Sophie Hunger - Sketches on sea (Alacarte Records)

Text: Monthy
Bild: Cover
Polaroid mit Drumkit und Piano
Bekanntlich ist die Schweiz mit dem Sieg der Alinghi am letzten Americas Cup zur Segelnation geworden. Einmannsegler Bernard Stamm ist gerade drauf und dran bei der Weltumsegelung «Velux 5 Océans» zum Sieg zu segeln. Das Soloprojekt von Fisher-Lead Emily Welti als gekünstelte Sophie Hunger gibt einen interessanten Vergleich dazu ab. Auch Sophie segelt in ihrem musikalischen Segelboot - vornehmlich durch Untiefen der Seele und stille Wasser. Schon die Eröffnung "The Porter's wedding" spielt mit Piano und Radioknistern im reduzierten Retro-Gewand. Auch danach hält sich Sophie vornehmlich akustisch, betätigt sich selbst an der Gitarre und lässt sich ansonsten von Strassenmusikanten aushelfen, am Akkordeon, der Perkussion oder der gedämpften Trompete. Nicht nur den Flamenco spielt Sophie Hunger mit deutlich hörbar klassischem Anschlag. Dazu singt sie mit Engelszungen, mit voller Inbrunst, mit naiv-kindlicher Neugier in der Stimme. Doch auch am Mikrofon ist es purer Luxus, wenn ausnahmsweise mal eine Zweitstimme backt. Ansonsten bleibt Sophie spartanisch und hungrig. Obwohl Sophie in den ersten Tracks tönt wie eine astreine Südstaatenlady, verrät ein Blick auf die Songtitel, dass sich das so schnell ändern kann wie das Wetter. In Mundart wird "Sketches on Sea" zum unscheinbaren Spektakel, denn nun kann man den Gedankengängen der kleinen Hunger noch viel relaxter folgen und entdeckt eine unbequeme, nachdenkliche, eine sophie-losophische Welt, in der "De Stummi" nichts zu sagen weiss und "Dia Fahrenda", die niemals anhalten und Wunder offenbaren. Mal in breitem Berndeutsch ("schüsst", "Bieli") dann im herrlichsten Bündner Dialekt - man staunt je länger je mehr - ist Sophie Hunger eine Offenbarung für die Mundart, was leider wegen des englischen Titels wohl kaum jemand mitkriegt. Das "Lied für Zwärge" hat's mir besonders angetan. Höre ich Sophie "Sig e mau chli liislig" schmachten, kann ich erstmals Odysseus Qualen nachvollziehen, als er an den Mast gefesselt an der Insel der Sirenen vorbei fuhr. Für ganze 41 Sekunden lässt sich Sophie in "The tourist" auch noch zu Glam Rock verleiten, ansonsten bleibt sie in ihrem Wunsch nach Ruhe konsequent. Davon könnte die ganze Welt viel mehr vertragen.
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