter runter geht. "Hah, Ha, Hah", wobei das zweite Ha oktaviert ist, ermutigt mich, lauter zu singen. Den Oktaven Unterschied bemerke ich erst, als Eric mich lobend darauf hinweist. Doch noch ist nicht alles Gold was glänzt. Bei "Veh, eh, eh, eh, eh, eh, eh, eh, nee" (=Vieni) verlängert sich die Tonleiter nach oben und unten. "Der ist sehr hart zu lernen. Normalerweise solltest du den nach zwei, drei Lektionen beherrschen.", nimmt Eric Druck weg. Ich bemerke, es sei ein wenig wie beim Schlagzeugspielen. Wenn ich mit meinem Lehrer zusammen singe oder spiele, tönt es ziemlich gut. Wenn ich alleine muss, kommt schnell die Unsicherheit. "Alles tönt gut, wenn Tom es spielt", lacht Eric mit mir über meine Bemerkung und seinen hochgeschätzten Kollegen Tom Beck. Nach 17 Übungen enden wir schliesslich mit dem Special "Wake up in the morning and... go back to the bed again", wobei der erste Satz ständig ansteigt und der zweite wieder runter geht. Ganz so frustrierend, dass ich das machen müsste - Aufstehen und gleich wieder ins Bett gehen, wars dann aber doch nicht. Nach genau 45 Minuten klingelt bei Eric der eingebaute Wecker. Wir haben das Programm der ersten Lektion hinter uns. Nach Hause mit nehme ich selbstverständlich die Scales und auch noch ein paar Fitnessübungen, die meiner allgemeinen Konstitution gut tun sollen (siehe Foto oben). Anleitungen, wie man die "Fünf Tibeter" richtig ausführt, finden sich über Google ganz einfach.