Krokus blühen in vollster Reife
20.12.2010/Text: Sandy, Bilder: toemu-pix.ch
„Unsere Oldies-Formation spielt besser als vor fünfundzwanzig Jahren“, beurteilt Fernando von Arb vor ihrem Christmas-Gig in der Festhalle Bern den jetzigen Groove der Hardrock-Band Krokus. Die Solothurner haben vor gut zwei Jahren wiedermal ein Comeback gestartet und zwar in der eigentlichen Urformation. „Der Grund ist unsere Reife, unsere Erfahrungen und nicht unbedingt die Technik“, begründet der Gitarrist schmunzelnd, warum die Band heute besser sei. Auch die Zusammensetzung stimmt wieder. Fernando sagt ganz neutral dazu: „Wir haben uns nach so vielen Jahren wieder soweit gefunden, dass wir präsentieren, was wir sind.“ Krokus blühen immer wieder, aber nicht immer zur gleichen Zeit und nicht stets am gleichen Ort. „Das Jetzt ist einfach sehr viel Fun“, bringt es von Arb auf einen schönen Nenner.
Fernando versucht seine persönliche Beziehung zur Musik zu beschreiben: „Nur Musik mache ich zu Hause sehr viel, in jeder Kombination hat sie dort Platz.“ Kritisch ergänzt er weiter: „Ab dem Moment, in dem man auf die Bühne geht und sich von A nach B bewegen will, ist es jedoch ein Geschäft und zwar ein hartes.“ Da müsse man für die Musik, sprich um den Erfolg, ganz schön kämpfen. Ganz in sich gekehrt verrät der musikalische Könner, dass er seine einige Blumenwiese gefunden habe. Er könne den Fokus seines Lebens voll auf die Musik richten und er scheint dankbar zu sein für dieses Privileg. Auf seiner Wiese blühen übrigens nicht nur Krokusse, sondern auch eine Vielfalt von anderen Pflanzen. „Ich höre Sound aus ganz verschiedenen Sparten, ab und zu spiele ich auch mal mit der Gitarre mit“, sagt er. Weiter gesteht der Musiker: „Ich muss immer wieder neue Einflüsse spüren, egal welcher Stil-Richtung. Ich suche mir das aus, was berührt.“ Er habe dafür keine Berührungsängste oder Vorurteile. Übrigens geht Fernando momentan wie ein ganzer braver Musikschüler und als blutiger Anfänger in den Cello-Unterricht.
Trespass.ch hat mal definiert, dass die drei Blüten von Krokus - Chris von Rohr, Marc Storace und eben Fernando von Arb - sowas wie Kopf, Herz und Seele der Erfolgsband seien. Fernando lacht, als ich ihn frage, was er sei: „Ich bin einfach der Gitarrist!“ Er versucht, doch noch eine Antwort zu finden: „Jeder bringt einen Teil von allem mit, es braucht Anteil.“Nachdenklich erwähnt er nochmals den Business-Part, der wirklich nicht zu unterschätzen sei. „Du musst irgendwie durchkommen, auch in unserem Alter“, sagt er und lacht. „Sonst stehst du plötzlich nicht mehr auf der Bühne, sondern auf der Strasse.“. Für das brauche man ganz klar Köpfchen. Wunderschön erklärt er, dass sie die Saat, die sie da vor x Jahren gesät haben, eigentlich erst jetzt so richtig herzlich – ohne Krampf - ernten können. Die Antwort auf die Frage, wer und was die Seele bei Krokus ausmacht, habe ich erst während dem anschliessenden Konzert erfahren: Sie steckt in der Leidenschaft für gradlinigen Ursprungs-Rock. Man findet sie auch in der Spielfreude und im Können der Musiker wieder. Der Kopf ist dabei sowohl auf der Bühne als auch im Publikum ausgeschaltet und es groovt nur noch - direkt in die Herzen. Ich erlaube mir, die drei menschlichen Teile Kopf, Herz und Seele um zwei zu erweitern: Ohr und Bauch. Weil zu Krokus nicht nur drei gehören, sondern eben fünf. Auch Schlagzeuger Freddy Steady und Mark Kohler an der zweiten Gitarre gehören dazu. Alle zusammen spielen aus dem Bauch und haben das Gehör, den perfekten Einklang zu finden.Braucht es da eine Zuteilung der Funktionen?
Dass Musik nicht nur Spass ist, haben Krokus mehr als genug, an ihrem eigenen Leib erfahren. Die Schweizer Musikszene habe eigentlich gar keine Ahnung, was das heisst, intensiv zu touren, und das erst noch im Ausland, vor allem in Amerika. Das stecke viel Arbeit dahinter, damit man auf einen grünen Zweig kommt. Zusätzlich sei es auch so, dass man monatelang von Zuhause weg ist. Amerika der Traum von vielen Musikern ist also in Wirklichkeit harte Realität. Stolz erwähnt Fernando von Arb, dass er zusammen mit Marc Storace wohl den Meilen-Rekord auf den amerikanischen Highways inne hält. Ihre Energien nochmals für diesen Kontingent hergeben wollen die Alt-Rocker heute nicht mehr unbedingt. „Das Publikum ist anders dort, denn immerhin verstehen sie die Texte“, schmunzelt der Solothurner mit einem Augenzwinkern. Der Business-Druck sei gewaltig. „Aus dem Geschäft bist du schneller raus, als du überhaupt den Koffer packen kannst.“ Die Karriere in den Staaten starte man vorerst sowieso mal nur als Opener. Nach jedem Konzert gebe es einen Bericht des Veranstalters an den verantwortlichen Agenten und es wird genau rapportiert, wie gut die Band war. „Wenn du einen Gig nach dem anderen erfolgreich klassifizieren kannst, bleibst du dabei – aber immer noch als Anfänger, versteht sich.“ Wenn man es nicht schaffe, werde man sogar während der Tour heimgeschickt. Wenn das passiert, kann Fernando nur noch einen Tipp geben: „Dann ist es wohl am Besten, sich aufzulösen und mit einem anderen Namen neu anzufangen.“
Erwartungen haben sich die Alt-Rocker nach ihrem Reunion-Konzert im August 2008 im Wankdorf keine gestellt. Die Idee war einzig: „Wir geben mal ein Gig, und dann schauen wir weiter.“ Das Ziel, ganz nach oben zu kommen, ist jetzt nicht mehr da. „Rock‘n Roll hat immer eine gewisse Dringlichkeit und du musst liefern“, weiss Fernando. Nach fünfundzwanzig Jahren Krokus sind ihnen die Abnehmer der Lieferungen treu geblieben. Der Fan-Kreis wird nur schon allein durch die Generationen grösser: Die Eltern bringen nämlich ihre Kinder mit an die Konzerte und gemeinsam wird dann ab gerockt. Der Gitarrist versucht ihr jetzt noch besser zu definieren: „Es ist einfach der absolute Bonus. Ein Geniessen aus 25 Jahren Arbeit.“ Die aktuelle CD „Hoodoo“ und einige auserlesene Konzerte ist ein Auskosten davon. Wie es weitergeht mit der Rockband aus Solothurn, will Fernando nicht verraten. Aus seinen leuchteten Augen ist aber abzulesen, dass Krokus, wie die gleichnamigen Blumen wohl immer wieder unter der Schneeschicht auftauchen werden.