Jolly and the Flytrap - Engelberg, do gahd eppis!

Text/Bilder: MonthyChristo
Engelberg dürfte den meisten Menschen in musikalischer Hinsicht vor allem vom gleichnamigen Album Stephan Eichers bekannt sein. Doch das Border-Paradies hat auch sonst kulturell einiges zu bieten: Engelberg ist beispielsweise die geliebte Heimat der oben erwähnten Jolly and the Flytrap, welche in den letzten Jahren vor alllem als Songwriter der Extraklasse national aufhorchen liessen. Vor Jahresfrist produzierten sie den „Global Union Express“ - ein Album, das durchaus als Motto der Innerschweizer Weltenbürger gelten darf, denn der Sound der Jollys zeichnet sich durch kulturelle Vielfalt von „all over the world“ aus. Seit 2 Jahren betreiben Hefe, Richie und Co zudem das Gasthaus Grünenwald, welches sie zu einem Kulturzentrum der beinahe unbegrenzten Möglichkeiten ausgebaut haben. Filmabende, Weindegustationen, eine Hochzeitsfeier oder ein Firmenanlass sind in Grünenwald genauso angesagt wie Konzerte - im September `99 gar ein OpenAir mit ausschliesslich einheimischen Bands. Aber auch Snowboardern und Wanderern steht das Gasthaus offen, es fungiert gleichzeitig als Hotel und Konzertlokal. Nur logisch, dass die Jollys für die Aufnahmen des "Global Union Express" nicht wie früher ins Ausland getrippt sind, sondern die Scheibe zuhause eingespielt haben. Die Idee, Grünenwald vor allem Bands zur Verfügung zu stellen, wurde seither konsequent weiterverfolgt und heute steht das Haus zum Proben, für kreative Phasen und für Gigs offen. Das Lokal ist einzigartig in der Schweizer Musiklandschaft. Betreuung durch zwei dort heimische Jollys - sozusagen Familienanschluss - und ein Bahnhof direkt vor der Tür, wo übrigens sonst nicht viel ist, sind nur zwei weitere spezielle Elemente des Sound-Motels.
Mitten im Gespräch mit Jolly and the Flytrap stelle ich die Frage, warum es in Engelberg so viele Bands gebe und ernte reihum Kopfschütteln. Engelberg liege doch im statistischen Durchschnitt und kleine Bands gebe es überall wie Sand am Meer meinen die Weltenbürger aus dem - talking hard - Kaff in der Innerschweiz. Und dann fällt ein Satz, dessen Tragweite mir erst in den folgenden Stunden und Tagen richtig bewusst wird: „Rod Stewart hat einmal gesagt, es gebe zwei Möglichkeiten von der Strasse wegzukommen: Fussball und Rock `n‘ Roll!“ Worauf habe ich mich da bloss eingelassen? Eigentlich will ich mit meiner kleinen Serie nämlich die regionalen Szenen kartografieren und ein wahrheitsgetreues Bild der Schweizer Musik zeichnen - habe ich mir angesichts des allgemein schlechten Niveaus des Schweizer Fussballs nicht zuviel zugemutet? Entscheiden Sie erstmal selbst...
Nun gibt es aber nicht nur die Jollys in Engelberg. Weitere Bands:
Drunken Sailors: Folk und „lustige Sachen mit Akkordeon, Geige, Trompete und gefälschtem Alphorn“ (= Didgeridoo) - Zitat Jolly. Grosse Fangemeinde in Luzern.
Skunk off Deal: treten mit DJ und „lauten Gitarren“ auf, was sie selbst als „Brainsurfing“ bezeichnen.
Boksnite: FunkSoulBluesFunkSoulBluesFunkSoul...
Treibstoff: Rockband mit allerdings nur einem Engelberger Original, daher eigentlich nicht eine ortsansässige Band

Die Kontakt zwischen den Bands seien vor allem privater Natur, einen Szenentreffpunkt wie in einer Stadt gebe es eigentlich nicht, meinen Jolly and the Flytrap und sind dabei doch recht gut über die Aktivitäten ihrer lokalen Konkurrenten informiert. Da sie auch eine Produktionsfirma - NOMAN-Records - betreiben, bin ich nur allzu gerne bereit, ihnen zu glauben. Doch Richie bringt schliesslich auf den Punkt, was Engelberger Loyalität im Klartext bedeutet: „Allerdings sind alle sofort dabei, wenn irgendwo eine „Hundsverlochete“ abgeht...“
Als ich dann nach Unterstützung der öffentlichen Hand frage, merke ich, wie speziell meine regionalen Repräsentanten tatsächlich sind. Denn obwohl es einmal einen Gemeinderaum zum Proben gab, wurde er scheinbar vor allem als Lagerraum für Instrumente gebraucht. „Wir haben in den zwei Jahren, die wir den Raum mitbenutzen durften nur einmal dort geprobt... Heute ist es ein Jugendraum“, kommentieren die Jollys die Episode aus einer Zeit vor Grünenwald. Heute finden sich die Jollys eher selten, aber dann gleich für ein, zwei Wochen im Gasthaus ein und proben was das Zeug hält. Selbstredend entstehen dabei auch viele neue Songs, da die Atmosphäre und die Gelegenheit das Songwriting jeweils positiv beeinflussen. Die ganze Band gerät darüber ins Schwärmen und sie sind nicht die einzigen. Crank, Stärnä Föifi oder die Fingerpokes haben die Vorzüge Grünenwalds ebenfalls schon genossen und sich im Jolly-Haus eingemietet. Es habe sich halt im „Züri-Chuechä“ herumgesprochen, meint Hefe schon fast entschuldigend - denn Werbung wird nur von Mund zu Mund und via Homepage (siehe Link) gemacht. Es sei halt nicht einfach, etwas Passendes zu finden - mit einer grossen Stube (davon gibts in Grünenwald übrigens gleich drei), der nötigen Infrastruktur; ruhig und abgeschieden, so dass man problemlos bis in den frühen Morgen hinein proben kann und trotzdem nicht allzu abgelegen... Ich beginne zu verstehen, dass die Band dafür nicht allzu viel Publicity machen will - sonst müssten sich die Jollys am Ende wieder selbst auf die Suche nach genausoeinem Plätzchen machen.

Beschliessen möchte ich diese TourDeSuisse-Etappe mit einem einheimischen Spruch, welcher Engelberg auf meiner persönlichen Schweizer Soundkarte als einen Hauptort markiert: Hoppla, do gahd eppis!.

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