Honey for Petzi - Die Alternative Pop
19.6.2011; Text: Monthy, Bilder: ckphoto.ch
Meine letzten Gäste am diesjährigen B-Sides Festival auf dem Sonnenberg zu Kriens stellten für mich persönlich ein kleines Déjà-vu dar, wenn auch mit Aha-Faktor. Als ich die Lausanner Honey for Petzi das erste Mal sah, war dies nämlich an exakt derselben Stelle, am ersten B-Sides überhaupt im Jahr 200X. Damals waren die Honigbären eine sehr alternative, instrumentale Rockband, die ihre Songs zuerst konstruierte und dann auch gleich wieder dekonstruierte. Besonders beeindruckend waren für mich die dissonanten Spuren, die oft ein absolutes Eigenleben führten und dann auf einen Schlag plötzlich doch eine Harmonie kreierten. Schon damals merkte man, welch enormes Potential in der Band steckt. Konzept und eine gewisse künstlerische Sturheit verhinderten aber den Durchbruch in den nächsten Jahren. Das haben wohl auch Honey for Petzi bemerkt. Denn heute machen sie nicht mehr Alternative Rock, sondern - laut Programmheft des B-Sides - "Contemporary Rock". Meine Frage zum Auftakt bezieht sich denn auch gleich auf den Begriff, was simpel und einfach heisst: "Was ist passiert?" - Sammy: "Damals haben wir Songs mit sehr wenigen Vocals gemacht. Und das war dann auch gleich das erste, was wir verändert haben. In der Folge veränderte sich überhaupt unsere Art, Songs zu schreiben. Wir integriereten also Stimmen und haben uns auch sonst ziemlich in Richtung Pop bewegt."
Contemporary heisst ja eigentlich nur, dass man auf der Höhe seiner Zeit ist. Musikalisch ist der Begriff aber ziemlich hohl. Dazu muss man aber sagen, dass er nicht von der Band selbst stammt. Sammy teilt meine Bedenken auf die Frage, ob das überhaupt ein Musikstil sei. Wir einigen uns schliesslich darauf, dass sie modernen Pop/Rock machen, was für viele Leute einen Gegensatz in sich darstellt. Obwohl der Tenor heute ein wenig ein anderer ist, gibt es die Unkenrufe immer noch. von wegen Rock sei tot. Honey for Petzi leben das Gegenteil vor. - Phillipe: "Viele Leute sagen jahraus, jahrein viel - insbesondere lassen sie jedes Jahr einige Stil angeblich sterben... Ich denke nicht, auch wenn wir uns momentan vom Rock weg und in Richtung Pop bewegen. Die Herausforderung für uns ist eben gerade, normalere Songs zu machen." Ob man dabei denn auch die alteingesessenen Fans mitnehmen kann? - "Ich denke, die Aussage von eben bezog sich nicht auf die Fans, sondern auf die Songs, die wir in einem neuen, vielleicht etwas klassischeren Format präsentieren", demonstriert Christian seinen Unwillen, sich mit Erwartungshaltungen von aussen auseinander zu setzen. Denn nur weil Honey for Petzi sich nun musikalisch der Allgemeinheit annähern, heisst das ja nicht, dass sie weniger stur und künstlerisch handlen wollen.
Dass sie zuvor extrem alternativ gewesen seien, schreibt Sammy vor allem dem Instrumentalen zu: "Wir hatten eigentlich dabei nie das Gefühl, etwas total Eigenes und Originales zu machen. Wenn die Leute keine Stimmen hören, wird die Musik einfach automatisch so empfunden." Als verkünstelt, konzipiert und aus Prinzip ganz anders, meint er damit vor allem. Kurz zusammengefasst könnte man einfach auch sagen, Honey for Petzi expandieren. Veränderung gründet dabei ja zumeist im Älter werden. Die Frage, ob ihnen der alte Trott denn auch ein wenig langweilig wurde, beantwortet Christian mit einem vielsagenden "Vielleicht..." und Phillipe ergänzt: "Dass auf unserer aktuellen CD 'General Thouths and Tastes' nun Stimmen drauf sind, ist ja nicht eine Weltneuheit. Unser erstes Album baute schon sehr stark auf Vocals. Daher könnte man es auch ein Comeback nennen..." Nun fragt sich - wie bei jedem Prozess der Veränderung - wie weit das Ganze denn gehen soll. Können sich Honey for Pezi vorstellen, dereinst eine - überspitzt formuliert - hundskommune Pop/Rock-Band zu sein? - Sammy: "Wo es genau hingeht, können wir heute nicht sagen. Aber wir werden zumindest in näherer Zukunft nicht gänzlich mit unseren Wurzeln brechen." Phillipe spricht speziell den Zeitfaktor an: "Wir haben für diese Veränderung fast vier Jahre gebraucht. Nun werden wir das einfach weiter entwickeln und sehen, wo es uns hinführt."
Ob denn Veränderung bei Honey for Petzi normalerweise eher langsam und schleppend verlaufe, frage ich nach, erhalte aber keine Antwort über das letzte Album heraus. Trotzdem hat mich das Thema Veränderungsprozess jetzt gepackt und ich spreche die Jungs darauf an, wie der eigentlich von statten gehe. Trifft man sich eines Abends und hat einfach genug vom Alten oder passiert das langsam und stetig in einem Musiker? - Sammy lacht: "Wir haben ein Meeting einberufen und dabei bestimmt, dass wir uns nun verändern wollen... Nein - es hängt wohl mehr damit zusammen, dass sich unser Musikgeschmack leicht verändert hat, dass wir andere Dinge hören und mit dem Postrock ein bisschen abgeschlossen haben." Ich will wissen, ob das denn bei allen parallel geschehen sei oder ob es mehr von einer Person kam. Christian: "Komisch ist bei uns, dass wir alle immer etwa die gleichen Sounds hören, auch wenn die ziemlich breit gefächert sind. Das war auch in dem Prozess so. In anderen Bands, die ich kenne, ist es oft so, dass der eine diesen Einfluss mit hinein bringt und der andere jenen. Bei uns aber nicht." Und dies obwohl die einzelnen Charaktere der Band als Personen gar nicht gleich sind. "Total nicht", meint Christian denn auch auf meine Frage nach den Typen. "Es ist eine musikalische Gemeinsamkeit. Wir füllen alle in der Band ganz verschieden Rollen aus. Jeder ist irgendwie ein Leader und irgendwie wird er aber auch von den anderen geführt. Kommt auch darauf an, an welchem Punkt des Prozesses wir sind."
Auch wenn sie sich nun schon ein wenig an die Normalität angeglichen haben, sind Honey for Petzi - Songs immer noch komplizierte Gebilde. Sind sie das auch schon im Enstehungsprozess? - Phillipe: "Du hälst sie für kompliziert? - OK... Wir haben echt versucht, die Songs von 'General Thoughts and Tastes' so einfach wie möglich zu halten..." Sammy zeigt etwas mehr Verständnis für mich: "Es stimmt schon, dass wir früher ziemlich aufwendige Konstruktionen hatten. Was erhalten geblieben ist davon, ist vielleicht, dass wir nach wie vor nicht unbedingt immer im gleichen Schema - Strophe, Refrain, Strophe usw - operieren wollen." Die Variationen, zu denen die Romands schon einen gewissen Hang haben, machen das Musizieren schon interessanter als beispielsweise Hitparadenpop. Christian: "Es gibt momentan sehr viele Bands, die irgendwo zwischen Pop und Rock stehen. Es ist als ob die Rockbands in den Pop drängen und die Popbands in den Rock. Es liegt irgendwas in der Luft. Und diese modernen Pop/Rock-Bands beeinflussen uns schon auch." Der Moment ist also doch ein ganz interessanter. Gerade zwischen den beiden Bereichen könnte sich eine grosse Dynamik entwickeln, wenn man die Affinitäten hinter sich lässt und einfach ganz nach Empfinden mal im einen, mal im anderen Fahrwasser schwimmt. Christian: "Ich empfand eigentlich, dass die eingefahrenen Sparten nur zu Langeweile führen." Und damit war er nicht der einzige. Während man früher Szene-zugehörig war, also Hardrock hörte und nichts anderes oder etwas anderes aber dann auch nur das, schwimmen heute alle im gleichen Pool und jeder pinkelt ein bisschen rein. Dass die Veränderungen der Hörgewohnheiten auch die Machart der Musik nachhaltig beeinflusst, ist also nur ein Zeichen der Zeit und musste ganz einfach passieren. Und damit habe ich auch eine befriedigende Definition für "Contemporary Rock" gefunden.