Krokus - Tratsche mit Storace
Es gibt wohl kaum eine Band mit so vielen Wechseln und Kommen und Gehen der Musiker wie Krokus. Was hat die heutige Besetzung noch mit der Urformation zu tun? Der Sänger Marc Storace versuchte mich zu narren. „Wir wechseln jetzt den Namen, wir nennen uns deswegen neu Karussell...“ Ich bohrte jedenfalls noch etwas weiter nach und bekam die nüchterne, völlig unromantische Erklärung: „Das läuft so wie in einer Arbeitsbude, nur das wir keinen Schuhladen haben, sondern Songs verkaufen. Da gibt es einfach verschiedene Persönlichkeiten. Es gibt die, die dominieren wollen und es gibt Mitläufer und ab und zu wird einer `pissed off` und geht oder der, der zu stark die grosse Klappe führt, muss gehen. Es ist eigentlich ein normales Menschenverhältnis. Aber es ist schon wahr, bei Krokus ist es, wie du sagst, ein bisschen extrem.“ Storace erinnerte mich aber daran, dass auch bei vielen anderen Bands längst nicht mehr die Originalbesetzung besteht. „Zum Beispiel Saxon, da sind auch nur noch Biff und der Leadgitarrist von den Original-Saxon - und es funktioniert. So lange, wie gewisse Komponenten einer Band noch dabei sind, kann es immer weitergehen.“
„Mir persönlich, mir gefallen die Songs zum Singen und die ganze Freiheit die ich habe. Dass ich mich selber sein kann auf der Bühne - und mit Krokus kann ich auch wieder nach Amerika. Darum bin ich noch da. Ich war ja auch eine lange Zeit nicht mehr dabei. 1988 bin ich ausgestiegen, weil ich mich ausgebrannt gefühlt habe. Damals hatten wir aber acht Jahre getourt, es waren die besten Jahre von Krokus. Dann sind wir 1994/95 für ´To rock or not to be´ wieder zusammengekommen.“ Das war übrigens das Album, auf dem nebst Storace noch Von Arb, Kohler, Many Maurer und Freddy Steady Songs wie „In the dead of night“, „Lion heart“ und „Stormy nights“ bretterten. „Und ´Rock the block´ ist jetzt auch erstaunlich erfolgreich. Ich glaube daran. Ich glaube die Zeit ist gut und mit dem Team, das wir jetzt haben, werden wir noch viel erreichen – wenn niemand spinnt...“ Aber wird die Band in der aktuellen Zusammensetzung nun auch zusammenbleiben? Laut Marc Storace auf jeden Fall.
Krokus hatte 1983 mit "Headhunter" einen ihrer Höhepunkte. Aber ein Lieblingsalbum konnte mir der Rocksänger nicht nennen. „Ich habe keinen Favoriten, es ist schon schwierig, einen besten Song zu wählen. Meine Beziehung zum Material ist zu eng, jeder Song ist wie ein Baby für mich. Jedes Album hat eine Geschichte und deswegen hat auch jedes eine spezielle Ecke in meinem Herzen. Die Populärsten und best verkauften Alben von Krokus sind bis jetzt Nr.1 "Headhunter", Nr.2 "Metal Rendez-vous", Nr.3 "One vice at a time" und dann "Hardwear" oder der "Blitz" und "Heart attack", also schon die, aus den guten alten Zeiten.“ Auch "Rock the block", sozusagen das Comeback-Album von Krokus hat seine Geschichte. „Für mich ist es sehr speziell, weil ich nach langer Zeit, seit 1995, zurückgekommen bin. Fernando und ich haben uns wieder gefunden und wir sind jetzt ein gutes, neues Team. Wir haben viel erreicht und auch die Texte, die ich geschrieben habe, das Songwriting, die Produktionsart, alles hat irgendwie einen neuen, modernen Touch.
Seit 1974, dem Anfang von Krokus, hat sich natürlich auch deren Musik ständig ein bisschen verändert. „Immer steigend bis zum ´Blitz´, dann hat die Plattenfirma gemeint, sie wüssten besser als wir, welche Musik wir machen sollen...“ Nach diesem Release verliess auch Gründungsmitglied Chris von Rohr aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Management die Band. Ich sprach Storace auf die mehr oder weniger gefestigten Gerüchte an, dass Krokus im Ausland doch ziemlich mies abgezockt worden seien. „Krokus ist eine Schweizer Band, wir hatten ein Schweizer Label und wir sind weit gekommen, bis zu Platin. Es sind schon ein paar Regeln gebrochen worden, aber das kannst du nicht immer so genau sagen. Im Nachhinein sag ich, wir waren selber Schuld. Wir hätten mehr zusammenhalten sollen wie eine Band, wie ein Team und taffer sein gegen aussen. Wir sind so in einer Mafioso-Art behandelt worden...Das stimmt schon. Unsere Managements hatten überhaupt kein Interesse im Ausland zu spielen, nicht mal in Europa und wir haben dann auch die Schweizer Fans vernachlässigt. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, es ist ein neues Kapitel.“
So können die Jungs mit einem guten Gefühl zu ihrer Amerika-Tour starten, die Erste übrigens seit gut 15 Jahren. „Es hat auch lange gedauert, bis es soweit gekommen ist. Immer wurde die Handbremse gezogen und dann war die Welle vorbei. Jetzt haben wir wieder ein Surfbrett und warten auf die Welle – die kommt am 8.September – und schon am 11. September spielen wir wieder in New York City.“ In Übersee warten ganze zwanzig Konzerte in nur einem Monat auf Storace und seine Crew. Nach Amerika machen sie noch einen Abstecher nach Russland. Zurück in der Schweiz gehen sie postwendend ins Studio. „Es ist Zeit für eine neue Scheibe.“ Zum Schluss noch, wieso der Name Krokus? Eine so harte Band mit dem Namen eines so zarten Blümchens? „Das habe nicht ich erfunden. Das war in den Anfangsjahren, 1974 oder so und ich war damals Sänger von Tea, der ersten internationalen Rockband der Schweiz. Wir haben Krokus als Openingact mitgenommen und ich habe `di Giele` dort kannengelernt und da habe ich auch gedacht - Krokus...? Aber damals war die Band noch viel bluesiger, Tommi Kiefer war sowieso mehr ein Blues-Rock Gitarrist. – Rest in Peace Tommi!“
Text/Bilder: Eve