Gölä: «Ich weiss, wie klein ich bin»

Text: Ko:L
Bilder: PartyGuide.ch, Mark Berger
550 Leute – wahrscheinlich aus drei Generationen – tummeln sich auf der MS Berner Oberland. Man ist unterwegs, unten bei der Konzertbühne, auf der Galerie, von der man tatsächlich auf die Bühne sieht, ganz oben an der frischen Luft mit Video-Sicht auf die Konzertbühne. Es Bierli oder es Ballönli, Militärchässchnitte – und dazu Rock'n'Roll. „Hey Sälüüü“, ruft Gölä diesem von der Reeling her, „Machs Ring-Säubschtmord“, flachst er später mit jenem, der seinen Polterabend auf dem Schiff verbringt, „den letzten Abend in Freiheit.“ Dann legt er los. Mit Rock'n'Roll. Altem Rock'n'Roll. Trockenem Rock'n'Roll. Eingängigem Rock, der rollt und groovt. Spielt beim Halt in Spiez noch „The frist cut is the deepest“, spontan, „wiu dr Hofer wider eis z'spät isch, isch gäng z'gliiche mit däm!“ Hofer kurvt auf dem anderen Schiff auf dem Thunersee rum, legt in Spiez an, um Gölä zu sich auf die Bühne zu holen für einen Song. Dann weiter. Rock'n'Roll. Und „das seit mini o geng“, bei den „Zugabe“-Rufen des Publikums. Denn es weiss, was jetzt kommt. Die grossen, die bekannten, die Mundart-Songs. „Si luegemi aa i dr Beiz...“ singt Gölä an. Den Rest übernimmt das Publikum – bis wir zurück an der Ländte sind.
Gölä auf dem Liveschiff.ch
Gölä, Du bist schon fast das ganze Jahr wieder auf Tournee. Immer noch voller Freude?
Klar, jetzt erst recht! Jetzt haben ich den Rank gefunden, jetzt fägts. Und bald geht’s schon wieder ins Studio.

Ins Studio? Um ein Mundart-Album zu machen?
Mundart – was ist das? (lacht)

Du sagtest bei einer anderen Gelegenheit, Du würdest wieder ein Mundartalbum machen, sobald Du genügend neue Erfahrungen gemacht hast, um neue Geschichten zu erzählen...
Eben. Ich habe noch zu wenig Erfahrungen gemacht. Ich muss noch ein Album in Englisch machen.

Du spielst an Deinen Konzerten am Schluss wieder die alten Mundart-Hits – und das Publikum singt aus voller Brust mit. Juckt es Dich nicht, den einfachen Weg der Mundart zu gehen?
Nein. Ich finde es fair, den Leuten, die Gölä in Englisch hören kommen, am Ende des Konzertes noch ein Merci mitzugeben. Diese Momente geniesse ich wahnsinnig und habe wieder Freude, diese Songs zu spielen. Aber es ist keine Versuchung da, nur Mundart zu machen. Klar wäre es praktisch. Aber der Reiz ist nicht da.
Gölä auf dem Liveschiff.ch
Wie wohl ist der Band dabei?
Die sind auch voll drauf. Viele der Musiker «müssen» immer Studiomusik machen, Aufträge ausführen. Jetzt können sie plötzlich wieder das Ding spielen, das ihnen so richtig Spass macht – weil ausser mir eigentlich keiner mehr diesen alten Südstaatenrock macht. Jetzt können sie sich ausleben.

Soviel Spass am live spielen – und jetzt schon wieder ins Studio. Warum?
Wir haben tonnenweise neue Songs beisammen – aber machen sie erst im Studio fertig. Wir wollen für die neue Platte so richtig durchdrehen, so im Stil von Wishbone Ash mit fetten Gitarrensoli und so... Einfach wie früher, einen auf Retro. Es kauft ja eh keiner meine Platten, also kann ich machen, was ich will.

Ist das nicht frustrierend?

Das ist eben ein Vorteil. Wir wissen im voraus, dass keiner das Album kauft. Aber die Leute kommen an die Konzerte. So konnten wir jetzt viel Geld zusammensparen, damit wir nun eine Top-Platte machen können.

Also Konzerte spielen, um damit dann ein Album zu machen?
Ja. Das ist wie das Büezerleben. Zuerst musst du arbeiten, damit du dann in die Ferien kannst.

Sind Konzerte denn Ferien?
Jäää, also Arbeit ist es nicht für mich. Für mich ist das eine Freude. Ich habe das Glück, dass ich mit dem Hobby Geld verdienen kann.
Gölä auf dem Liveschiff.ch
Wenn Du das Geld, das Du mit der Musik verdienst, wieder in die Musik steckst, bleibt also unter dem Strich nichts übrig?
Doch. Finanziell bleibt vielleicht nichts übrig. Aber in der Seele habe ich einen Lotto-Sechser. Und das ist wichtig.

Es scheint, als hättest Du Deinen Weg, Musik zu machen, gefunden...

Ich glaube schon. Es ist die Musik, die ich schon früher immer machen wollte. Aber erstens konnte ich es damals nicht und zweitens hatte ich die Musiker dazu nicht. Ich komme langsam zurück zu meinen Wurzeln und kann den Sound, den wir selber spielen auch selber hören.

Welche Träume hat ein Musiker noch, der in der Schweiz alles erlebt hat, von zig-fachen Platin-Auszeichnungen, grossen Festvial-Gigs und ausverkauftem Hallenstadion?

Ich habe angefangen , Musik zu machen, weil ich Kiss-Fan war. Diese Band war riesig und hatte Welterfolge. Es tönt so idiotisch, wenn ein Schweizer Musiker so Zeugs erzählt. Aber ich habe angefangen weil ich werden wollte wie sie. Und das habe ich noch nicht geschafft, dieser Traum ist noch nicht erfüllt. Und dabei geht es nicht um Kohle oder so. Mein Traum ist, dass mal ein Lied von mir um die Welt geht. Und da ist es mir egal, was die Leute erzählen von wegen ich soll nur Mundart machen und so Zeugs. Mein Traum ist es, der mich am Musik machen hält, und der ist noch nicht in Erfüllung gegangen.
Gölä auf dem Liveschiff.ch
Bist Du grundsätzlich ein Mensch, der lieber den schwierigeren Weg nimmt?
Hmm... Ich war schon immer gut darin, mir selber das Leben schwer zu machen. Aber ich finde alles, was schwierig zu finden war, geiler, als das, was ich einfach kriegte.

Wenn Du das Panorama hier von deiner Terrasse aus betrachtest, mit grüner Wiese, Bergen und See, inspiriert Dich das für Songs?

Nein, ich glaube, das fliesst nicht in meine Songs ein. Sonst hätte ich «Heimweh» von Plüsch geschrieben. Das ist ein geiler Song. Siehst du, da sitz ich hier und schreibe nicht einmal diesen Song. Ich regte mich so auf, als die den Song rausbrachten. Die schreiben so ein schönes Lied und es kommt mir nicht selber in den Sinn. Ich habe genau dieses Gefühl; wenn der Song im Radio kommt und ich hier draussen bin, dann weiss ich: Das ist mein Zuhause. Eher werde ich in meiner Einstellung dem Leben gegenüber beeinflusst, wenn ich hier bin. Ich sitze mitten in der Natur und ich stehe Abends die Sterne. Ich weiss wie klein ich bin, weil ich es sehe, wenn ich draussen sitze. Ich bin mir bewusst, ich bin nur ein Nichts auf einer kleinen Kugel, die in einem Affenzahn durchs Universum fliegt. Das alles holt mich immer wieder vom hohen Ross runter.
Gölä auf dem Liveschiff.ch
Du hast in den letzten zehn Jahren sämtliche Hochs und Tiefs einer Musikerlaufbahn erlebt, und trotzdem scheint es, stecke immer noch das selbe dahinter. Ist dem so?
Natürlich – weil du nicht beeinflussen kannst, was mit der Musik passiert. Damals bei «Uf u dervo» trug ich auch nichts dazu bei, das ist einfach passiert. Das ist das Schöne an der Musik: Nicht die Kritiker enscheiden, ob Musik Erfolg hat oder nicht, sondern das Volk. Musik ist eigentlich die einzig wahre Demokratie. Da kannst du selber gar nichts dazu beitragen.

Was hast Du denn für dich persönlich erreicht in all den Jahren?

Das grösste, das ich geschafft habe, ist wieder Freude an der Musik zu finden. Auch wenn ich jetzt nichts verkaufe, ist das, glaube ich, echt der grösste Erfolg für mich.
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