Hank Shizzoe - unter acht Augen
Text: Monthy
Bilder: Hank Shizzoe
Ein Witz unter Schizo's: "Ach, du bist auch schizophren - dann sind wir ja schon zu viert...", geht mir durch den Kopf, als ich die Arkaden im Zürcher HB betrete. Auf mich wartet denn auch die vielleicht zweigespaltenste Persönlichkeit der Schweizer Musik Szene neben meiner selbst - Hank, seines Zeichens schon im Nachnamen Shizzoe... Die neueste Spaltung betrifft Hanks Zunge, die zwar nicht die Unwahrheit spricht, aber doch ein wenig verknotet ist. "Svalutatione", die erste Radiosingle von Hanks aktuellem Werk "Breather" ist nämlich die Premiere in italienisch. "Ja, 's isch nache gsi...", meint der Berner in breitem Dialekt, "wir leben ja auch in einem mindestens viersprachigen Land. Obwohl es mir manchmal vorkommt, als wären es 28. Deshalb wurde es Zeit für Italienisch..." In Bezug auf die vielen Sprachen frage ich nach, ob er denn auch schon Songs in Suaheli angedacht habe. "Nein, noch nicht... Aber das ist eine gute Idee. Ich habe mal mit Musikern aus Mali zusammen gespielt - als ich den Sänger fragte, was das für eine Sprache sei, die er da singe, meinte er, es seien acht Sprachen..." Das schizophrene hält sich bei Hank im Vergleich also noch durchaus in Grenzen. Dabei würde man "Svalutatione" live wohl auch ohne Worte verstehen, stammt der Song doch ursprünglich von "Balla-Balla" Celentano, der selbst auch ständig zwischen Genie und Wahnsinn umher tingelt. Shizzoe lacht und erklärt mir währenddessen: "Gut angedacht... Ich habe die Sprache ja eigentlich wegen dem Song ausgesucht. Celentano ist auf der Coolness-Skala von eins bis zehn mindestens eine Elf und die Nummer hat mir schon immer besonders gut gefallen. Celentano nach Englisch zu übersetzen, wäre dann mehr Sysiphus-Arbeit - er hat ja seine eigene Sprache..." Zu den italienischen Cantautori fühlt sich der Schweizer Kollege aber auch noch ein bisschen mehr hingezogen. "Fabrizio De Andrei mag ich sehr, vor allem auch wegen seinem typischen Genueser Stil, frühe Sachen von Lucio Dalla auch. Was ich nicht so kenne, ist die zeitgenössische Szene und alles, was in Pop mündet." Dass sich Hank Shizzoe in der italienischen Kultur quasi ersatzweise bedient, streitet er denn auch gar nicht ab: "Ich denke schon, dass ein bisschen Italianità allen hier gut tun würde... Man muss ihnen zudem zugestehen, dass sie mit Spaghetti die Welt gerettet haben. Was würden wir bloss ohne die Italiener tun?"
Ich drücke mich ein wenig ums Weiterfahren, hauptsächlich weil ich nicht gerne gegen meine eigenen Prinzipien verstosse. Eines davon besagt, einen Künstler nicht nach der Herkunft seines Namens zu fragen. Ein gestandenes Exemplar wie Hank hat diese Frage nämlich im Durchschnitt schon einmal zuviel beantwortet. Nur kann ich hier wirklich nicht widerstehen. Ich fühle mich dem Shizzo(e) durch dasselbe Schicksal eben sehr verbunden. Hank ist gnädig und lässt die Story noch einmal - das neunhundertsiebenundachzigste Mal - extra für mich vom Stapel. - "Als ich meine erste Platte am Machen war, hatte es einige Songs darunter, die im sogenannten Overdub-Verfahren eingespielt wurden. Also die Spuren einzeln einspielen und dann eine über die andere gelegt bis aus einem Mann irgendwann eine Band geworden ist... Das habe ich versucht, meinem Bruder zu erklären, der selbst nicht vom Fach ist. Er fragte dann, 'Du willst mir also sagen, du sitzt um drei Uhr morgens alleine im Studio und groovst mit dir selbst - ist das nicht etwas schizophren?' Daneben empfinde ich es eh so, dass wer auf einer Bühne steht - Schauspieler oder Musiker beispielsweise - sowieso nicht ganz sich selbst sein kann und zwangsweise eine Ahnung von Parallel-Universen hat oder kriegt." Ob er damit sagen wolle, Musiker seien prinzipiell schizophren, hake ich nach und Hank meint lapidar: "Sagen wir es mal so - wir haben wohl einen Hang zur multiplen Persönlichkeit... im Idealfall!"
Im Bemühen seriös zu bleiben, frage ich Hank, worauf es ihm bei einem Album wirklich ankomme, beispielsweise anhand seines aktuellen Werks "Breather"? Hank: "Einerseits ist es für mich wichtig, dass es schon das vierte Album ist. Das Handwerk ist klar und es ist nicht mehr wirklich neu. Das erlaubt mir, mich mehr auf die Inhalte zu konzentrieren als auf die Form. Dort ist mir besonders wichtig, dass die Inhalte einen Bogen beschreiben. Hin zu den Alben, die ich selber gern höre und die man - abgesehen vom Kehren der Platte - einfach durchhören kann." Ich unterbreche den traditionsbewussten Singer/Songwriter kurz, um wegen der Platten nachzufragen, worauf Hank mir verrät: "Ich habe Platten immer gemocht. Wegen der Qualität und weil sie irgendwie gemütlich sind. Deshalb habe ich auch extrem Freude, dass meine Songs auf Vinyl erhältlich sind. Man staunt ja auch, welche Leute heute Vinyl kaufen. Von meinen Verkäufen an den Konzerten her zu schliessen, sind es keine 50, 60jährigen Typen mit Spinner-Anlagen sondern die 20jährigen oder darunter.", beendet Shizzoe meine Abschweifung und führt in die ursprüngliche Frage zurück, "Item - So eine Platte mit Bogen ist für mich fast wie ein Buch oder ein Film. Das ist heute wohl nicht mehr so gefragt - ein ganzes Album zu hören. Bei vielen Platten kann ich es auch nicht, aber wenn es geht, habe ich eine Scheissfreude. Entsprechend versuche ich auch bei meiner Musik, so einen Bogen zu erschaffen." Ich gestehe Hank, dass ich eigentlich längst aufgehört habe, nach dem perfekten Album zu suchen. Als Hörer entspreche ich aber immer noch ziemlich genau dem Shizzoe-Profil. Nun heisst das nicht etwa, dass es wegen des Fokus' aufs Ganze auf die einzelnen Songs weniger ankommt. "Zwangsweise...", holt Shizzoe nachdenklich aus, "es mag ein Widerspruch sein. Aber die Konzentration auf den einzelnen Song hilft mir auch in Bezug aufs ganze Album. Wenn die einzelnen Songs positiv sind, weiss ich auch, dass das ganze Album gut werden kann." Das ist wohl auch eine Einstellungssache und eine Frage der inneren Ruhe und der musikalischen Erfahrung. "Wir befinden uns ständig in Ausbildung", relativiert sinnigerweise einer, der selbst zum Lehrer taugen würde...
Ich sehe Hank also im Spannungsfeld zwischen Selbsterneuerung und -wiederholung. Wie aber findet er da Leitplanken? Worauf mag er sich einlassen und wo bleibt er lieber einfach Hank? - "Ich überlege mir das nicht...", erklärt er ganz ehrlich, "...und zwar ist das nicht kokettiert, sondern ich kann es einfach nicht. Musikalisch gesehen... Wenn ich das Gefühl einer Auftragslage habe - zum Beispiel einen Radiosong schreiben will - geht es in die Hose. Ich kenne auch viele Leute, die es versucht haben und es ist in die Hose gegangen - Bekannte und Unbekannte. Ich bin überzeugt, die Leute bemerken schlussendlich diese Ehrlichkeit, sofern sie das überhaupt wollen. Es gibt viele, die vor allem Wert auf eine Etikette legen. Für die ist das gar kein Thema. Aber wer Gehalt will, der bringt diese Sensibilität mit. Und deshalb kann ich mir gar keine Gedanken dazu machen." Das Beschriebene begegnet Hank denn auch live: "Es gibt unter meinen Zuhörern - vor allem in Deutschland - viele, die sehr am Instrumentalen interessiert sind. Manch einer würde staunen, wie gross das Interesse an dieser Kunst ist. Wenn man bedenkt, dass ein Randy Newman in Zürich das Hallenstadion füllen kann... Dabei läuft das total am Mainstream vorbei, den man uns immer auf die Nase binden will!" Ich resümiere, dass einige Szenen offenbar mehr Kommunikationsprobleme hätten als andere, wobei mir Hank klar zustimmt: "Auf jeden Fall. Das ist die alte Mediendiskussion - war zuerst das Bedürfnis oder das Angebot? Ich habe schon immer zu denen gehört, die vor allem das Angebot kritisieren." Auf Künstler ausserhalb des gleissenden Trend-Rampenlichts wirkt die gegenteilige Behauptung - gleichzeitig eine Rechtfertigung des Business' dass man quasi alles Mögliche getan habe, es sich aber nicht lohne, in diesen oder jenen Stil zu investieren - sehr schnell sehr arrogant. "Es gibt ganz viel Zeugs, welches den Mainstream auf dem falschen Fuss erwischt hat. Das beste Beispiel ist wohl der Buena Vista Social Club. Man stelle sich vor - über 80jährige Opas verkaufen alleine in Europa über 9 Millionen CDs. Jeder Marketingausschuss hätte sich krumm gelacht, wenn man ihnen die Idee unterbreitet hätte. Was die Leute hören wollen, das hören sie...- so ist das!" Je länger ich mit Hank Shizzoe diskutiere, desto mehr stelle ich fest, dass in diesem Business ein bisschen Shizzo(e) nichts Schädliches sein muss und beende damit unser Gespräch unter acht Augen.