Krokus - Ein Grappa mit dem Papa
Text: Monthy
Bilder: Christian Iseli
"Ouu, wo isch dr Grappa..?" entfährt es Marc Storace in seiner unnachahmlich herzlichen Art, als wir die Krokus-Garderobe am Brienzersee Rockfestival für ein kurzes Interview betreten. Damit verrät mir Marc nicht nur, welcher Schnaps ebendort nicht fehlen darf, sondern er schenkt mir auch gleich einen ein. Wieviel Anteil das klare Wasser am Klang von Storace´s Stimme hat, oder sollte ich sagen Röhre, frage ich aber nicht. Dafür ist mein Respekt vor diesem Organ dann doch zu gross. Als ich den nimmermüden Sänger zum Auftakt also frage, wohin Krokus nach dem Comeback mit "Rock The Block" und hinsichtlich dem neuen Album, erhältlich ab 15.9.06, hinwollten, meint Storace trocken: "Also eigentlich wollten wir damit sofort nach Amerika..."
Weil das vorerst nicht möglich war, konzentrierte man sich schon 2004 aufs Songwriting. Nachdem Mandy Meyer in die Band zurück kam, düste Krokus dann doch noch rüber und besuchte hauptsächlich die Ostküste. "Um zu sehen, was so läuft. Sozusagen, um einen Aperitif zu nehmen", lächelt Storace, der unzweifelhaft ein Rockstar ist, vielleicht gerade weil er sich auch für mich ein wenig Zeit nimmt und mir alles ausführlich erklärt. "Es hat uns viel Geld gekostet, wie immer wenn du die ganze Mannschaft über den Teich bringst, aber es hat sich gelohnt. Dieser Geist ist auch in einige Songs der neuen Platte eingeflossen" Nach einem weiteren Wechsel in der Drummer-Ecke, Stefan Schwarzmann von U.D.O und Halloween stiess zur Band, standen die Aufnahmen in Deutschland mit Dennis Ward an. Storace sagt über ihn: "Er ist ein guter Typ. Als Produzent noch nicht so teuer, dass wir ihn uns nicht leisten könnten. Unerfahren ist er aber natürlich auch nicht. Er ist selbst Musiker, spielt Bass bei Pink Cream 69."
"Kurz gesagt, wir sind zufrieden mit dem Endresultat, dem neuen Album. Es heisst ´Hellraiser´ wie die erste Single, die ausgekoppelt wurde. Den Song habe ich geschrieben und er wurde ausgewählt für den Handyman-Soundtrack." Film und Sampler stürmen derzeit in ihren Kategorien die Schweizer Charts. Storace nimmt einen Schluck Grappa und sagt: "Die Single war übrigens auch ein Apero - für unsere Fans, die viel zu lange auf ein neues Album warten mussten." Und das taten sie ungeduldig, nachdem "Rock The Block" zuletzt von 0 auf 1 in die Charts einstieg. "Trotz unseren Erfolgen in den Achtzigern, haben wir das noch nie erlebt", schaut Storace nochmals kurz zurück, bevor wir uns der brandneuen Single "Angle of my heart" zuwenden.
"Eine Halbballade, Mid Tempo Rock, radiotauglich und sehr ohrwurmig. Wenn du normalerweise ´Ballade´ sagst, verstehen die Leute ´Still Loving you´, die Superballade der Scorpions oder so. "Angel..." ist mehr so..." Dann singt er mir die Gitarre vor, wie nur er es kann. Später auf der Bühne macht er Mandy Meyer während dessen Solo an der Leadgitarre einzig und allein mit Mikrofon und Maul Konkurrenz.. "Es ist die ideale Single mit einem ganz speziellen Text", erzählt Storace weiter, der den Auftritt in Brienz übrigens mit Frau und Kindern genoss, "Ich hatte mal einen Traum und darüber habe ich geschrieben. Es hat auch eine Beziehung zum Luke-Gasser-Film ´Anouk - Weg der Krieger´, in dem ich als Medizinmann eines Bergstammes auftreten durfte zu tun. Ein Teil des Drehbuchs hatte meinen Traum beeinflusst." Beide Rollen, die des Medizinmannes sowieso und die des Familienmenschen offensichtlich, stehen Storace mindestens ebenso gut wie die des Rockstars. Zu ihm gehört jedenfalls das Leuchten in den Augen, die unbändige Energie, die ihn nebst seiner Stimme auch zum legendären Bühnenstar gemacht hat.
Ich schlage abermals die Brücke zu "Rock The Block" und von dort aus zum kultigen "Metal Rendezvous", ganz nebenbei dem Debut-Album von Storace als Krokus Lead-Voice. Er gibt mir recht bezüglich den frühen Achtzigern, korrigiert aber leicht: "Ja, wir wollten bewusst zurück, wobei du ja nie zurück kannst. Die Einflüsse stammen vielleicht eher von ´Hardware´ oder ´One vice at a time´" Die Alben wurden ´81 und ´82, also gleich nach "Metal Rendezvous" veröffentlicht. "Für ´Hellraiser´ wollten wir schon Krokus treu bleiben. Aber ich habe ein viel breiteres musikalisches Spektrum in meinem Kopf, das ich tendenziell beschränken muss, wenn ich an Krokus denke." Und weil ich den Kopf der einzigen Schweizer Rockband, die sich je im Ausland durchgesetzt hat, nicht jeden Tag beim Schopf packen kann, beschliesse ich, es nun zu tun...
"Bezieht sich das auch auf die Texte? Ich meine, um Krokus-Texte zu verstehen, muss man bekanntlich nicht studiert haben...", frage ich frech dazwischen und erwarte zumindest einen bösen Blick. Statt dessen kriege ich ein Lächeln und eine Gegenfrage: "Du meinst, wie Goethe...? Krokus Texte sind oft zweideutig - Long Stick goes Boom..." Auf meinen Einwand, das sei doch schon sehr eindeutig, relativiert Storace: "Aber es ist zumindest indirekt. Ich spiele die ganze Zeit mit Zweideutigkeiten. Viele Dinge sind sonst zu offensiv. Das Publikum hat´s glaube ich auch lieber, wenn es zweideutig ist, schon nur wegen der Kinder. Es macht eine Grenze zwischen Erwachsenen, die das verstehen können und Kindern, die es nicht verstehen. Und das finde ich gut. Wir sind nicht die Sex Pistols. Ich bin nicht Johnny Rotten, werde es nie sein und würde mich auch nicht wohl fühlen dabei. Ich gebe gerne ein gutes Beispiel - Rock´n´Roll, Party, Fun, vielleicht ein bisschen viel trinken, blöd tun, Fasnacht das ganze Jahr. " Und dass Marc Storace privat sehr wohl ruhiger sein kann, ist auch klar. - "Bei der Familie bin ich ganz anders und werde von ganz normalen Menschen akzeptiert. Aber im Herz bin ich seit der Schulzeit Rock´n´Roller!"