Fakir - Lederjacken- und Volahiku-Träger mit weichem Herz
16.5.2012; Text: Nico, Bilder: Monthy
Letzten Samstag war es endlich soweit, der Berner Thierry aka Fakir begeisterte seine Fans das erste Mal in seiner Heimatstadt. Weshalb er die Berner so lange warten lies, erklärte er uns nach dem grandiosen Auftritt in der Mahogany Hall gleich selbst: „Unser Label ist im Raum Fribourg zu Hause und dadurch hat es sich so ergeben, dass wir vermehrt im Welschland gespielt haben. Die Plattentaufe ging im Bad Bonn Düdingen über die Bühne. Es hat sich einfach nicht ergeben. Ich finde keine konkrete Erklärung“. Bei genauerem Nachfragen höre ich dann aber heraus, dass es nicht an Thierry lag, sondern an den Bernern, die ihn bis dahin – aus mir unerklärlichen Gründen – nicht angefragt haben. Thierry nimmt’s jedoch gelassen und freut sich umso mehr über den gelungenen ersten Auftritt in der Heimat.
Mir gegenüber sitzt ein Kerl, der ziemlich taff und unnahbar auf mich wirkt. Fast so, als könnte ihn nichts und niemand einschüchtern und genau so kommen auch die Songs auf seinem aktuellen Album „We'll see when we get there“ daher. Doch er ist es, der auf meine Bemerkung hin, dass Fakire doch keinen Schmerz kennen würden, zugibt, dass dies auf ihn nicht zutrifft. „…Es heisst nicht, dass jemand der eine Lederjacke trägt, nicht auch ein weiches Herz haben kann. Ich glaube wirklich nicht, dass ich taff bin. Auf diesem Album sind die Songs relativ happig, da muss ich dir recht geben…aber ich bin nicht einer der jetzt immer deprimiert ist. Doch was bringt es, wie gewisse andere Bands, wie '78 Tokyo Boulevard', Songs darüber zu schreiben, wie schön die Sonne scheint. Das finde ich einfach weniger interessant“, entgegnet Thierry bestimmt und urplötzlich sehe ich eine andere Person vor mir sitzen. Eine Person mit viel mehr Tiefe, als man es sich im ersten Moment vorstellen kann. So können wir uns also von einer schwarzen Lederjacke und gegelter Volahiku-Frisur auf den ersten Blick täuschen lassen.
Auch die Songs auf dem aktuellen Album des Berners „We'll see when we get there“ zeigen Tiefgang. Die Texte entstanden, nachdem Thierry seine Ex-Band Predominant Lunatics als Gitarrist verliess. „Ich hatte Songideen und nahm diese einfach einmal auf. Zuerst einmal hätte ich nie gedacht, dass ich selbst singen würde…ich lies mich einfach tragen von dem ganzen Prozess und deshalb auch der Titel „We’ll see when weg get there“, ich wusste nicht, wo es genau hingeht“, gesteht Thierry sichtlich nachdenklich. Da er für die geschriebenen Songs keine Sänger finden konnte, musste er sich Thierry schon fast zwangsweise in die Rolle des Sängers hineinschicken und das, obwohl er zuvor noch nie gesungen hatte. Er wollte das Album aufnehmen – auch ohne Sänger und Band. Daher entschloss sich der Fakir dazu, alle Instrumente und wohl oder übel auch den Gesangspart selbst aufzunehmen. Somit war die Scheibe entstanden, doch jetzt stellte sich einmal mehr die Frage, wie es weiter geht. Thierry wusste anfangs nicht, ob er das Album selbst vertreiben oder die Songs nur aufs Netz stellen soll. Doch eins war ihm klar: „Du musst die Songs ja irgendwie zum Publikum bringen, doch ich wollte nicht zig hundert Labels anschreiben und da habe ich einfach 10 Schweizer Labels herausgepickt und nur diese angeschrieben.“ Obwohl die ersten Songs von einem Londoner Label herausgegeben worden sind, war für Thierry klar, dass es bei diesem Album ein Schweizer Label sein muss. Schon nur, damit er und das Label im selben Land sind. Des Weiteren meint er: „Ich habe mir gesagt, ich will nicht mehr als 10 Labels anschreiben, weil normalerweise kommt sowieso nichts zurück…erstaunlicherweise haben dann 5 davon geantwortet, was schon extrem gut ist und eines davon wollte mich sehen… und genau deshalb entstand „We’ll see when weg get there“. Es ist ein Sinnbild des Ganzen“.
Bei den Predominant Lunatics kannte man Thierry „nur“ als Gitarrist. Jetzt steht er plötzlich im Mittelpunkt. In der Hand hält er zwar immer noch die Gitarre, doch vor ihm steht – abgesehen von jubelnden Fans – auch noch ein Mikrofon auf Mundhöhe. Thierry fügt an: „Für mich ist diese Rolle im Prinzip neu. Texte habe ich auch zuvor schon geschrieben, aber ich war nie der Typ in der Mitte, der seine eigenen Texte singt.“ Auch wenn es sich, wie er sagt, zuerst etwas schräg angefühlt hat, blüht er nun in der neuen Rolle richtig auf und die ganze Arbeit hat sich gelohnt. Die Band besteht aus Musikern, die auch noch bei andern Bands engagiert sind. Der Drummer und der Bassist spielen ebenfalls noch bei den Parties Break Hearts und der Gitarrist ist zurzeit dabei sonst noch ein neues Projekt aufzugleisen.
Die Band ist sich einig, dass zuviel Üben kontraproduktiv ist und deshalb habe sie ihr ganz eigenes Konzept entwickelt. „Wir haben seit unserem ersten „Hallo“ fünf Mal je 2 Stunden geprobt“, so Thierry. Die Zugabenummer an diesem Abend, ein Cover von The Cure, haben sie zuvor sage und schreibe einmal gespielt. Der Mann, der gerne mit Feuer und Nagelbrettern spielt sagt dazu: „Ich will nicht überheblich klingen, aber es ist einfach eine andere Arbeitsmethode, als dass, was ich bislang gemacht habe. Für mich ist es produktiver in dem Sinne, dass du nicht X-Mal das gleiche spielen musst und es dir irgendwann zum Hals heraus hängt.“ Mit dieser Methode haben die Berner einen Weg gefunden, der für alle passt.
Wir werden auch künftig noch einiges von Fakir hören. Von im Song eingebauten Fussballzitaten, bis hin zu verrückten Ideen wird alles mit dabei sein. „…Als Zinédine Zidane dem Gegenspieler am WM Finale eine Kopfnuss verpasst hat und der französische Moderator meinte in dem Augenblick „No Zinédine, pas aujourd'hui, pas maintenant..“ und daraus entstand ein Part eines Songs “Not here, not now and not today.“ Das neue Album und mit ihm viele musikalische Höhepunkte sind in Planung und Thierry kann uns schon soviel verrraten: „Es geht in viele verschiedene Richtungen von Elektro-Pop bis hin zu Gitarren-Baladen…die Songs auf dem aktuellen Album sind alle mehr oder weniger im selben Mood, was sich bei der neuen Scheibe vermutlich ändern wird. Es wird etwas bunter von den Ansätzen her.“ Der Fakir wird uns also weiterhin verzaubern und wir lauschen fasziniert zu.