Merry X-Mas, Mr. Wicky...

Text: Piggy
Bilder: Favez/Andrea
Miss Santa Clause im kleinen Rot-Weissen
Das Jahr ist praktisch abgeschlossen. Nur eine - wenn auch sehr angenehme - Pflichtaufgabe war noch übrig. Der jährliche Talk mit Favez, aufgeschoben im Festivalsommer und dafür nachgeholt am 23. 12. anhand von Favez' traditionellem Gig im ISC. Nun ist der Samichlaus zu dieser Zeit ja sehr beschäftigt und doch verdienen es gerade diejenigen mit der Spätschicht vor Weihnachten am meisten. Also habe ich mich als Miss Santa zurecht gemacht und den fiebrig dösenden Chris Wicky im Bandraum hinter der ISC-Bühne überrascht. "Du bist abscheulich", lächelt er mich an und so lange mein Outfit noch zusammen zu halten war, stellten wir uns für die Bilder hin. Als er sich danach etwas gefasst hatte, verriet er mir im Talk, dass Favez nicht nur vor Weihnachten bis in die Nacht arbeiten. Chris: "Wir arbeiten alle auch morgen - wir haben ja normale Jobs."
Chris Wicky vergass darob glatt seine fiebrige Erkältung
Ansonsten ist aber auch bei der Lausanner Indie-Rockband Jahresabschluss. "Die vier Tage der Schweizer-Tournee sind vorbei", meint Chris scherzhaft und meint die kleine Promo-Tour im Dezember. Favez blicken auf ein Jahr der Veränderungen zurück. Mit Jeff und Maude sind zwei Musiker in die Band eingetreten, die eine weichere Seite von Favez in den Vordergrund rücken. Der kluge Taktiker Wicky machte beim Release von "Bigger Mountain Higher Flags" im Interview mit 20min auf Understatement und gab zu Protokoll, die Fans würden das wohl nicht goutieren. Erste Reaktionen sind mittlerweile sicher eingegangen. Wie steht's nun um die Akzeptanz der "neuen" Favez bei den Fans? Chris: "Was wir auf der kleinen Tour erspürt haben, ist dass es fast eine Frage des Alters ist. Die ganz alten Fans mögen es sofort sehr gut. Die etwas später dazu gekommenen Fans haben anfangs etwas mehr Berührungsängste, mögen es aber dann doch sehr und die jüngst gewonnen mögen es nicht so. Wir haben auch einen leichten Zulauf insgesamt verzeichnet im Vergleich mit früheren Jahren."
Kann ich mal ziehen? - Flirt zwischen Piggy und Chris Wicky
Ob jemand gesagt habe, es sei wie Favez unplugged frage ich mit meiner angeborenen Naivität und Chris verneint. "Weil es das nicht ist..." Das gebe ich zwar zu, vergleiche aber die Atmosphäre des weicheren Favez' Sound 2007 mit der eines Unplugged-Konzertes. "Ich verstehe, was du meinst", gesteht er mir immerhin zu, "wobei wir diese Nacktheit eines solchen Setups gänzlich vermissen lassen. Wir wollten eben gerade mehr anstatt weniger auf der Bühne haben. Wir wollten auch wieder mehr an den Songs arbeiten. Bei 'Old and Strong' hatten wir es oft laufen lassen und uns vielleicht ab und zu mit zu wenig begnügt. Aber das wollen wir nicht. Zudem gab's damals einigen Knatsch in der Band. Jetzt verstehen sich alle wieder gut, auch mit den beiden neuen. Deshalb sind die neuen Songs auch mehr zusammen gebaut. Wir konnten sehr frei miteinander umgehen, was sehr konstruktiv wirkte."
Zum Dank ein Küsschen...
In diese vergangene Zeit fällt auch das letzte Interview von Trespass mit Favez. Chris sagte damals hinsichtlich seiner Band: "Ich glaube, dass Rock-Ding ist für uns gestorben." Die Entwicklung der Band, wie nahe man auch immer genau am Grounding vorbeigeschrammt ist, zeigt eigentlich eher, dass der satte Rock von Favez immer noch da ist. Nur sind die Riffs nicht mehr derart dominant. Wohin geht die Entwicklung nach "Bigger Mountain, Higher Flags" nun? - Chris: "Ich habe keine Ahnung. Wir haben die Songs etwa im Mai erstmals gespielt, das Album im Herbst releast. Wir werden jetzt damit bis mindestens nächsten Sommer durch Europa, an den Festivals und in Schweizer Clubs touren. Darauf warten glaube ich alle. Denn im Moment wissen wir nicht so recht, woran wir sind. Wir haben diese Woche vier Konzerte gespielt und wirklich zusammen gekommen ist es am zweiten Konzert. Da fühlten wir uns plötzlich wieder wohl auf der Bühne und hatten eine rohe Idee, wie der Sound rüberzubringen ist. Was das fürs nächste Album zu bedeuten hat, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Es ist jedenfalls noch weit weg." Komplizierter ist es mit zwei Leuten mehr auf der Bühne nicht geworden, gerade für Chris, der lächelnd erzählt: "Ich kann mich jetzt auf so viele Leute verlassen, die irgendetwas für mich tun können, wenn ich es vergesse. Ich muss nicht mehr so tun, als ob ich Gitarren spielen könnte. Ich kann einfach mein kleines Tönchen machen und die anderen fassen das dann mit ihren Instrumenten. Es ist also viel, viel cooler..."
und wir wären nicht Trespass, wenn's nicht noch etwas Foto-Schabernack gäbe...
Vergleichbar ist "Bigger Mountain Higher Flags" in der Favez-Discographie am ehesten mit "Bellefontaine Avenue". Chris erzählt kurz die Zusammenhänge: "Damals haben wir das erste Mal ein Album selbst gemischt. Keine Band sollte das machen. Der gewünschte Prozduzent war allerdings nicht verfügbar und da hielten wir es für eine gute Idee." Die Sanftheit und Melodiestärke, die daraus resultierte mag bei den Favez weniger gut angekommen sein. Es war aber die erste Flucht der Lausanner vor den ungetümen Gitarrenwänden. "Wir hatten es wirklich satt", spricht Wicky ein Dilemma an, dass vielen Rockmusikern Probleme bereitet. Den Zwang zum Wuchtigen, Mächtigen - Bigger Better Faster More. Mit "Bigger Mountain Higher Flags" konkretisieren Favez ihre Ansicht von der Musik, die sie machen wollen. Den allfälligen Kommerz-Vorwürfen sieht Chris Wicky jedenfalls gelassen entgegen: "Wir haben viel mehr Radio-Airplay mit diesem Album. Das ist einfach so. Auf der anderen Seite hat uns das nie interessiert. Music Business ist für uns wie Socken verkaufen..."
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