Wenn Worte ihren Klang finden!

26.9.2011/Text: Sandy, Bilder: Patrick Principe
„Spoken words Kammermusik“, betitelt Elsa Fitzgerald ihre Taten. Wenn sich eine Theaterfrau und ein Musiker finden und gemeinsam ihre Ideen verwirklichen, ergibt sich eine Kombination von Wort und Klang, und dass diese sogar harmonisch sein kann, bewiesen sie sie jüngst live im Mokka in Thun. Fitzgerald & Rimini präsentieren Geschichten, die wie ein Hörspiel daherkommen, und dazu passend eine Palette voller musikalischer Töne und Melodien. „Unser Ziel ist es, die Musik und die Wörter auf eine sehr enge Art zu verbinden, und sie zu verflechten“, sagt Ribi Rimini. Ribi heisst mit wirklichem Namen Robert Aeberhard ist sonst eigentlich als Bassist mit Trummer oder Electric Blanket auf der Bühne anzutreffen. Zusammen mit der Theaterautorin Ariane von Graffenried, alias Elsa Fitzgerald, inszeniert er das Projekt „Fitzgerald & Rimini“. Elsa liest übrigens gerne Scott Fitzgerald und Ribi kennt keinen Musiker in Rimini. Ihr Werk soll nicht nur gesprochenen Text beinhalten, der einfach mit Musik unterlegt wird, sondern es soll eine Verzahnung der beiden Elemente sein. Die Stimmungen der textlichen Aussagen werden durch die Musik übernommen, oder sie werden bewusst in ein anderes Licht gerückt. Eine Unterhaltungsart, die sich nicht irgendwo einreihen lässt. Ihr erster Ton- resp. Wortträger kam diesen Frühling heraus und erschien in einem Literaturverlag. Das Album „Aristokratie und Wahnsinn“ wie eine CD anzuhören sei ebenso falsch, wie sie als reines Hörspiel zu konsumieren. Gewisse Kritiker verlangen mehr Musik, andere seien nicht glücklich, dass damit die Geschichten nicht so klar verständlich seien. „Aber genau in diesem Spannungsfeld wollen wir uns bewegen“, gesteht Elsa mit einem Augenzwinkern. Fitzgerald & Rimini nehmen sich diesem Fluch und Segen zugleich gerne an.
Fitzgerald & Rimini im Mokka
Elsa Fitzgerald ist zuständig für die Worte, Ribi Rimini für die Musik. Eine klare Arbeitsteilung also. Akzeptiert wird auch die Gleichberechtigung. Jede Kunst hat nämlich das Recht, abwechslungsweise mehr Platz einzunehmen oder beim Ideenfinden vor der anderen, da zu sein. Auffallend ist, dass Elsa gerne von Randfiguren erzählt: Sei es der Drogen konsumierende Heilsarmeeoffiziere; die Ex-Prostituierte, die ihren Bauern findet; oder die dicke Sophie, die sich während der Skischule lieber versteckt. „Doch es gibt schon die Tendenz zu Randfiguren“, lässt sich die Geschichtenschreiberin ertappen. Denn genau diese Verlierer will sie zu Helden machen. Elsa schaue darauf, dass für einmal der Blickwinkel dieser Figuren transportiert wird. „So wird die Absurdität des Alltags entlarvt“, sagt die wortgewandte Frau. Ihre Geschichten sollen auf ihre Art aufzeichnen, an was unsere Gesellschaft krankt, und wo sie nicht funktioniert. Aber die Welt verbessern will sie damit nicht. „Nein, ich mache es nicht manipulativ. Ich setze keine Wirkungsmechanismen“, sagt die Autorin. Ihr Ziel ist anders gesetzt: „Die Leute, die diese Geschichten hören, sollen sich ihre eigenen Bilder dazu entwickeln und daraus soll ihr persönlicher Film ablaufen.“ Fitzgerald beschreibt es auch so: „Ich will einfach Material zur Verfügung stellen. Die Zuhörer können damit machen, was sie wollen und sich ihre eigenen Fragen dazu stellen.“
Fitzgerald & Rimini im Mokka
Fitzgerald & Rimini lassen nicht nur Figuren aus Stadt und Land aufleben, sondern sie verflechten auch mehrere Storys in einem Stück, und man weiss schliesslich nicht ganz genau, wie es überhaupt ausgeht. Ihre Aufführungen beinhalten eine gewisse Situationskomik, die vielleicht auch erst bei zweiten oder dritten Zuhören verstanden wird, oder sie stellen eben Fragen an unsere Gesellschaft. Sie verknüpfen die Krise des Kapitalismus mit der Krise in der Liebesbeziehung. Oder beschreiben in einem wunderschönen Happy End, wie sich eine manisch depressive Kuh und ein Kampfhund verlieben. Einer ihrer Ansätze sei es, das Private mit dem Gesellschaftlichen zu verbinden. Rimini verrät noch etwas anderes: „Die Geschichten sind nicht nur realistisch, sondern kippen plötzlich in eine Phantasiewelt - in etwas Unwirkliches. Genau diese Offenheit bringt Freiheiten zum mitdenken.“ Auch über das Showgirl Paris Hilton wird geredet. Dort stellen sie die Frage, ob die Person wirklich so ist, oder ob wir sie zu dem machen. Die Ideen zu ihren Geschichten findet Elsa Fitzgerald beim Lesen, Beobachten oder Hinhören. Aber auch Musik kann ihr einen Denkanstoss geben.
Fitzgerald & Rimini im Mokka
Ribi Rimini ist der Musiker im Team. Bereits sechs Jahre sind Fitzgerald & Rimini live unterwegs. In dieser Zeit war ausschliesslich er für die Klänge zu den Worten verantwortlich. Für die CD-Aufnahmen waren ebenso Gastmusiker dabei, wie bei Liveauftritten wie jenem im Mokka. Der Ton-Geber will aber auch jetzt seine Selbständigkeit bewahren: „Mein Credo ist, alles auf der Bühne live zu kreieren, in Loops umzusetzen“, sagt der Bassgitarrenspieler, der dieses Instrument auch für Experimente einsetzt. Er versucht sein Schaffen so zu erklären: „Ausgangspunkte können Geräusche sein, die ich am Anfang aufnehme und über die Dauer des Stückes verfremde, aufzeichne und anders wiedergebe.“ Im Stück „Gündlischwand“ sei es eine Tropfen aus einer Duschbrause, der sich dann passend zur Folge der Story in Schüsse verwandelt und am Schluss sogar einen Bergsturz vertont. Rimini schreibt aber auch richtige Musikstücke zu Fitzgerald’s Geschichten, so dass das Ganze auch eine Melodie bekommt und nicht zu abstrakt wirke. Der Zuhörer, oder noch besser der Zuschauer wird aufgefordert, zu beobachten, zu spüren und dann zu erleben, dass die musikalische Atmosphäre genau zur Brisanz der Wortaussage passt.
Fitzgerald & Rimini im Mokka
Live lebt das Schauspiel Fitzgerald & Rimini von einer Performance - der Mimik von Elsa und dem Geschehen auf dem Klangtisch von Ribi. All das hilft, die Fantasie des Publikums anzuregen. Damit ihre CD „Aristokratie und Wahnsinn“ daheim in der guten Stube konsumiert wird, wird eine Offenheit für eine musikalische Kunst verlangt, die dazu inspiriert, die eigenen Gedanken und Bilder fliessen zu lassen. Elsa hat einen Tipp, wie ein Neuling den Einstieg dazu finden kann: „Die CD hört man sich am besten beim Bügeln an.“ Voila, wer also die eintönige Hausarbeit zu langweilig findet, hat nun endlich die Motivation dazu. Aber der Wäscheberg muss schon gross genug sein. Denn man soll sich Zeit nehmen, um den aristokratischen Wahnsinn von Elsa und Ribi zu verstehen, in diese Welt abzutauchen, und sich mit all dem dort Passierenden einzulassen. Es ist den beiden bewusst, dass sie uns eine Überdosis von Geschichten und Klängen servieren, so dass wir uns das Ganze mehrmals anhören müssen, um es immer besser zu verstehen. „Erst dann bist du drin und hast es erfasst“, sagt Rimini. Die Gefahr sei da, dass man sich von der Musik ablenken lasse und dadurch die Pointe der Geschichte verpasst. In den Storys ist nämlich eine Extra-Komplexität eingebaut, die man erst mit der Zeit bis in das Detail versteht.
Fitzgerald & Rimini im Mokka
Nicht nur die Auftritte von Fitzgerald & Rimini, sondern auch das Album widerspiegeln eine enorme Wort- und Klangvielfalt. „Da kommt eine Welle auf uns zu und darauf muss man sich einlassen, sonst funktioniert es nicht“, weiss der musikalische Macher. Die CD-Aufnahme war so oder so eine Herausforderung und wurde zu einem richtigen Prozess. Das Duo hat sich entschlossen, dafür noch andere Leute beizuziehen. Sie haben die einzelne Stücke ausgebaut um weitere Instrumenten, wie dem Akkordeon, dem Sax oder dem Cello Raum zu gegeben. Elsa’s Figuren haben dadurch plötzlich eine eigenständige Stimme erhalten. Übrigens kann man bei Fitzgerald & Rimini nicht von Songs reden. Ihre Stücke funktionieren anders und sind eher Fragmente: Text- und Musikflächen, die zusammenkommen. Auch ihre Zeitdauer ist unterschiedlich. „Als Musiker ist es relativ schwierig dem Drehbuch zu folgen. Es gibt keine Form, woran du dich halten kannst, wie Refrain oder Strophen“, weiss Rimini, der im Mokka deshalb auch wie ein Dirigent aufgefallen ist.
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