Gotthard - Der Prophet im eigenen Land

Text: Monthy
Bilder: Cover, Hansjürg Holzreuther
Das neue Gotthard-Album - Need to believe
Gotthards neueste Scheibe "Need to believe" verspricht viel. Vorab finde ich es erstmal bezeichnend, dass der Glaube an sich selbst Thema der ersten Vorabsingle und via Albumtitel auch der gesamten Platte geworden ist. Nachdem Gotthard mit "Heaven" und "Brother" schon bald alt, fett und glücklich zu werden drohten, haben sie sich vor vier Jahren mit "Lipservice" aufgemacht, noch einmal zu testen was geht. Und vielleicht gilt auch nach "Need to believe" noch, dass der Band eigentlich nur ein Single-Welthit fehlt, um ihren Status auch international endgültig zu dokumentieren. Beispielsweise macht der Name Europe auch heute noch mehr Furore, obwohl die Band nach "The Final Countdown" kaum noch etwas gebracht hat. Für mich sind die Tessiner aber auch noch aus anderen Gründen schon jetzt die wirklichen Federers des Hardrocks. Gotthard hatten es nie nötig - wie Guns'n'Roses-Axl - Hotelzimmer auseinander zu nehmen. Sie haben nicht wie angeblich Teile der Rolling Stones schon sechs Ärzte überlebt, die ihnen einen baldigen Drogentod prophezeit hatten. Und obwohl Steve Lee ein äusserst attraktiver Frontmann ist, sucht man auch Frauengeschichten im Umfeld von Gotthard mehrheitlich vergeblich. Sie sind die Gentlemen eines toughen Genres - und auch nach fast zwei Jahrzehnten immer noch akribisch daran, ihren Sound zu verfeinern und zu entwickeln.
Producer Rich Chycki mit Trespass-Monthy
Nachdem wir in den letzten Jahren mehr als ein halbes Duzend Talks mit Steve und seinen Kollegen gemacht haben, eröffnet sich mir am Showcase in der Alten Börse Zürich die Möglichkeit, mal eines über Gotthard zu machen. Die geeignete Persönlichkeit befindet sich gerade auf Besuch in der Schweiz und lässt es sich nicht nehmen, die Jungs beim Debut ihres ersten gemeinsamen Werks auf der Bühne zu unterstützen. Produzent Rich Chycki halte ich gerade für den Richtigen. Erstens ist er unheimlich vom Fach, hat beispielsweise für Aerosmith gearbeitet und zweitens bringt er den internationalen Blick in die Diskussion ein. Ich spreche ihn am Apero vor der Premiere an und frage nach einleitender Erklärung, ob wir Schweizer überhaupt wissen, was wir an Gotthard haben? Rich: "Ich habe im Zusammenhang mit der Band nie daran gedacht, wo sie genau herkommt. Ich habe Steve's Gesang gehört und er ist tatsächlich einer der besten Sänger, mit denen ich je gearbeitet habe. Ich mag ihr Songwriting und alle Bandmitglieder wollten hart an sich arbeiten, um eine etwas andere Platte zu machen. Das hat schliesslich auch den Ausschlag gegeben. Ich denke nicht an die Schweizer Band Gotthard sondern an eine grossartige Band Gotthard."
Weltpremiere - Monthy's Haar erstmals länger als das von Steve Lee!
Als Produzent sieht Rich dieses Phänomen vom Propheten im eigenen Land nicht gerne und verneint es in einem ersten Anlauf sogar gänzlich: "Ich glaube nicht, dass es so ist. Ich finde, wenn eine Band mit anderen in Wettbewerb tritt, dann in Kategorien wie Songwriting, wie die Jungs spielen und singen und wie sie sich mit ihren Fans kurzschliessen können." Am Ende des Gespächs kommt er mit dem Ausspruch "Actually,..." allerdings auf das Thema zurück und erzählt, dass eine befreundete kanadische Band, ihm genau dieses Phänomen kürzlich geschildert habe. Sie seien im Ausland absolut gefragt, aber in Kanada hätten sie viel mehr zu kämpfen. Wenn man bedenkt, dass die internationale Prominenz gerne in der Schweiz wohnt - auch weil man hier auf der Strasse in Ruhe gelassen wird - dann ist wohl auch in der Sache Gotthard ein bisschen Fleisch am Knochen. Und wie gesagt - den internationalen Beweis ihrer Klasse müssen Gotthard erst noch mit den Singlecharts untermauern.
We'll eat you up - Gotthard sind auch 2009 noch hungrig
Ich wechsle das Thema und will von Rich wissen, ob er es für aussergewöhnlich halte, dass eine Band nach fast zwanzig Jahren noch neue Songs schreibt, anstatt sich der Nostalgie hinzugeben und mit dem bewährten Material zu touren? - "Das Grossartige daran ist, dass die Band - glaube ich - eine Vision und ein klares Bild mitbringt, was sie erreichen wollen. Sie hatten ja ihr letztes Album selbst produziert und ich habe ihnen deshalb gleich zu Beginn gesagt, dass ich nicht der Richtige sei, wenn sie einfach ein weiteres Album machen wollten. Aber sie wollten ein bisschen moderner werden und sich weiter entwickeln. Wenn Musiker das nach so langer Zeit noch mitbringen, ist das auch für mich als langjährigen Produzenten beeindruckend." Und hat Rich dann den Gotthard-Glauben, den Spirit der Band im Studio auch gespürt? - "Absolut. Wir hatten sehr lange Nächte. Die Jungs haben immer wieder diskutiert und sehr hart gearbeitet. Und ich glaube, das zeigt sich auch im Album. Ich denke, wir haben einen wunderbaren Job gemacht und Gotthard haben dabei immer versucht, über sich selbst hinaus zu kommen und nach neuen Möglichkeiten zu suchen."
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