Friedli und Fränz: Die letzten Rocker der Schweiz?
Text: Kabis Kilbi
Bilder:
musicbild.ch Es war Samstag Morgen. Der rasende Musig-Reporter Kabis Kilbi war gerade aus seinem Gliger hervorgekrochen. Er sass am Kompjuter und knorzte mehr oder weniger motiviert an einem Text rum. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, der ihn zusammenzucken liess: „Die Kilbimusig, Jessesmaria!!!“ Er musste doch mit den Entlebucher Katholiken noch einen Interviewtermin abmachen – für selbigen Samstag Abend. Gedacht, getan. Den Schrecken hatte er mit einer Zigi beruhigt, als ihm nach 968 Mal läuten am anderen Ende einer antwortete: „Joooo, wär isch daaa?“ - „Salüü, ich bin's von trespass.ch, wegen einem Intervju hinech, am Wuudrock...“ - „Was wosch? Teschtoschteron punkt zeehaa? Weisch, mir si da no grad a sore Hundsverlochete... u – gopfertelli, warum liegeni eigetli ungerem Tisch?. Bi doch geschter Nacht no obe glääge.“ Irgendwann reichte der andere das Telefon weiter. „Ich gibdi gad am Rüüd, dä liigt da ou unterem Tisch.“ Sie einigten sich schliesslich – nachdem Rüüd noch „es Haubeli Träsch“ gefunden hatte. Kabis sollte die Jungs gegen fünf Uhr am Abend am Woodrock treffen.
Es brauchte nach fünf Uhr noch einmal ein Telefon. Tätschmeister Ruud und Schlagzeuger Friedli – er hatte am Morgen das Telefon als erster abgenommen – waren gerade damit beschäftigt, ihren VW-Bus zu bemalen: Mit Filzstift notierten sie so wichtige Mitteilungen wie „Träscheinfüllstutzen, 76%“ auf dem abgeschossenen Lack. „Eigentlich dürften wir den gar nicht mehr fahren. Aber wir haben zum Glück U-Bleche...“, erzählt Ruud. „Und weil vorne nur zwei Sitzen können, mussten wir vor dem Abfahren noch ein Sofa hinten reinstellen, für den dritten. Das holten wir, nachdem wir bei der Feuerwehr bei uns im Dorf die Matrazen abgeholt hatten – die stellen uns die für dieses Wochenende zu Verfügung.“ Kabis analysiert schnell und scharf. Friedli + Fränz Kilbimusig sind erst zweitens eine Band. Erstens sind sie eine wandelnde Sammlung von Anekdoten, Geschichten und Erlebnissen. Erstens und Zweitens geben zusammen dann eine Art Gesamtkunstwerk. Wobei der Begriff „Kunstwerk“ Ruud und Friedli sichtlich nicht sonderlich behagen. „Aber wenn d' so wotsch...“
Aber eben. Kabis war ja eigentlich angereist, um mehr über den Entlebucher Träsch erfahren. Ihm, dem Musig-Reporter mit dem messerscharfen Verstand, war beim Durchhören von Friedlis + Fränzens jüngstem Werk „Lotto im Sääli“ bald einmal aufgefallen, dass schier jedes Lied mit „Eis, zwoi, Kaffe Träsch!“ angezählt wird. „Träsch? Hie, probier mau!“, sagt Ruud und holt einen Gartensiefel hervor und aus dem Stiefel eine Halbliter-Weinflasche mit Klarem drin. Und einem Zahnstocher. „Dä bruuchts. Süsch verjagts d'Fläsche.“ - „Aha“, denkt Kabis für sich und setzt zu einem tollen Schluck an – zumindest nach aussen hin. In Tat und Wahrheit achtet er darauf, dass nur ein feiner Lippen- und Zungenbenetzer des Hochprozentigen den Weg in seine Eingeweiden schafft. Aber ohalätz: „Mhh – ja... itz isch klar: Cha süchtig mache.“ Der Träsch aus Ruuds Haubeli ist nicht einfach feuriger Fusel. Er fruchtet noch sehr. „Der Begriff Träsch kommt schon vom Abfall“, erklärt der Blonde, „Aus den Resten vom Apfelsaft-Pressen wurde früher Träsch gemacht. Das Zeug wurde in Fässer eingelegt und vergoren.“ Heute würden frische Äpfel und Birnen genommen. Dieser hier sei aus der Birne. Kabis jedenfalls langt während und auch nach dem Intervju noch ein paar mal kräftig zu – ob pur oder im Kaffee...
Ruud ist der Träsch-Spezialist in der Kombo – auch auf der Bühne. Im Tenue der Entlebucher Freiwilligenfeuerwehr sitzt er während des Konzertes neben dem Dreibein und kocht Kaffe-Träsch – für Band und Publikum. „Mir si chuum die beschti Bänd hie“, gesteht Trommler Friedli später während der Show dem Publikum, „aber sicher die Bsöffnigschti. Durm heisenis äuä ou zum Bäcksteitsch usegschmisse...“ Am Nachmittag begründet er dazu noch: „Drum sind all unsere Songs so einfach gestrickt. Man muss sie auch mit zwei Promille noch spielen können.“ Es komme schon auch mal vor, dass Multiinstrumentalist Mcnaturtrüeb auf der Bühne einschlafe oder dass Bassist Fränz plötzlich von der Bühne verschwinde, um seine Notdurft zu verrichten. „Notdurft“ hat Friedli zwar nicht gesagt – aber es passt besser hierhin. Trotzdem behauptet Friedli, „seine“ Band habe ein soziales und moralisches Gewissen. „Es gibt schon Songs und Ideen, die im Bandraum bleiben“, versichert er. Schliesslich wollen sie niemandem auf die Füsse treten. Was mit zunehmendem Erfolg allerdings schwierig und schwieriger wird. „Jetzt beschweren sich schon Lehrerinnen bei uns weil wir 'une servila' singen und die Kinder das nachsingen – dabei wäre 'un cervelat' grammatikalisch korrekt“, erklärt Friedli. Wohl deshalb legt er auf der Bühne auch Wert darauf, dass nicht von „Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen“, sondern von „Lehr- und Kindergartenlehrpersonen“ die Rede ist. Political Correctness geht eben über alles. Auch bei Friedli + Fränz Kilbimusig (FuFK). Wenigstens fast...
Wohl lassen sie über „Feisse“ ab auf der Bühne. Doch der Boomerang trifft sie am Ende selber... Überhaupt macht es den Anschein, dass FuFK je mehr sie austeilen auch über sich selber lachen können. „Wer uns bucht, sollte uns vorher sehen. Wir sind halt Wildsäue“, meint Friedli schlicht. „Drum können wir auch nur 20, 25 Konzerte im Jahr spielen – weil sie meistens drei Tage dauern mit An- und Abreise...“ ergänzt Ruud. „Fleissiger würden wir solche Wochenenden gar nicht durchhalten.“ Aha – da wird also doch nicht nur einfach geschüttet bis ins Komma und zurück. „Na ja, geeicht sind wir schon...“, sagt Ruud. Und: „Es kann auch mal was kaputt gehen. Das geschieht aber nie mutwillig...“, versichert er. Trotzdem entbinden sich FuFK vor ihren Auftritten jeweils vertraglich vor jedwelchen Haftungsansprüchen. Dass alles in allem nichts überbordet, da passen FuFK aber auf wie die Häftlimacher. „Wir hatten heuer schon über 100 Anfragen für Konzerte. Aber wir wollen gar nicht mehr als diese 20, 25 Auftritte. Unsere Konzerte sollen etwas besonderes bleiben, für uns und das Publikum...“, erklärt Ruud.
Irgendwann schaltet Kabis dann das Aufnahmegerät aus und plaudert sonst noch weiter. Und nippt am Träsch. Und als Friedli + Fränz um halb eins in der Nacht auf Sonntag die Bühne betraten und ihre eigenwilligen Entlebucherdeutsch-Covers von Lenny Kravitz, Black Sabbath, Die Ärzte, Chuck Berry, Bryan Adams, AC/DC und anderen grossen Rockbands zum Besten gaben, kannten alle die Jungs, die das Woodrock voher fast zwei Tage mit Träsch, flotten Sprüchen und einer gehörigen Portion Partylaune unsicher gemacht hatten...