Jackie gibt mir ein paar Minuten
Text: Eve
Bilder: Sandy, Eve
Schon seit ich im September 2005 die CD-Kritik zu ‚Gib mir ä Minute’ schrieb, wollte ich die Burgdorferin Jackie Leuenberger einmal live sehen. Da kam mir, gut ein Jahr später, die Einladung für ihr Konzert am 17. November in der Mahogany Hall gerade recht. Ich schnappte mir Sandy, meine Ausrüstung und ab nach Bern. Wir liessen uns von Jackies verträumten Liedern verzaubern und lauschten den seelenvollen Texten und den satten Klängen der Instrumente. Nach dieser Darbietung kletterten wir die Wendeltreppe hinunter um mit der Sängerin ein paar Worte zu wechseln. Sie war aufgedreht und ziemlich aus dem Häuschen vor Freude über das gelungene Konzert. „Ich bin sehr zufrieden“, erwähnt sie im Gespräch, „Ich mag solche Club-Gigs bei denen ich die Leute spüre und wo nicht so viele auf einem Haufen sind. Ich finde, das Publikum kommt mir so viel mehr entgegen. Ich habe es wirklich sehr genossen und die Leute haben echt toll mitgemacht.“
Aber nur wenige Stunden vorher sei ihr Gemütszustand noch ganz anders gewesen, gesteht Jackie: „Meistens werde ich erst kurz davor nervös, wenn ich am Zusammenpacken bin, um an den Konzertort zu reisen. Und beim Soundcheck werde ich dann so richtig kribbelig, dann werde ich unausstehlich, weiss nicht ob ich essen will oder mich schminken oder sonst was machen... - kann mich einfach nicht entscheiden. Dann frage ich mich: warum tue ich mir das immer wieder an. Aber es macht so viel Spass und wenn wir dann das erste Lied gespielt haben, überkommt es mich und dann liebe ich es einfach nur.“ Ihre Band, die vier Männer plus Backgrounder, ertragen sie scheinbar auch in diesem Zustand. Jackie kann sie nur loben, sie sind ihr ans Herz gewachsen und gute Freunde geworden. Ein Leben ohne Musik kann sie sich sowieso nicht vorstellen. „Singen ist für mich eine Möglichweit, mich auszudrücken. Ich mache mir in meinen Songs viele Gedanken, schreibe übers Leben, über Sachen die ich erlebe und die mich beschäftigen und das Singen ist die Art, wie ich dem Ausdruck geben kann.“ Auf die Frage nach Vorbildern, mit wem sie gerne mal auftreten würde, antwortet sie: „Da gäbe es einige. Ich hätte immer gerne mit Phil Collins ein Duett gesungen. Sheryl Crow finde ich sehr stark, ist ein Idol von mir oder Nelly Furtado, das eigenwillige, das sie in ihrer Musik und ihrer Persönlichkeit hat, gefällt mir sehr.“ Auf der Bühne hat sie ein charaktervolles, dynamisches Auftreten. Ich will wissen, ob sie auch sonst so eine Powerfrau ist. „Nicht immer. Momentan bin ich sehr aufgepeitscht, weil das Konzert so gut gelaufen ist und weil ich mich so freue, dass alles gelungen ist. Ich habe aber auch sehr nachdenkliche und zurückgezogene Seiten. In mir lebt beides, wie ein Pendelschwung.“
Ein Song, der auf ihrer aktuellen CD besonders heraussticht, ist der englisch gesungene Track „Way of forgiveness“. Jackie hat ihn selber geschrieben, inspiriert von einem Buch, welches sie einmal gelesen hat. Dieses Buch sei eine wahre Geschichte und handelt von einem Mann, der von zu Hause weg in eine Grosstadt zog. Dort ist er angeblich kriminell geworden und hat sich auf üble Sachen eingelassen. „Er hatte aber Pech und hat schlussendlich alles verloren, was er sich betrügerisch angeeignet hat. Zum Schluss lebte er sogar auf einer Müllhalde. Also hat er seinem Vater einen Brief geschrieben in dem stand, er würde gerne heimkommen, sei aber nicht sicher, ob er willkommen sei. Wenn er ihn sehen wolle, so solle er doch ein Lacken in den Baum vor dem Haus hängen, das wäre für ihn das Zeichen, dass er nach Hause kommen dürfe. Ansonsten würde er kehrtmachen und würde ihn nie mehr belästigen. So hat er sich mit der Eisenbahn aufgemacht, seiner Heimat entgegen und als der Zug um die Biegung kam, von der aus er das Elternhaus sehen konnte, war der besagte Baum über und über mit weissen Tüchern behangen und sein Vater stand davor und winkte im zu.“, erzählt Jackie mit glänzenden Augen. „Diese Story hat mich zu Tränen gerührt. Ich habe einfach geweint, als ich das gelesen habe und es hat mich nicht mehr losgelassen. Solche Geschichten berühren mich einfach, wie das sein kann, dass aus Zerbrochenheit wieder etwas Ganzes werden kann.“
Die Ideen zu den Songtexten kommen aber auch oft aus selber erlebten Ereignissen, aus ihrer Umgebung, oder sie sieht sich einen Film an... „Ich bin verheiratet und zum Beispiel die Lieder ‚Gib mir ä Minute’ und ‚Liebeslieder im Schlaf’, da hat mich wirklich mein Mann inspiriert. Das sind Szenen aus meinem Alltag. Mein Mann redet wirklich im Schlaf, singt sogar und irgendwo kam mal die Idee zu ‚Liebeslieder im Schlaf.’ Es hat auch Lieder, bei denen ich mich von Filmen inspirieren liess. Da war zum Beispiel ‚While you were sleeping’ mit Sandra Bullock, da ist sie Ticket-Verkäuferin in der U-Bahn und himmelt dort einen Mann an. Auf der neuen CD hat es ein Lied bei dem ich singe ‚Wär bisch du’ und dieser Film hat mich dazu inspiriert.“ Emotionen und Liebe sind Schlüsselwörter und ziehen sich durch Jackies Musik wie ein rotes Band.
Ihre neue CD Südhang sollte eigentlich schon in den Läden stehen. Warum sie das nicht tut, erklärt mir Jackie folgendermassen: „Ja, eigentlich habe ich geplant, dass sie schon dieses Jahr herauskommt. Aber es hat sich etwas Tolles mit einer Plattenfirma ergeben und ich konnte einfach nicht wiederstehen. Und ausserdem gibt es den richtigen und den falschen Zeitpunkt, um mit einer CD herauszukommen, darin haben wir uns beraten lassen. ‚Südhang’ kommt im Frühling heraus, ganz sicher!“ Also kein ‚Südhang’ unter dem Weihnachtsbaum, vielleicht bringt's ja der Osterhase. Da wir nun eben zum Warten verurteilt sind, will ich wenigstens wissen, worauf ich warte und was denn auf der neuen Rondelle zu hören ist. „Es ist eine ganz heisse CD geworden. Im Stil so ähnlich wie ‚Gib mir ä Minute,’ nur das wir versucht haben, es musikalisch noch mehr auf den Punkt zu bringen. Erdiger, stimmiger. Ich habe gehofft, dass das passiert, dass musikalisch und textlich alles noch mehr zu mir wird.“ Eine Kostprobe davon habe ich schon am Konzert gehört. In einem der Songs singt Jackie, dass sie von einem Rebberg am Bielersee träumt. Als ich sie nach ihren Träumen frage, erwähne ich augenzwinkernd den Song und ich erkläre, dass ich ihr das nicht ganz abnehme. „Glaubst du mir das nicht?“ Lacht die Sängerin und fügt etwas ernsthafter hinzu: „Was ich mich freuen würde ist, wenn ich weiterhin Musik machen kann. Mir gefällt es, wenn meine Lieder bei den Menschen etwas auslösen, wenn es sie tröstet oder einfach irgend etwas Gutes in ihnen auslöst. Auch wünsche ich mir für die Zukunft, dass ich noch mehr solche Lieder schreiben kann und es nicht die einzigen zwei CDs sind, die je von mir herauskommen, sondern dass es weitergehen kann.“