Fiona Daniel – Hunger auf mehr
Text/Bilder: Monthy
Die Hitparade beweist ketzerisch gesagt allwöchentlich, dass Anspruch und Erfolgsaussichten von Musik so ziemlich umgekehrt proportional verlaufen. Je simpler - desto mehr, könnte man auch sagen. Nun aber stösst eine neue Generation von jungen zumeist weiblichen Songwritern heran, die diesem Prinzip kräftig entgegen arbeiten. Exponentin der "Nouvelle Vague" ist international gesehen sicher Marit Larsen, die am Vorabend Schaffhausen beehrt hatte. National trägt Sophie Hunger die Fahne. Fiona Daniel hat mit der Vertretung der Schweiz an der Weltausstellung in Schanghai massgeblich auf sich aufmerksam gemacht. Auch wenn sie am Festival noch direkt vor Sophie aufspielte, rüttelt sie doch schon heftig an deren Thron. Ich konfrontiere Fiona mit meinen Gedanken zu ihrer Musik und frage, ob sie eine Erklärung dafür habe, dass sich nun plötzlich Anspruch und Erfolg doch nicht ausschliessen. "Das haben mich letzthin einige Leute gefragt", adelt sie mein Gespür und werweisst, "Es ist ja auch das erste Mal, dass Frauen aus dem Schatten der Männer treten. Es kann schon sein, dass es da eine Verbindung zwischen Geschlecht und Musikstil gibt…" So gesehen wäre die Nouvelle Vague eine Gegenbewegung zu den männlich dominierten Rock und Hiphop. - "Es scheint mir, die Lust auf das Ursprüngliche zu sein, die die Menschen zu dieser Musik treibt", sagt Fiona und ergänzt, dass sie es aber auch nicht genau wisse.
Die jungen Frauen geben sich denn auch entsprechend anders als die doch vielleicht etwas aggressiveren Herren. Der Begriff vom Anti-Star macht momentan die Runde und meint ein Verhalten, dass so nonchalant ist, wie das von Marit oder Lena. Früher hat man Promo gemacht, um sich selbst zu verkaufen. Die Girls aber gehen da subtiler vor. Fionas Grundsätze etwa sind bescheiden: "Was ich in Interviews gar nicht mag, ist wenn der Journalist schon vorher weiss, was er schreiben wird und sich nur noch eine Bestätigung abholen will. Da habe ich mich ziemlich aufgeregt, als mir das mal passiert ist. Ansonsten halte ich es schon so, dass ich nicht immer alles sagen muss, was ich gerade denke." Diese fliessenden Grenzen erfühlt Fiona momentan noch mehr.
Überhaupt tut sie sich aber eher schwer mit dem Thema. Sie ist eben vor allem eine Vollblut-Musikerin. "Für mich – in meinem Leben – sehe ich Musik als Konstante", meint sie denn auch auf meine Frage, was ihr Musik bedeute, "Diesen Ausgleich zur Theorie habe ich schon in der Schule gesucht. Diese Freiheit spüre ich, wenn ich ein Instrument berühre. Der Geschäftliche Teil des Ganzen ist eine eher neue Facette, die aber eben jetzt auch dazu gehört. Das muss nicht so bleiben. Aber die Musik wird mich nicht mehr loslassen. Der momentane Fokus liegt sehr stark auf den Konzerten. Und bald werde ich mich mit neuen Songs fürs nächste Album auseinander setzen."
Dass Fiona dereinst auf einer Bühne landen könnte, hat sich schon früh abgezeichnet. Als Kind trällerte sie öfter mal mitten im Tram los, wenn ihr gerade danach war. Als ich sie darauf anspreche, verweist sie verschmitzt auf: "Früher, ja… Als Kind bist du so ehrlich und machst einfach. Heute kommt das eigentlich nicht mehr vor. Meine Mutter hat dann jeweils die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen und gebrümmelt, das mache man doch nicht. Ich fand aber, ich würde diese Leute ja eh nie wieder sehen. Heute weiss auch ich, dass Zürich nicht dermassen gross ist. Geblieben ist, dass ich meine Inspiration noch heute öfter aus der Realität beziehe." Schliesslich hat sie sich diese "Gabe" ja von klein auf erarbeitet. Heute ersinne sie vor allem noch Textpassagen, wenn sie im Zug oder im Tram unterwegs sei.
Als Vor-Act von Sophie Hunger hat quasi das Festival selbst die nächste Frage in den Raum gestellt. Und zwar, ob Fiona oft mit dem Shooting Star des Landes verglichen werde? – "Das ist nicht zu vermeiden. Ich finde es einerseits verständlich. Sie ist halt einfach so erfolgreich im Moment, dass für Musiker mit ähnlichem Sound kein Weg an ihr vorbei führt. Das ist auch wirklich toll. Andererseits finde ich es immer spannender, wenn man differenzeirt mit jemandem verglichen wird." Das ganze ist ein zweischneidiges Schweirt. Denn einerseits profitiert auch Fiona von Sophie, andererseits möchte sie natürlich als eigenständig wahrgenommen werden. "Nur weil man verglichen wird, heisst es ja nicht, dass man den gleichen Weg gehen kann. Man muss trotzdem seine eigenen Stärken finden und in die Wagschale werfen. Beim gleichen Label zu sein wie Sophie, hilft da nicht."
Dabei ist Fiona Daniel in der Hinsicht ganz gut aufgestellt. In ihrer Verwandschaft findet sich beisipielsweise der Gründer von RecRec. Fiona: "Es war mir lange gar nicht bewusst, dass ich einen Götti habe, der soviel über Musik weiss." Generell bietet er ihr – auch wenn das nun Aussenstehende nicht so glauben mögen - aber mehr Background als Business. "Ich habe mich lange gescheut", versichert Fiona glaubhaft, "…aber man muss sich eben sozialisieren, wenn man irgendwo hin kommen will. Von Verbindungen zu profitieren hat nichts Schäbiges. Vor allem habe ich durch ihn aber gelernt, gute Musik zu hören." Ein Beispiel muss sie mir dafür noch geben – und bleibt ganz traditionell Singer/Songwriterin mit ihrer Wahl: "Bob Dylan…"