Fakir - Nagelprobe an der Plattentaufe
21.3.2011; Text: Monthy, Bilder: Fakir
Den Fakir Thierry kenne ich schon seit längerem als Musiker der Predominant Lunatics. Weil ich von denen schon länger nichts mehr gehört hatte und Thierry sein neues Projekt an diesem Abend mit der Plattentaufe seines Albums "We'll see when we get there" so richtig startete, fand auch ich mich wieder einmal im Bad Bonn zu Düdingen ein. Das Thema des Smalltalks vor dem eigentlichen Talk drehte sich also erstmal um die Vergangenheit. Dabei fand ich heraus, dass bei den Lunatics ein ganz normaler Prozess in Gang gesetzt hatte. Nach hoffnungsvollem Start wollte es plötzlich nicht mehr so vorwärts gehen. Der Kitt fing an zu brökeln. Damit mochte sich Thierry irgendwie nicht abfinden. Einzelne seiner Tracks fanden in den letzten Jahren unter dem Namen Fakir auf Samplern Unterschlupf. Am 18. März 2011 präsentierte Thierry nun Album und die neue Truppe. Das Konzertlokal im Nirgendwo, selbstironisch mit Banner "Where the hell is Bad Bonn?" angeschrieben, hatte in mir schon immer Gelüste geweckt, diese Frage zu stellen. Thierry gegenüber durfte ich und wollte also wissen, ob man ihn sonst nirgendwo auftreten lassen wollte, dass er seine Platte im alten Haus von Rocky Docky taufen müsse? - Er lacht und verneint eifrig: "Die Reaktionen aus den Clubs waren sogar sehr positiv. Es war schon lange vor dem Release klar, dass wir das Album hier taufen würden."
Ob es ihn erstaune, dass er hier in der Schweiz positives Feedback erhalte, frage ich in Anspielung darauf, dass seine Tracks bisher vor allem im Ausland gefragt waren? - Thierry: "Schon ein wenig. Hier ist es ja schon fast so, dass man entweder Hardrock oder Mundart machen muss. Besonders radiotauglich sind meine Tracks sicher nicht." Ich spreche ihn direkt auf England an, wo "We'll see when we get there" auch abgemischt worden ist. "Es gibt dort ganz einfach viel mehr Möglichkeiten. Aber auch in Frankreich kommt es gut an und wurde vor kurzem zum Album der Woche gekürt. Dort passt es offenbar schon besser ans Radio." Den Namen Fakir sollte man sich also zumindest vormerken. Gefunden hat ihn Thierry übrigens dort, wo man alle guten Ideen findet. "...in der Badewanne", verrät Thierry lachend, "Ich bin dann schnell aus der Wanne raus und habe den Namen sofort auf Myspace reserviert. Und weil ich schonmal soweit war, wollte ich dort auch einen Inhalt haben. Also habe ich einen 6-Minuten-Instrumental-Track hochgeladen, weil dieser Song der einzige war, den ich bei der Suisa gemeldet hatte. Drei Wochen später meldete sich dann bereits ein Label aus England und wollte den Track für einen Sampler haben. Ich habe ihnen zwar erklärt, dass dieser Sound nicht unbedingt das sei, was ich machen wolle. Aber ich gab ihn frei und so kam der dann auch tatsächlich heraus. Wir blieben in Verbindung. Sie hatten noch einen Slot auf einem anderen Sampler und brauchten innerhalb von 10 Tagen Tracks. Das hat mir dann erst richtig den Schub gegeben, etwas daraus zu machen. Alles war noch instrumental, ich hatte den Hintergedanken, einen Sänger oder einen Sängerin dafür zu finden. Nun hatte ich keine Zeit und musste selbst versuchen zu singen. Wenn es schief gegangen wäre, dann hätte ich es ganz sein lassen - sollte es einigermassen akzeptabel tönen, wollte ich es einschicken..."
Ich unterbreche Thierry mit der trockenen Bemerkung: "So wird man zum Sänger", was er schmunzelnd bestätigt. "Die hatten wirklich Freude daran", zeigt sich Thierry noch heute ziemlich erstaunt als er mit der Erzählung fortfährt, "Ich war dann auch in Oxford, aber während ich am Album zu arbeiten begann, wurde mir bald einmal klar, dass ich kein Label in England haben möchte. Man weiss dann nie recht, ob die auch was machen oder es mir nur erzählen und es ist einfach zu weit weg. Ich wollte aber auch nicht hunderte von Adressen hier anschreiben. Also habe ich mich auf zehn Adressen beschränkt und ihnen eine Drei-Track-Demo zukommen lassen. Einer davon war Hervé, den ich bereits eine Woche später traf und den Deal besiegelte." Dieser Werdegang ist zwar in der globalisierten Musikszene auch nicht mehr dermassen speziell. Bei Thierry allerdings scheints langsam zum Standard zu werden. Auch mit den Predominant Lunatics hatte er schon ein Bein auf der Insel. "Die damaligen Live-Kontakte hoffe ich natürlich jetzt mit Fakir aufwärmen zu können. Wir haben ja mehrmals drüben gespielt", zeigt sich Thierry zuversichtlich, dass sein Sound den Briten auch diesmal wieder gefallen wird. Überhaupt könnte man schon fast auf die Idee kommen, er suche sich die Gegend, wo man seinen Sound gerne hört. Dabei ist es ja eigentlich umgekehrt. "Ich bin im Prinzip nicht England-fixiert", versichert der Fakir glaubhaft, "aber ich kenne dort halt auch viele Leute und finde es auch unabhängig von der Musik für ein cooles Land."
Der Fakir selbst ist ja nun indisch. England hat eine starke Asian Underground Szene und die Musik des Fakirs kann man guten Gewissens auch ein bisschen als underground bezeichnen. Gibt es da etwa einen Zusammenhang? - Thierry: "Der Fakir ist schon hauptsächlich ein Name. Ich wollte etwas kurzes, nicht zungen-brecherisches, das in jeder Sprache funktioniert. Ich mag zwar orientalische Elemente, setze sie aber doch eher minimal ein. Wovon ich dem Namen sei Dank massenweise habe, sind Freundesanfragen von Pakistani und Indern auf Facebook..." Diese Weltgegend will sich der Fakir musikalisch aber doch eher nicht antun. "Aber England und London insbesondere bleiben ein Thema. Ich habe schon vor, nächste Saison ein paar Gigs auf der Insel zu planen. Ich muss aber auch zugestehen, dass ich musikalisch in den letzten Jahren kaum eine Band von dort benennen kann. Die letzten, die ich wirklich gut fand in der Hisicht waren 'A place to bury Strangers', aber die waren ja aus New York..." Eine Parallele zum Fakir und ein Phänomen von heute, dass die Bands, die englisch tönen, es oft eben gerade nicht sind.
Während das Debutalbum entstand, formte sich rund um Thierry auch wieder eine Band. "Geht eigentlich nicht anders...", meint der nicht als Solomusiker taugliche Thierry, "Die Songs waren von Anfang an auf eine Band ausgerichtet. Ich bin nicht unbedingt der Singer/Songwriter-Typ und war auch nicht auf einem Ego-Trip. Ich war etwas frustriert, als es mit den Lunatics zu Ende ging, und ich hatte viele Ideen. Die habe ich umzusetzen begonnen. Dabei habe ich eben auch einmal den Bass rausgenommen und gemerkt, dass das auch geht. Dann habe ich auch einmal in die Tasten gegriffen. Ich wusste genau, wie es tönen sollte, und sah auf einmal nicht ein, warum ich das noch jemandem erklären sollte." Die positiven Nebeneffekte eines Soloprojekts, könnte man sagen. Auch wenn es bei Thierry dann eben doch mehr wurde. Thierry fand so auch neue Talente bei sich selbst. "Vor allem habe ich aber technisch viel dazu gelernt", bilanziert er die Auseinandersetzung mit mehr Spuren, "Mir hat es auch gut getan, mal alles raus zu lassen. Ich denke, jeder Musiker hat zu Hause eh Ideen aufgenommen. Etwas über den Horizont und das eigene Instrument zu denken, tut sicher jedem gut." Je nachdem liegt das Fremde ja gar nicht weit weg. Von der Gitarre bis zum Bass ist beispielsweise nicht dermassen weit. "Bis aufs Fingerbrechen...", spielt Thierry auf die stärkeren Bass-Saiten an. Beim Gesang war dann aber schon so etwas wie eine Hemmschwelle spürbar, wie der frischgebackene Allrounder zugibt: "Der Gesang war für mich das Krasseste. Vollkommenes Neuland..." Aber was ein echter Fakir ist, kann eben auch Feuer spucken! Und so wurde die Plattentaufe denn auch gleich noch zur Nagelprobe...